Anwar El Ghazi, FSV Mainz 05

Fußball | Bundesliga Sportanwalt über den Fall El Ghazi: "Mainz hat großartig reagiert"

Stand: 18.10.2023 18:18 Uhr

Fußball-Bundesligist 1. FSV Mainz 05 hat den Spieler Anwar El Ghazi aufgrund eines anti-israelischen Social-Media-Posts freigestellt. Sportanwalt Christoph Schickhardt ordnet die Rechtslage ein.

SWR Sport: Herr Schickhardt, der 1. FSV Mainz 05 hat Anwar El Ghazi vom Trainings- und Spielbetrieb freigestellt. Was bedeutet der Begriff der Freistellung?

Christoph Schickardt: "Der Begriff der Freistellung heißt, dass jemand von seiner Verpflichtung der Erbringung der Arbeitsleistung freigestellt ist. Also: Der Arbeitsvertrag besteht weiterhin komplett mit allen beidseitigen Rechten und Pflichten. Nur der Arbeitnehmer muss nicht arbeiten."

Christoph Schickhardt, Rechtsanwalt

Christoph Schickhardt, aufgewachsen in Ludwigsburg, beschäftigt sich seit 1983 hoch spezialisiert mit dem Recht des professionellen Sports und gilt als einer der führenden Sportanwälte Deutschlands.

Ist der Arbeitgeber, also in dem Fall der 1. FSV Mainz 05, berechtigt, den Arbeitnehmer, in diesem Fall Anwar El Ghazi, freizustellen?

"Das ist umstritten, weil der Fußballspieler eigentlich ein Recht hat, unter Profi-Bedingungen zu trainieren, da er sich nur so auf dem Arbeitsmarkt präsentieren und fit bleiben kann. Deswegen sagt die Rechtssprechung dazu: Man kann den Fußballer als Arbeitnehmer vorübergehend in die zweite Mannschaft versetzen und dort mittrainieren lassen, wenn es da Profi-Bedingungen gibt, also wenn die Mannschaft in einer bestimmten Spielklasse spielt. Diese Degradierung kann eine Disziplinarmaßnahme sein, die unterhalb der Schwelle der Abmahnung oder der Kündigung wäre."

Wie geht es rechtlich im Fall El Ghazi weiter?

"Der Verein müsste die Situation noch einmal beurteilen und eine Entscheidung treffen. Da könnte er sagen: Wir kündigen das Arbeitsverhältnis fristlos. Dazu haben die Verantwortlichen 14 Tage nach dem Bekanntwerden des Vorfalls Zeit. Oder sie gehen eine Stufe runter und machen eine Abmahnung oder degradieren den Spieler erstmal in die zweite Mannschaft als vorübergehende Disziplinarmaßnahme."

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Was könnte der Spieler dagegen tun?

"Der Spieler könnte sich dagegen wehren, allerdings mit wenig Aussicht auf Erfolg, wenn das eine vorübergehende Degradierung ist. Wenn der Verein ihn innerhalb der 14 Tage aus wichtigem personenbedingtem Grund fristlos kündigt, dann kann er dagegen das Arbeitsgericht Mainz anrufen und eine Kündigungsschutzklage einreichen."

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Welche Kriterien zieht das Gericht heran, um zu entscheiden, ob die fristlose Kündigung rechtens wäre?

"Bei Gericht würde eine umfassende Würdigung vorgenommen. Da spielt eine Rolle, wie alt der Spieler ist, wie er sozial integriert ist, wo er herkommt, wie sein Umfeld ist. Hat er sich schon mal daneben benommen, hat er sich entschuldigt, hat er den Post gelöscht, hat er ihn nur geliked oder ihn selber gemacht? Da würde eine umfassende Prüfung vorgenommen. Sie müssen auch eins bedenken: Eine fristlose Kündigung bedeutet für den Verein, dass er den Spieler verliert. Er ist ablösefrei und kann sich jedem anderen Verein der Welt anschließen. Das ist für den Verein auch eine schwierige Situation."

Der 1. FSV Mainz 05 hat die Freistellung damit begründet, dass der Inhalt des Posts, den El Ghazi veröffentlicht hat, nicht mit den Werten des Klubs einhergeht. Inwiefern spielen Werte vor Gericht eine Rolle?

"Die Werte des Klubs und der Deutschen Fußball Liga (DFL) und des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) ergeben sich aus der Präambel. Da steht klar drin: Sie lehnen Gewalt ab, lehnen Rassismus und jede Art von Unterdrückung ab. Das entspricht unserer Werteordnung insgesamt. Da kommt hinzu, dass der Schutz des Staates Israel Staatsräson ist. Was immer das heißt. Das ist ein zusätzliches Moment, das hier verschärft zur Geltung kommt. Wenn der Spieler das nicht wusste, dann muss er sich vorher erkundigen."

Wie bewerten Sie, dass der Verein sich so schnell und klar positioniert hat?

"Mainz 05 hat aus meiner Sicht großartig reagiert. Der Verein hat sich schnell, klar und unmissverständlich positioniert. Ich glaube, dass es der Vereinsführung von Mainz 05 weniger auf die Rechtslage ankam, sondern darum, ein Statement zu setzen und sich in der Öffentlichkeit klar zu positionieren. Das ist perfekt gelungen."