Tennis | Australian Open Kommentar: Novak Djokovic reißt sein eigenes Denkmal ein

Stand: 16.01.2022 15:42 Uhr

Die Entscheidung ist gefallen: Tennisstar Novak Djokovic muss Australien verlassen und darf nicht am Grand-Slam-Turnier teilnehmen. Mit seinem Verhalten hat er sein eigenes Denkmal als wohl bester Tennisspieler aller Zeiten selbst stark beschädigt. Ein Kommentar.

Die Entscheidung sei "endlich gefallen". Sie hätte ja auch "lange genug auf sich warten lassen". Es habe sich "hingezogen wie Kaugummi". Solche und viele ähnliche Kommentare waren nach der Urteilsverkündung der Richter in Melbourne am Sonntag (16.01.2022) in den sozialen Medien über den Fall Novak Djokovic zu lesen.

Aber diese Zeit hat es benötigt, um eine Rechtssicherheit der Entscheidung in der Visum-Angelegenheit herzustellen. Der Rechtsstaat hat ein Urteil gefällt: Der Serbe muss Australien verlassen und darf nicht an den Australian Open teilnehmen.

Für diese Klarheit der Entscheidung hat die Justiz die Argumente der beiden Seiten sorgfältig gegeneinander abgewogen, insgesamt elf Tage sind dadurch vergangen. Allerdings lässt sich schon jetzt sagen, dass beide Seiten als Verlierer aus dieser Angelegenheit herausgehen.

Unabgestimmtes Handeln

Die australische Regierung, weil sie ihre strengen Einreisebestimmungen mit ihren Bundesstaaten und dem Veranstalter des Grand-Slam-Turniers offenbar nicht zweifelsfrei abgestimmt hatte. Wie sonst hätte Djokovic überhaupt erst an ein vorübergehendes Visum vom Bundesstaat Victoria und an eine Ausnahmegenehmigung zur Teilnahme kommen können, die die Bundesregierung bei der Einreise dann beide für ungültig erklärte?

Dass die Regierung Härte im Fall Djokovic demonstrieren wollte, ist zumindest nachvollziehbar, zumal sie der eigenen Bevölkerung 262 Tage Lockdown in Folge zugemutet hatte und nicht einmal ausgereiste Australier wieder in ihr eigenes Land ließ. Weshalb sollte ein ungeimpfter Profisportler ohne körperliche Probleme eine Extrawurst erhalten?

Von Selbstkritik keine Spur

Aber noch nachhaltigere Spuren dürfte diese Angelegenheit beim Serben hinterlassen. "Ich bin extrem enttäuscht über die Entscheidung. Ich fühle mich unwohl, dass ich der Fokus der vergangenen Wochen gewesen bin, und ich hoffe, dass wir uns nun alle auf das Spiel und das Turnier, das ich liebe, konzentrieren können", teilte Djokovic in einer ersten Stellungnahme mit. Von Selbstkritik - wie eigentlich immer beim 34-Jährigen - keine Spur. Er hatte versucht, scheinbare juristische Schlupflöcher zu nutzen.

Und Djokovic merkte nicht, dass sein ausgeprägter Egoismus ihm die Sicht auf die Realität versperrt hatte. Spätestens als er zum ersten Mal in das Abschiebehotel verwiesen wurde, hätte er merken müssen, dass er sein Ziel, an den Australian Open teilzunehmen und sie zum zehnten Mal zu gewinnen, nicht erreichen kann. Und er hätte freiwillig die Heimreise antreten müssen, was er jederzeit gekonnt hätte. Damit hätte er sein Gesicht wahren, von der Öffentlichkeit vielleicht sogar Anerkennung erhalten können.

Wie sieht die Zukunft aus?

Damit ist es nun vorbei. Was bleibt nun von diesem unerfreulichen Trip um die halbe Welt für Djokovic?

Die Erkenntnis, dass er ein Impfverweigerer ist, der sich unsolidarisch mit der Gemeinschaft zeigt und alleine seinen eigenen Vorteil sucht. Diejenigen, die ihn ohnehin schon skeptisch sahen, weil sie außerhalb der überragenden sportlichen Erfolge Zweifel an seinen charakterlichen Eigenschaften hegten, dürften sich nun in allem bestätigt sehen.

Neue Sympathien von Fans, die Djokovic seit Jahren fast schon händeringend sucht, wird er sicher nicht gefunden haben. Ihm droht zudem eine dreijährige Einreisesperre nach Australien, womit die Chancen, dass er überhaupt noch einmal bei dem Turnier antreten kann, sehr gering ausfallen.

Und wie soll es nun in den kommenden Monaten weitergehen, wenn sich Djokovic weiterhin nicht impfen lassen möchte? Die Pandemie ist noch lange nicht beendet. Können ihm die Turnierveranstalter der nächsten Wochen und Monate guten Gewissens eine Antrittsgenehmigung erteilen? Wie werden andere Länder darauf reagieren? Wie werden sich Kollegen auf der ATP-Tour ihm gegenüber verhalten? Und auch der Großteil der Zuschauer wird ihn wohl nicht mit offenen Armen empfangen.

Novak Djokovic ist dabei, sein eigenes Denkmal einzureißen. Denn an diesen egoistischen Akt von Melbourne werden sich nicht nur die Tennisfans noch viele Jahre danach erinnern. Dabei ist der Serbe der wohl beste Spieler aller Zeiten, aber das wird von nun an immer mehr in den Hintergrund geraten. Er ist an sich selbst gescheitert.