Jonas Boldt, Sportvorstand des HSV

Trainersuche beim HSV Schicksalsfrage für Boldt - Kühne fordert Magath

Stand: 14.02.2024 20:21 Uhr

HSV-Sportvorstand Jonas Boldt muss bei der Nachfolgeregelung für den entlassenen Coach Tim Walter ein glückliches Händchen beweisen, sonst dürften seine Tage beim Zweitligisten gezählt sein. Daher scheint die Verpflichtung eines routinierten Coaches wahrscheinlicher als eine dauerhafte Beförderung des vormaligen Co-Trainers Merlin Polzin.

Von Hanno Bode

Der gerade einmal 33 Jahre alte Übungsleiter soll laut Boldt am kommenden Sonnabend (13 Uhr, im Livecenter bei NDR.de) in der Partie beim FC Hansa Rostock zwar "hunderprozentig" für den HSV verantwortlich zeichnen. Ob der gebürtige Hamburger, der 2020 mit Daniel Thioune vom VfL Osnabrück an die Elbe wechselte, als Dauerlösung infrage kommt, erscheint aber selbst im Falle eines Sieges beim Nordrivalen fraglich.

Boldt adelt Polzin: "Ein großes Trainertalent"

Denn auch wenn Polzin am Montagnachmittag von Boldt als "großes Trainertalent, der vieles mitbringt", geadelt wurde, so fehlt dem bisherigen Walter-Assistenten doch jegliche Erfahrung als Chefcoach. Das muss natürlich nicht zwangsläufig ein Nachteil sein, wie der Fall Fabian Hürzeler gezeigt hat. Auch der heutige Trainer des Stadtrivalen FC St. Pauli hatte noch kein Profiteam betreut, bevor er im vorvergangenen Winter überraschend befördert wurde. Der Rest ist bekanntlich eine einzige Erfolgsgeschichte.

Merlin Polzin, Interimscoach des HSV

Zunächst interimsmäßig für den HSV verantwortlich: Merlin Polzin.

Boldt schließt eine interne Lösung mit Polzin nun zwar ebenfalls nicht aus: "Er bekommt definitiv die Chance, aus voller Überzeugung." Aber Zweifel sind erlaubt, dass der 42-Jährige letztlich den Mut für dieses Experiment aufbringen wird. Denn sollte selbiges scheitern und der Wiederaufstieg zum sechsten Mal in Folge misslingen, würde der Sportvorstand im Sommer wohl von seinen Aufgaben entbunden werden.

Baumgart wohl Favorit, Breitenreiter und Reis auch Kandidaten?

Die Verpflichtung eines erfahrenen, namhaften Trainers wäre für Boldt die etwas sicherere Variante. Und Kandidaten gibt es viele, die zum einen verfügbar sind und zum anderen bereits unter Beweis gestellt haben, eine Mannschaft zum Aufstieg führen zu können. Da wäre neben dem hochgehandelten Steffen Baumgart, der Interesse am HSV-Job bekundet haben soll, beispielsweise Thomas Reis. Der frühere U19-Coach des VfL Wolfsburg führte 2021 völlig überraschend den VfL Bochum in die Bundesliga und hielt den Ruhrpott-Club anschließend mit kleinen finanziellen Mitteln in der Beletage.

Nach einem unglücklichen Engagement beim FC Schalke 04 ist der 50-Jährige nun verfügbar. Selbiges trifft auf André Breitenreiter zu, den Aufstiegstrainer von Hannover 96 aus dem Jahr 2017. Auch der Meistertrainer des FC Zürich (2022) wurde in der Vergangenheit bereits beim HSV gehandelt. Ob Reis und Breitenreiter in den Überlegungen von Boldt eine Rolle spielen, ist ungewiss.

Der Sportvorstand äußerte sich nicht zu Namen. Man werde intern wie extern "weitere Gespräche führen" und parallel überlegen, "welche Möglichkeiten in der Realität wirklich existieren, den HSV weiter nach vorne zu bringen, und nicht, was irgendwo als Name rumgeistert und vielleicht gar nicht umsetzbar ist und am Ende vielleicht gar nicht passen könnte", erklärte der 42-Jährige.

Neuhaus würde alles mitbringen, was der HSV braucht

Boldt ist bewusst, dass der HSV auch nach fast sechs Zweitliga-Jahren noch eine große Strahlkraft hat und daher auch für Trainer interessant sein dürfte, die zuletzt in der Bundesliga arbeiteten. Beim nach vielen erfolgreichen Jahren bei Union Berlin entlassenen Urs Fischer anzufragen, könnte für den Sportvorstand also durchaus eine Option sein.

Ebenfalls eine Vergangenheit bei den "Eisernen" hat Uwe Neuhaus. Unter dem heute 64 Jahre alten Coach stiegen die Köpenicker von der Vierten in die Zweite Liga auf. Arminia Bielefeld führte Neuhaus in die Bundesliga, Dynamo Dresden zudem in die Zweite Liga.

Mit seiner Routine und seiner Aufstiegs-Expertise wäre der gebürtige Hattinger eigentlich die perfekte Lösung in der aktuellen Situation für den HSV. Ein heißer Kandidat auf die Nachfolge von Walter soll Neuhaus dem Vernehmen nach aber (noch) nicht sein.

Bern will Wicky nicht abgeben

Selbiges trifft wohl auch auf Raphael Wicky zu. Der Name des früheren Hamburger Mittelfeldspielers und jetzigen Erfolgstrainers von Young Boys Bern tauchte am Montag nach der Walter-Entlassung ebenfalls in diversen Medien auf. "Wir stehen vor wichtigen Spielen. Für uns ist klar, dass wir diese mit Raphael Wicky bestreiten. Zu Gerüchten nehmen wir keine Stellung", erklärte Albert Stadenmann, Pressesprecher des Schweizer Meisters, dem Portal "20 Minuten".

Kühne favorisiert Magath

Wie eigentlich immer nach Trainer-Entlassungen beim HSV in den vergangenen Jahren - zählte auch schnell Felix Magath zu den Nachfolge-Kandidaten. Der 70-Jährige wäre verfügbar und wohl auch bereit, seinem Lieblingsclub zu helfen.

Investor Klaus-Michael Kühne, der 15,21 Prozent Anteile an der HSV Fußball AG besitzt, favorisiert den Ex-Profi und langjährigen Bundesliga-Coach: "Ich bin leider nur ein einflussloser Fan, der mit ansehen muss, wie der HSV in jeder Hinsicht handlungsunfähig ist. Ginge es nach mir, würde ich Herrn Magath sofort als Trainer oder Sportdirektor verpflichten", sagte der Milliardär bei "Sky".

Eine Verpflichtung der HSV-Legende erscheint aber unwahrscheinlich. Denn Magath ist wie Boldt ein Alpha-Tier. Es würde ziemlich sicher zu Reibungen zwischen beiden kommen, die dem Sportvorstand dann sogar zum Verhängnis werden könnten.

Hatte Boldt keinen Plan B?

Boldt dürfte sich bewusst sein, dass an der Trainerfrage seine Zukunft hängt. Daher ist seine Entscheidung nachvollziehbar, keinen Schnellschuss zu machen und erst einmal dem bisherigen Co-Trainer Polzin das Vertrauen zu schenken. Andererseits ist auch nicht auszuschließen, dass dem Sportvorstand schlichtweg ein Plan B fehlte, weil er mindestens bis zur Partie gegen Hannover 96 (3:4) am vergangenen Freitag felsenfest davon überzeugt war, mit Walter den Aufstieg schaffen zu können.

Das wäre durchaus ehrenhaft - aber auch ziemlich naiv in Anbetracht der negativen Entwicklung, die der HSV eigentlich bereits seit dem fünften Spieltag in dieser Saison genommen hat.

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Sportclub | 11.02.2024 | 22:50 Uhr