Radrennfahrer bei den Sixdays Verbrauch Fakten

buten un binnen Das leisten die Sixdays-Profis in Bremen wirklich

Stand: 09.01.2024 11:59 Uhr

Doppelt so schnell wie Usain Bolt und genug Energie, um zwei Fernseher zu betreiben: Einfach erklärt werden die Leistungen der Sixdays-Fahrer erst so richtig beeindruckend.

Von Jochen Duwe

Sicher doch, das Drumherum ist wichtig. Die Show, die Trillerpfeifen, das Essen, der DJ, ja, auch der Alkohol, der in der Regel reichlich ausgeschenkt wird. Bei derart viel Entertainment gerät jedoch der eigentliche Anlass der Sixdays gerne mal ein wenig ins Hintertreffen: Der Radsport. Nicht umsonst heißt es schließlich Sechstage-Rennen.

Selbstredend sieht es zwar mächtig spektakulär aus, wenn 24 Athleten im Affenzahn durch die steilen Bremer Kurven donnern. Was diese Sportler tatsächlich leisten, ist allerdings schwer greifbar. Packt man die ganzen Zahlen und Daten jedoch mal in einen alltäglichen Zusammenhang, wird schnell klar: Die Radler haben ganz schön was drauf.

1. Wie viel Kalorien verbrauchen Profifahrer während der Sixdays?

Theo Reinhardt und Morgan Kneisky bei den Sixdays Bremen

Theo Reinhardt (rechts) und sein Partner Morgan Kneisky fahren in Bremen um den Sieg mit.

Der Grundumsatz eines Mannes mit 70 Kilogramm Gewicht liegt pro Tag bei etwa 2.000 Kilo-Kalorien. So viel Energie würde er also benötigen, wenn er den ganzen Tag einfach nur im Bett liegen und nichts tun würde. Weil das bei den Sixdays aber keine Kategorie ist, kommen die Rennen dazu. Je nach Intensität liegt der Energieaufwand pro Rennstunde bei 650 bis zu 1.200 Kilo-Kalorien. Bei vier Stunden Fahrtzeit (samt Warmfahren zwischen den einzelnen Rennen) kommt der Fahrer also gerne mal auf bis zu 5.000 Kilo-Kalorien – am Tag!

Um nicht abzunehmen und genug Energie für die Rennen bereitzustellen, muss er also kalorientechnisch ganz schön aufstocken. Auf Schokoeiskugeln umgerechnet müsste er pro Tag 38 verdrücken – oder eben, die bremische Variante, etwa 1,3 Kilogramm Schmalzkuchen futtern. "In der Realität halten aber natürlich Nudeln, Powerbars und Recoverydrinks her," erklärt der 33-jährige amtierende Europameister Theo Reinhardt.

2. Mit was für einer Geschwindigkeit sind die Fahrer auf der Bahn unterwegs?

Sixdays-Fahrer werden schnell – verdammt schnell. Wenn sie zum Ende eines Rennens noch mal in den Sprint gehen, erhöht sich ihre Durchschnittsgeschwindigkeit von 55 Kilometern pro Stunde für ein paar Sekunden auf bis zu über 70. Das entspricht dem Doppelten der Geschwindigkeit, die Usain Bolt auf 100 Metern an den Start legte. Auch mit der vierbeinigen Konkurrenz liegen die Radler damit gleichauf: 'Winning Brew', das schnellste je aufgezeichnete Rennpferd, ist 2008 seine Rekordgeschwindigkeit von 70,7 Kilometern pro Stunde gelaufen.

3. Wie viel Energie erzeugen die Athleten?

Wie funktioniert die Messung?

Die Profifahrer haben an ihren Rädern eine Kurbel, welche die Arbeit (landläufig als Leistung bezeichnet) in Watt misst. Verschiedene Faktoren fließen in die Berechnung mit ein, wie zum Beispiel Kurbellänge oder Trittfrequenz. Physikalisch gesehen ist die so gemessene Energie diejenige, die der Fahrer auf das Rad überträgt oder die Arbeit, welche der Athlet verrichten muss, um mit 50 Kilometern pro Stunde auf dem Holzoval fahren zu können.

Im Radsport ist es gang und gäbe, die von den Radfahrern erzeugte Leistung wie bei Strom in Watt zu messen. Davon produzieren die Sportler während eines einzelnen Rennens nicht wenig: Je nach Gewicht des Fahrers, seiner Durchschnittsgeschwindigkeit und seiner Zeit im Windschatten der Konkurrenz erzeugt er in einem Rennen durchschnittlich 300 bis 350 Watt – zumindest die schnelleren Fahrer wie Reinhardt.

Würde man ihn statt auf das Holzoval auf einen Konverter schicken, könnte er mit dieser Energie zwei Flachbildfernseher antreiben. Beim Sprint jagt der Wert nochmal gehörig in die Höhe: Für acht bis zwölf Sekunden liegt die erzeugte Wattmenge bei 1.000 bis 1.500 Watt. Damit ließe sich eine Waschmaschine antreiben – wenn auch nicht besonders lange.

4. Und wie schnell schlägt dabei das Herz?

Bei solchen Leistungen strampeln nicht nur die Beine mächtig, sondern auch das Herz pumpt schwer. Die Herzfrequenz ist allerdings nicht nur abhängig vom Fitnesszustand eines Athleten, sondern auch von dessen Alter. Näherungsweise lässt sich von der folgenden Faustformel ausgehen: Maximale Herzfrequenz ist gleich 220 minus Lebensalter.

Je nach Intensität und Dauer des Rennens hat der Fahrer eine Herzfrequenz sehr nahe an diesem besagten Maximum. Bei der Großen Jagd sind die meisten Fahrer dementsprechend mit durchschnittlich 170 bis 185 Schlägen pro Minute unterwegs. Die Spitzenwerte liegen nochmal höher: "Bei mir sind es durchaus schon mal auch die 200", sagt Reinhardt. Je besser ein Athlet allerdings ausdauertrainiert sei, desto seltener müsse er an diese Grenze auch tatsächlich gehen.

5. Was für eine Kraft wird beim Schleudergriff übertragen?

Marguet und Beyer bei den Sixdays Bremen

Hier wechselt Maximilian Beyer (vorne) auf Tristan Marguet.

Was die Staffelübergabe beim Laufen ist, ist der Schleudergriff beim Rennradfahren: Hier muss jeder Griff sitzen. Tut er das nicht, verlieren die Fahrer wertvolle Zeit. Bei der Technik, mit der innerhalb der Zweierteams gewechselt wird, geben sich die Radler auf der Bahn die Hand. Der abzulösende Fahrer zieht dabei den anderen in voller Fahrt ins Feld und gibt ihm somit einen Schub. Zehn bis 15 Kilometer pro Stunde schneller wird er dadurch.

Leicht ist der Wechsel aber nicht: Bei dem "nach vorne Schleudern" seines Partners wendet der Fahrer genug Kraft auf, um einen Tennisball 100 Meter weit zu werfen. Insbesondere bei schwereren Fahrern ist die dauernde Wiederholung des Vorgangs für den Arm sehr strapazierend, weshalb ihn viele Sixdays-Fahrer tapen.

6. Wie lang ist der Bremsweg, wenn einmal Vollgas erreicht ist?

Eines vorweg: "Bremsen" im hinlänglich bekannten Sinne können die Sixdays-Fahrer gar nicht. Bremsen gibt es an den Rädern keine, auch eine Gangschaltung fehlt, und die Nabe ist starr – bewegt sich also der Reifen, bewegen sich auch die Pedale. Die einzige Möglichkeit, schnell zu bremsen, hat der Athlet in der Form des Kontertritts. Durch diesen könne er, wenn er es drauf anlege, innerhalb von etwa eineinhalb Runden zum Stehen kommen, bestätigt Reinhardt.

Im Notfall geht es noch schneller, zu empfehlen ist das aber nicht: Durch die extremen Kräfte, die dabei wirken, können Reifen platzen und Spuren auf der Fahrbahn hinterlassen, muskuläre Verletzungen beim Fahrer sind sehr wahrscheinlich und schwere Stürze ebenfalls. Die Alternative: kontrolliert langsamer werden und auslaufen lassen. Das dauert bei 70 Kilometern pro Stunde ungefähr 750 Meter.

Das Oval ist aufgebaut: Die Bremer Sixdays können kommen