Kinder bei einem Basketballspiel in der Mercedes-Benz-Arena (Bid: IMAGO/camera4+)

Folgen des Erfolgs Wie der WM-Titel den Basketball-Boom in Berlin und Brandenburg verstärkt

Stand: 24.10.2023 18:48 Uhr

Seit Jahren wachsen die Basketballvereine und -verbände in Berlin und Brandenburg rasant. Der deutsche WM-Titel verstärkt diesen Trend nun zusätzlich. Der Basketball zwischen Euphorie und großen Herausforderungen. Von Jakob Lobach

Ein "plötzliches gesteigertes Interesse an, für etwas, das dadurch sehr gefragt ist" – so lautet die etwas kryptische Definition des Dudens für das Wort "Boom". Nicht der Knall, sondern der andere, metaphorische Boom. Der Boom, nach dem im Sport stets gefragt wird, wenn sich besondere oder gar historische Ereignisse ereignen.
 
So auch nach dem sensationellen Weltmeistertitel der deutschen Basketballnationalmannschaft in diesem Sommer. 44 Tage ist es her, dass die Auswahl um Dennis Schröder und die Berliner Brüder Moritz und Franz Wagner auf den Philippinen den Basketball-Thron bestiegen. Kaum war ihnen dies gelungen, wurden auch sie zu einem möglichen Boom in ihrer Sportart befragt.

Basketball-Weltmeister Deutschland (imago images/Tilo Wiedensohler)
Die Schlüssel für den WM-Titel der deutschen Basketballer

Zum ersten Mal ist Deutschland Basketball-Weltmeister. Es ist ein Titel, der plötzlich kam, aber alles andere als Zufall ist. Er ist das Ergebnis einer rund zehnjährigen Entwicklung im deutschen Basketball inklusive einer wichtigen Regeländerung. Von Jakob Lobach, Manilamehr

"Unheimliches Interesse am Basketball"

Nun reichen 44 Tage gewiss nicht aus, um endgültig festzustellen, ob der WM-Triumph speziell in Berlin und Brandenburg für einen nachhaltigen Effekt sorgt. Erste Tendenzen hingegen lassen sich bereits erkennen. So sind sich auch die in der Region am Basketball Beteiligten im Kern einig: Einen kleinen Basketball-Boom hat es bereits vor der dem diesjährigen Sommer gegeben. Durch den WM-Titel hat dieser sich allerdings zu einem größeren Boom entwickelt. So groß, dass er Klubs und Verbänden neben großer Freude auch große Herausforderungen beschert.
 
"Wir haben unheimlich viel Interesse am Basketball in den letzten Jahren", fasst Alexander Frisch zusammen, was sich im Detail auch mit Zahlen belegen lässt. Als Präsidiumsmitglied des Berliner Basketball Verbands kennt der einstige Profi und heutige Richter, Basketballkommentator und -trainer diese natürlich. Frisch weiß, dass sein Verband allein im vergangenen Jahr über 2.000 neue Mitglieder gewann, die einen Zuwachs von 14 Prozent bedeuten. Im Vergleich zum Jahr 2018 hat sich die Anzahl an Berliner Vereinsbasketballern sogar um knapp 45 Prozent erhöht – auf insgesamt 16.688 Mitglieder zum Ende des Jahres 2022.
 
Da beeindruckten übrigens auch die Mitgliedszahlen der Basketballvereine in Brandenburg: Rund 1.400 und damit knapp 50 Prozent neue Mitglieder haben diese seit Ende 2017 gewonnen. Selbst die Corona-Krise hat der Basketball in Berlin und Brandenburg mehr als nur verkraftet. Er hat ihr erst mit Konstanz, dann mit Wachstum getrotzt und ist so weiterhin eine der am schnellsten wachsenden Sportarten in Berlin und Brandenburg. "Natürlich wird das durch so krasse Erfolge wie bei der WM auf die Spitze getrieben", sagt Alexander Frisch.

Größere Öffentlichkeit zeigt Wirkung

Es ist ein Eindruck, den auch Niko Schelling teilt. Seit sieben Jahren koordiniert er als Sportlicher Leiter den weiblichen Bereich der 'Basketball Allianz Süd Südwest' (B.A.S.S.), einer über 500 Mitglieder starken Kooperation zweier Vereine aus dem Süden Berlins. Auch Schelling berichtet von einem in vergangenen Jahren ohnehin gewachsenen Basketballinteresse, allerdings nicht, ohne die Effekte der diesjährigen Weltmeisterschaft ebenfalls hervorzuheben: "Wir bekommen mittlerweile viele Anfragen, die wir früher nicht hatten."
 
10 bis 15 Anfragen erreichten den Klub aktuell wöchentlich, der Großteil von Basketball-unerfahrenen Jungen zwischen 12 und 15 Jahren. "Normalerweise sind Anfänger eher so sechs, sieben oder acht Jahre alt", sagt Schelling, "aber jetzt kommt genau die Zielgruppe auf uns zu, die so einen WM-Titel wirklich erlebt und davon inspiriert wird."

Spätestens seit der WM müssen wir viel weniger Leuten erklären, dass Basketball auch cool ist. Sie kommen jetzt viel häufiger von alleine.

Es sind Anfragen, die den Effekt einer nahbaren Nationalmannschaft und einer größeren Öffentlichkeit für ihren Sport belegen. Kostenlose Übertragungen aller deutschen Spiele bei Magenta Sport, das von durchschnittlich 4,6 Millionen Zuschauern live im ZDF verfolgte WM-Finale und eine ungleich größere Präsenz in nahezu allen anderen Medien zeigen Wirkung.
 
"Normalerweise müssen wir viel werben und in Schul-AGs aktiv sein, um den Basketball überhaupt in die Köpfe der Kinder zu bekommen", sagt Schelling, "spätestens seit der WM müssen wir viel weniger Leuten erklären, dass Basketball auch cool ist. Sie kommen jetzt viel häufiger von alleine." Auch so hat die 'Basketball Allianz Süd Südwest' alleine diesen Sommer ca. 70 neue Mitglieder bekommen – ein Wachstum von rund 20 Prozent.
 
Und weil auch zahlreiche andere Vereine aus der Region von ansteigendem Andrang berichten, herrscht in diesen Tagen eine sehr gute Stimmung in der stetig größer werdenden Basketball-Community. Alexander Frisch spricht von "beseelten" Ehrenamtlichen und Trainern, Niko Schelling von Begeisterung und einem "Hype, der die Leute begeistert, und den wir jetzt so lange wie möglich aufrechterhalten wollen". Dabei ist es für nicht wenige eine zwar sehr willkommene, aber teils auch große Herausforderung, das neue Interesse am Basketball vollumfänglich zu bedienen.

Svenja Brunckhorst im Trikot der Deutschen Nationalmannschaft (Bild: IMAGO/camera4+)
"Spielerinnen sehen, dass Alba Berlin eine gute Adresse für Frauen-Basketball ist"

Profispielerin im 3x3-Basketball, Nationalmannschaftskapitänin, neue Managerin für Mädchen- und Frauenbasketball bei Alba Berlin - Svenja Brunckhorst hat viel zu tun. Ein Gespräch über ihren sportlichen Spagat, Olympiaträume und die Zukunft des Frauen-Basketballs.mehr

Aufnahmestopps wegen zu wenig Hallenzeiten

So berichtet auch Arik Bennert, Leiter der Geschäftsstelle des Brandenburgischen Basketball-Verbands, einerseits zwar von "einem extremen Basketball-Boom in Potsdam" und zahlreichen neuen Vereinen in Brandenburg. Andererseits spricht Bennert auch von "viel zu wenig Hallenzeiten für zu viel Nachfrage".
 
In Berlin und Brandenburg ist der Mangel an Sporthallen bzw. deren oft wenig effiziente Vergabe die größte Gefahr für den Boom im Basketball. Sowohl in Potsdam als auch in Berlin gibt es mehrere Basketballvereine bzw. -abteilungen, die aktuell keine neuen Mitglieder mehr aufnehmen können, weil ihnen Platz und Zeiten für neue oder größere Mannschaften und Trainingsgruppen fehlt.
 
Hinzu kommt, dass sowohl in Berlin als auch in Brandenburg viele Vereine die vielen neuen Mitglieder mit sehr wenigen Trainern betreuen müssen. Arik Bennert spricht von "großen Themen", für die es "neue Lösungsansätze zu finden gelte", ehe er hoffnungsvoll ergänzt: "Mit dem Weltmeistertitel im Rücken erhalten wir Verbände und auch unsere Vereine ein ganz anderes Gehör auf kommunaler Ebene."
 
Dieses Gehör wollen nun sowohl die Verbände in Berlin und Brandenburg als auch Vereine wie B.A.S.S. allen voran nutzen, um den Basketball noch näher an die Kinder in der Region heranzutragen. "Der Weg führt dabei nur über die Schulen", sagt Alexander Frisch, "da sind die Kinder, da können wir sie abholen." Alba Berlin gibt hierbei mit über 200 Schul-AGs und zahlreichen Kita-Sportgruppen den Weg vor, dem in den vergangenen Jahren auch weitere Vereine in Berlin, Brandenburg und dem Rest Deutschlands gefolgt sind.
 
Dass Alba die nun weltmeisterlichen Moritz und Franz Wagner einst beide in einer solchen Grundschul-AG entdeckte, ist nur ein Beleg dafür, dass diese Strategie aufgeht. Schließlich sind die Brüder aus Prenzlauer Berg nicht zuletzt zwei wichtige Initiatoren des aktuellen Booms. Ein "plötzlich gesteigertes Interesse", das langfristig zweifelsfrei weitere gute Basketballer aus Berlin und Brandenburg hervorbringen wird. Zumal im Sommer 2026 mit der Frauen-WM in Berlin ein weiteres Highlight wartet. Es dürfte insbesondere das schon jetzt stark wachsende Basketball-Interesse junger Mädchen aus der Region noch größer werden lassen.

Sendung: rbb24 Inforadio, 24.10.23, 16:15 Uhr