Tennis | French Open "Coco" Gauffs Reifeprüfung bei den French Open

Stand: 02.06.2022 07:31 Uhr

Die 18-jährige Cori "Coco" Gauff ist seit ihrem Sensationslauf ins Achtelfinale von Wimbledon vor drei Jahren vor den Augen der Weltöffentlichkeit gereift. Vor ihrem ersten Grand-Slam-Halbfinale in Paris am Donnerstag (02.06.2022) wirkt sie erwachsener als mancher gestandene Profi.

Von Jannik Schneider (Paris)

Komplett in sich gekehrt und ohne eine Miene zu verziehen, trottet Cori "Coco" Gauff hinter ihrem argentinischen Trainer zum Ausgangsbereich des abgeriegelten Jean-Bouin-Trainingscenters. Als eine Handvoll Fans sie um gemeinsame Erinnerungsfotos bittet, schaltet der Teenager aus Delray Beach sofort um. Voller Energie und mit einem breiten Grinsen geht sie auf ihre Bewunderer zu und erfüllt alle Wünsche. Als sie sich zum Shuttleservice umdreht, scheinen die Emotionen wieder zu verschwinden.

Vor ihrem Viertelfinalerfolg bei den French Open gegen Grand-Slam-Siegerin Sloane Stephens am Montagnachmittag wirkte es so, als verfüge die 18-Jährige über einen Energieschalter, den sie beliebig an- und ausknipsen kann. Außerhalb der Tennisplätze schaltet sie eher in den Energiesparmodus. Mit physisch, spielerisch und mental beeindruckenden Leistungen hat sich die Amerikanerin in ihr erstes Grand-Slam-Halbfinale befördert. Dabei präsentiert sie sich auch abseits der Tennisstadien erstaunlich abgebrüht.

Wimbledon 2019: Selbst Obama berichtete über Gauffs Sensation

2019 war sie nicht mehr als ein Versprechen auf eine bessere amerikanische Tenniszukunft, nur Insidern als großes Talent bekannt. Dann erspielte sich die damalige Nummer 273 der Welt als jüngste Qualifikantin der Turniergeschichte erst einen Hauptfeldplatz und fertigte anschließend unter anderem Größen wie Venus Williams ab. Erst Simona Halep stoppte sie zu Beginn der zweiten Woche. Michelle Obama tweetete damals über "Coco" und plötzlich stiegen die Erwartungen an das Mädchen, das körperlich dank sehr frühem Fitnesstraining schon viel weiter war als gleichaltrige Talente. Damals war sie 15.

Seitdem hat Gauff zwei WTA-Turniere gewonnen und bereits mehr als drei Millionen US-Dollar an Preisgeldern verdient. Wohlgemerkt: Gauff (Jahrgang 2004) könnte im Stade de Roland Garros immer noch in der Juniorinnenkonkurrenz starten. Auch wegen dieser exponierten Stellung wird sie seit mehreren Jahren von der Management-Agentur von Roger Federer vermarktet.

Nach dem Erfolg gegen Landsfrau Stephens sagte der Teenager noch auf dem Court: "Noch vergangenes Jahr war ich zu fokussiert darauf, die Erwartungen anderer zu erfüllen. Egal wie gut oder schlecht meine Karriere verläuft, ich bin gut genug als Person." Die Resultate in ihrem Job oder wie viel Geld sie verdiene, dürften sie nicht als Mensch definieren.  

Gauff sorgt bereits alleine für die Familie

Reife Worte einer jungen Frau, die seit ihrem Durchbruch auf der WTA-Tour in den vergangenen drei Jahren für das Einkommen ihrer Familie sorgt. Die Eltern gaben ihre Restaurants auf. Ob das für die 18 Jährige zusätzlichen Druck bedeutet? Zumindest nach außen lässt sie sich nichts anmerken. Über Instagram posierte sie vor den French Open am Eiffelturm. In ihren Händen hielt sie ihren Highschool-Abschluss und versprühte zumindest etwas Normalität.

In der Vorschlussrunde von Paris trifft Gauff auf die Überraschungs-Halbfinalistin aus Italien –  Martina Trevisian, eine Spielerin, die sich auf der roten Asche besonders wohlfühlt. Gauff geht dabei als klare Favoritin ins Match. Kritikern, die behaupten, die Belastung aus Einzel- und Doppel sei für eine Topspielerin zu viel, konterte Gauff so: "Ich bin physisch bei 100 Prozent. Ich habe so viel Arbeit in die Vorbereitung zwischen den Jahren gesteckt. Ich hatte noch nie ein Ausdauerproblem in der Vergangenheit. Wenn ich nicht das Gefühl hätte, alles in beiden Wettbewerben geben zu können, dann würde ich nicht spielen."

An der Seite von Landsfrau Jessica Pegula bestritt sie ihr Doppelviertelfinale und erreichte auch dort die Runde der letzten Vier. Dabei war der eigene Energieschalter wieder angeknipst. In den Sparmodus kann sie danach wieder wechseln.