Invictus Games Maik Mutschke - Medaillentraum nach Kriegsdrama

Stand: 08.09.2023 15:10 Uhr

Maik Mutschke hat für die Bundeswehr in Afghanistan alles riskiert - und dabei fast sein Leben verloren. Mühsam kämpft er sich zurück, bleibt Soldat und treibt Sport. Nun tritt er bei den Invictus Games an.

Von R. Herkner und F. Ludwig

Karfreitag 2010: Fallschirmjäger Maik Mutschke befindet sich in Afghanistan, ist unweit von Kundus unterwegs. Doch auf der Suche nach Sprengfallen gerät das Fallschirmjägerbataillon 373 plötzlich in einen Hinterhalt. Die Soldaten finden sich im Kugelhagel wieder. Eine Sprengfalle detoniert, drei Bundeswehrsoldaten sterben. Die eingeschlossenen Fallschirmjäger kämpfen um ihr Leben, das Gefecht dauert fast neun Stunden. Acht Soldaten sind schwerst verletzt - einer von ihnen ist der Brandenburger Mutschke.
 
Für die Bundeswehr ist das Jahr 2010 nach eigenen Angaben das blutigste in ihrer Geschichte. Der Konflikt in Afghanistan eskaliert, deutsche Soldaten werden zum Ziel von Anschlägen und Angriffen.
 
Mutschkes Rettung im Karfreitagsgefecht kommt aus der Luft. Ein US-Hubschrauberpilot beschließt gegen seinen eigentlichen Befehl den Deutschen zu helfen. Viermal landet er im umkämpften Gebiet, lädt Tote und Verletzte ein. Maik Mutschke selbst kommt erst deutlich später wieder zu Bewusstsein - im Bundeswehrkrankenhaus in Koblenz.

Mutschke nimmt an den ersten Invictus Games in Deutschland statt

13 Jahre später macht sich der Fallschirmjäger für einen Einsatz der ganz anderen Art bereit. Am Wochenende beginnen in Düsseldorf die Invictus Games. Das internationale Sportereignis wird speziell für verwundete, verletzte und kranke ehemalige oder noch aktive Militärangehörige veranstaltet. Das Event wurde erstmals 2014 auf Initiative von Prinz Harry ins Leben gerufen. Erstmals findet das Sportereignis ab Samstag in Deutschland statt.

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Vier Wochen lang im Koma

Mutschke musste im Gefecht gleich dreimal reanimiert werden. Es grenzt an ein Wunder, dass er überlebt hat. "Man konnte aus meinem Hals in die Mundhöhle gucken und von der Mundhöhle aus in die Augenhöhle", beschreibt Mutschke seine Verletzungen. Seine linke Gesichtshälfte sei aufgeklappt gewesen, er hatte schwerste Verbrennungen, eine Stimmlippenlähmung. Vier Wochen lag Mutschke im künstlichen Koma.
 
Nun dreht er seine Runden auf einem Sportplatz in Spremberg (Spree-Neiße). Noch immer ist er von dem damaligen Gefecht gezeichnet. Auf einem Auge ist Mutschke blind, den linken Arm kann er nicht richtig bewegen, mehrere Male musste er operiert werden.
 
Unvorstellbar sei es für ihn, dass er bei den Spielen für Kriegsversehrte antreten darf. "Ich finde es wahnsinnig, was man eigentlich geschafft hat, wieder aus seinem Körper rauszuholen, um auf einem so hohen Niveau Sport zu machen", sagt er.

Maik Mutschke beim Training für die Invictus-Games (Bild: rbb)

Maik Mutschke beim Training für die Invictus-Games

Auch durch den Sport zurück ins Leben

Dabei ist er nach wie vor eingeschränkt, schon wegen des linken Arms. Einen Nagel in die Wand hauen? Mutschke legt sich dafür mit der rechten Hand den Nagel in die linke, bringt den Arm in Position und drückt ihn mit seinem Oberkörper an die Wand, damit der Nagel nicht verrutscht.
 
Mutschkes Eltern unterstützen den Spremberger wo sie können. 2010 sind sie noch vor ihm im Koblenzer Krankenhaus. 13 Jahre später hadern sie noch immer mit dem Schicksal ihres Sohnes. "Das hätte nicht passieren sollen, nicht dürfen", sagt Andreas Mutschke. Doch er sagt auch, "Fallschirmjäger sind eben nicht umsonst Fallschirmjäger."
 
Ramona Mutschke, Maiks Mutter, hat Veränderungen an ihrem Sohn bemerkt. Ernster sei er geworden, sehe vieles mit anderen Augen. "Ich sag immer, du musst wieder zu allen anderen die Liebe finden, die du mal gegeben hast oder die du auch bekommen hast", so Ramona Mutschke. Aber mit dem, was er tue, sei er auf dem besten Weg. Der Sport gehöre dazu.

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Sechs Disziplinen für Mutschke

In gleich sechs Sportarten will Maik Mutschke bei den Invictus Games antreten. Kugelstoßen, Diskuswurf, aber auch Sprints über 100 oder 200 Meter gehören dazu. Sein Traum ist der Gewinn einer Medaille. Doch der Austausch mit anderen im Kampf Verwundeten gehört ebenso dazu. "Unter Sportlern ist es völlig egal, von wo du kommst, was du hast und was du kannst", sagt er. Es sei außerdem motivierend zu sehen, zu was Menschen trotz ihrer Verletzungen fähig seien. Besonders beeindruckt habe ihn ein Schwimmer, der beherzt in ein 50-Meter-Becken gesprungen sei. Der Mann habe keine Beine und nur noch einen Arm gehabt. Im Wasser habe er sich bewegt wie ein Delfin.
 
"Man macht sich auch nach außen mal frei und kriegt auch mal Anerkennung zurück", sagt Mutschke. "Wo den Leuten auch mal bewusst wird, was bedeutet dieser Beruf Soldat eigentlich."

 
Was erwartet Maik Mutschke noch vom Leben? "Dass ich weiterhin fit für die Familie bleibe, dass ich beruflich weiterhin Topleistungen abliefere, so stelle ich mir mein Leben vor." In frühestens 20 Jahren will Mutschke seinen Dienst bei der Bundeswehr quittieren. Er ist Soldat durch und durch.

Sendung: Brandenburg Aktuell, 08.09.2023, 19:30 Uhr