Bernd Berkhahn

"Großes Führungsproblem" DSV - Bundestrainer Berkhahn schlägt Alarm vor Olympia

Stand: 22.11.2023 09:13 Uhr

Der erfolgreichste Trainer stellt der Führung des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) ein Armutszeugnis aus. Bernd Berkhahn meint, es werde "strukturell und perspektivisch nicht gearbeitet".

Von Arne Steinberg und Jörg Mebus

Bernd Berkhahn schlägt acht Monate vor den Olympischen Spielen in Paris Alarm. Der erfolg- und einflussreichste Trainer im Deutschen Schwimm-Verband sieht den DSV in einem katastrophalen Zustand und hält die Leistungssport-Sparte für die große Verliererin der schwierigen internen Aufarbeitungsprozesse rund um das Thema sexualisierte Gewalt.

Der DSV-Spitze um die Vize-Präsidenten Wolfgang Rupieper und Kai Morgenroth stellt der Coach der Medaillengaranten Florian Wellbrock und Leonie Beck ein Armutszeugnis aus.

"Der DSV hat gerade definitiv ein Strukturproblem und ein großes Führungsproblem", sagte Berkhahn im Interview mit dem ARD-Morgenmagazin. Im Leistungssport-Management herrsche "Führungslosigkeit", wichtige Positionen seien unbesetzt, es werde "strukturell und perspektivisch nicht gearbeitet". An eine Weiterentwicklung sei unter diesen Umständen nicht zu denken. "Wir versuchen, den Status quo so gut es geht zu halten", sagte Berkhahn. Der 52-Jährige ist bislang der einflussreichste Kritiker aus dem DSV, der sich öffentlich über die Verbandsführung beklagt.  

Keine "professionelle Vorbereitung" auf Olympia

Seiner Meinung nach beeinflussen die Vorgänge innerhalb des Verbandes die Vorbereitungen auf Olympia 2024 in Paris (26. Juli bis 11. August) negativ: "Wir versuchen, für die Leistungsträger ein ruhiges Fahrwasser zu schaffen, damit sie gut in die Spiele kommen, damit alle Maßnahmen durchgeführt werden können. Aber letztlich kann man nicht davon sprechen, dass wir eine strukturierte und professionelle Vorbereitung haben."  

Er glaubt, dass die Probleme im direkten Zusammenhang mit Missmanagement bei der Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt stehen - angefangen mit der fristlosen Kündigung von Thomas Kurschilgen. Der ehemalige Leistungssportdirektor, der im März 2021 wegen angeblich mangelhaften Umgangs mit Missbrauchsfällen am Bundesstützpunkt in Würzburg gehen musste, wurde nie adäquat ersetzt.

Fälle "immer wieder verschleppt"

"Stattdessen hat sich der Vorstand eingemischt in den Leistungssport, der eigentlich gesund war und gut lief. Und man hat sich eingebracht in Personalentscheidungen, die eigentlich nicht beim Vorstand lagen", sagte Berkhahn. Dass Ehrenamtler wie der im November 2022 zurückgetretene Präsident Marco Troll oder die neue Spitze um Rupieper und Morgenroth in die Belange des Leistungssports eingegriffen hätten, habe "in den vergangenen Jahren vieles kaputt gemacht."

Seit der Kündigung von Kurschilgen (Berkhahn: "Ein Manager, der wirklich Ahnung vom Fach hatte") befinde sich die Sparte Leistungssport "im luftleeren Raum, wir haben uns sogar zurückentwickelt". Ohne seinen Namen zu nennen, attackiert Berkhahn damit auch Christian Hansmann, den Direktor Leistungssport im DSV.

Aufarbeitung "immer wieder verschleppt"

Die Entschädigungszahlungen an den Missbrauchsbetroffenen Jan Hempel und Kurschilgen, die die Verbandskasse mit insgesamt etwa 1,2 Millionen Euro belasten, würden letztlich auch dem Leistungssportbereich fehlen, so Berkhahn. Im Management seien Positionen und Stellen "einfach wegrationalisiert" worden. Zudem warf er dem aktuellen Vorstand vor, die Aufarbeitung der Fälle "immer wieder verschleppt" zu haben: "Er war überhaupt nicht daran interessiert, eine Einigung zu finden, weil ja auch klar war, welches Ergebnis letztlich entstehen würde."

Auch Jan Hempel hatte dem DSV bei der Aufarbeitung seines Missbrauchsfalles immer wieder vorgeworfen, auf Zeit zu spielen. Die Einigung mit Kurschilgen erzielte der Verband erst zweieinhalb Jahre nach der Kündigung.

DSV weist Vorwürfe zurück

Der DSV äußerte sich auf ARD-Anfrage schriftlich zu Berkhahns Vorwürfen und betonte, die Olympia-Vorbereitungen verliefen "professionell und planmäßig". Bei der Besetzung von Management und Geschäftsstelle seien im Laufe des Jahres "kurzfristige Vakanzen" aufgetreten, ab Dezember seien in Management und Geschäftsstelle wieder "alle Planstellen besetzt."

Die "komplexen Fälle" Hempel und Kurschilgen, betonte der DSV, seien "sorgfältig und mit dem Ziel der Planungssicherheit für den gesamten Verband gemanagt" worden. Davon profitiere auch der Leistungssport: "Selbstverständlich schränken uns diese Zahlungen in unserer finanziellen Flexibilität ein, jedoch ohne die Arbeit oder das Budget des Leistungssports zu beeinträchtigen."

Die Äußerungen Berkhahns erhöhen vor der mit Spannung erwarteten Mitgliederversammlung am 9. Dezember in Kassel nochmals den Druck auf die Verbandsführung.