DFB-Sportgericht im Dilemma Freispruch oder Sperre für HSV-Profi Vuskovic?

Stand: 17.03.2023 07:56 Uhr

Die Verhandlung im Fall Mario Vuskovic geht heute ab 13 Uhr in die dritte Runde. Der Profi des Fußball-Zweitligisten HSV ist bei einer Dopingkontrolle positiv auf Epo getestet worden, beteuert aber seine Unschuld. Das DFB-Sportgericht steht vor einer schwierigen Urteilsfindung.

Dem HSV-Verteidiger droht eine Sperre von bis zu vier Jahren, was dem Karriereende für den Kroaten gleichkommen würde. Im dem Verfahren streiten nun aber sogar die Wissenschaftler, wer Recht hat. Auf DFB-Richter Stephan Oberholz lastet die Verantwortung und gleichzeitig steht der Sportgerichtsvorsitzende vor dem Dilemma, keine weiteren Experten-Informationen erhalten zu haben.

Positiver Epo-Befund in der A- und B-Probe

Oberholz hatte nach dem zweiten Verhandlungstermin eine C-Proben-Analyse vom Urin des Verteidigers angeordnet. Die wird es allerdings nicht geben. Der vom DFB-Gericht beauftragte kanadischen Dopingforscher Prof. Jean-Francois Naud bestätigte in einem Gutachten die Ergebnisse des Dopinglabors in Kreischa und lehnte eine C-Proben-Analyse ab, die in den Regularien der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) ohnehin nicht vorgesehen ist. Vier vom HSV engagierte Experten hatten den positiven Befund in der A- und B-Probe aus Kreischa als "falsch-positiv" angezweifelt.

In der Sportgerichtsbarkeit gilt die Beweislastumkehr. Demnach muss der vorläufig gesperrte Vuskovic die von ihm beteuerte Unschuld beweisen.

Neuer Verteidigungsschriftsatz der Vuskovic-Seite

Ob Oberholz der von den Vuskovic-Anwälten eingereichte neue Verteidigungsschriftsatz mit vier ergänzenden Bewertungen wissenschaftlicher Fachberater weiterhilft, ist fraglich.

"Die Probe von Herrn Vuskovic sieht genauso aus, wie eine positive Probe aussehen muss", sagte Dr. Sven Voss, Laborleiter in Kreischa, im NDR Interview und zweifelte die Expertise der "Vuskovic-Gutachter" an: "Keiner von den Gegen-Gutachtern ist ein Spezialist in der Epo-Doping-Analytik, speziell aus dem Urin."

Experte Naud steht für "Video-Schalte zur Verfügung"

Doping-Experte und Pharmakologe Fritz Sörgel sieht hingegen "keinen Anlass, ihn zu sperren, da es keine Möglichkeit einer klaren Einschätzung seiner Doping-Probe gibt". In dieser Gemengelage könne kein Urteil gefällt werden. Immerhin: Experte Naud steht nach DFB-Angaben in der heutigen Verhandlung "bei Bedarf für eine Video-Schalte zur Verfügung".

Egal, wie das mögliche Urteil dann ausfällt, zurzeit scheint nur sicher zu sein, dass das DFB-Sportgericht nicht die abschließende Instanz im "Fall Vuskovic" sein wird.

Geht es bis vor den CAS?

Bei einer Verurteilung kann der Kroate Einspruch vor dem DFB-Bundesgericht einlegen. Im Falle eines Freispruchs könnte die Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) den Internationalen Sportgerichtshof (CAS) anrufen. Auch Vuskovic kann bis vor den CAS ziehen, ehe womöglich noch ordentliche Gerichte ins Spiel kommen. Egal, wie das Urteil ausfällt: Die unterlegene Seite wird ziemlich sicher in Berufung gehen.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum "Fall Vuskovic"

HSV-Verteidiger Mario Vuskovic wurde am 16. September 2022 bei einer Trainingskontrolle der Nationalen-Anti-Doping-Agentur (Nada) positiv auf das Dopingmittel Epo getestet.

Der positive Befund wurde unmittelbar nach dem Spiel der Hamburger gegen Sandhausen (4:2) bekannt. Vuskovic hatte in der Partie nicht zum Kader gehört. Zunächst wurde dies vom HSV mit "persönlichen Gründen" erklärt.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) sperrte Vuskovic vorläufig. Der 21 Jahre alte Kroate beantragte die Öffnung der B-Probe, die das positive Ergebnis der A-Probe bestätigte, wie der DFB am 15. Dezember mitteilte.

Nachdem der Kroate öffentlich seit Bekanntwerden der positiven A-Probe geschwiegen hatte, beteuerte er in seiner Aussage am 3. Februar vor dem DFB-Sportgericht seine Unschuld.

Ebenso wie in seiner schriftlichen Stellungnahme, die der Kroate am 17. Januar beim DFB eingereicht hatte. Der HSV-Profi hatte in dem Zuge auch Einspruch gegen seine vorläufige Sperre eingelegt. Am 5. März 2023 postete er bei Instagram: "Ich werde bis zum Ende für meine Unschuld kämpfen. Ich hoffe, wir sehen uns bald auf dem Feld."

Vuskovic hat fünf Anwälte engagiert, die sich mit seinem Fall befassen.

In der ersten Verhandlung vor dem DFB-Sportgericht hoben die Verteidiger des Kroaten auf eine mögliche Verwechslung der Probe ab. Doping-Kontrolleur Markus Jungblut, der die Probe bei Vuskovic genommen hatte, versicherte, dass das Testprocedere eingehalten worden sei.

Der HSV hat unterdessen vier Gutachten beim DFB eingereicht, die Fehler bei der Laboranalyse belegen sollen. Sie stellen das positive Ergebnis in Frage und behaupten, der Kroate sei nicht mit Epo gedopt gewesen. Diese Gutachten wurden am zweiten Verhandlungstag am 9. Februar präsentiert.

Vor dem ursprünglich für den 10. März angesetzten dritten Verhandlungstermin reichte die Vuskovic-Seite einen neuen, umfangreichen Verteidigungsschriftsatz ein, mit vier ergänzende Bewertungen wissenschaftlicher Fachberater.

Das Gericht hatte den kanadischen Experten Prof. Jean-Francois Naud beauftragt, den Fall zu untersuchen. Im Rahmen dessen soll der renommierte Epo-Experte auch versuchen, anhand der Restmenge an Urin aus Vuskovic' Dopingprobe möglichst eine weitere Analyse auf körperfremdes Epo durchzuführen.

Naud erstellte ein Gutachten und bestätigte die Resultate des Labors in Kreischa. Eine C-Propen-Analyse lehnte er ab.

Für "die notwendige und sachgerechte Auseinandersetzung" (Stephan Oberholz, der Vorsitzende des DFB-Sportgerichts) mit dem neuen Verteidigungsschriftsatz verschob der DFB den dritten Verhandlungstermin um ein Woche auf den 17. März.

Epo ist die Kurzform für Erythropoetin. Erythropoetin ist ein Hormon, das die Bildung roter Blutkörperchen (Erythrozyten) fördert und vor allem in der Niere produziert wird. Je höher die Zahl der Erythrozyten, desto größer ist die Sauerstoffkapazität des Blutes. Entsprechend steigt die Ausdauer-Leistungsfähigkeit.

Gentechnisch (rekombinantes) hergestelltes Epo wurde Anfang der 1980er-Jahre entwickelt und ursprünglich als Medikament verwendet, beispielsweise bei Blutarmut und einer Niereninsuffizienz.

In den 1990er-Jahren war Epo in Ausdauersportarten - vor allem im Radsport - als Dopingmittel weit verbreitet. Angst vor Entdeckung mussten die Sportler lange Zeit nicht haben. Erst seit Anfang 2000 ist es möglich, gentechnisch hergestelltes Epo direkt im Urin - und damit bei einer klassischen Dopingkontrolle - nachzuweisen.

Auch im Fußball wurde es eingesetzt. Bekannt ist beispielsweise, dass Juventus Turin in den 1990er-Jahren sein Star-Ensemble systematisch mit Epo versorgte.

Die Regelstrafe für Dopingdelikte beträgt laut DFB-Rechts- und Verfahrensordnung vier Jahre (Paragraf 8b). Wird kein Verschulden nachgewiesen, kann die Strafe reduziert werden. Zudem ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen Vuskovic. Das muss sie, denn seit Dezember 2015 gibt es das Antidopinggesetz. Dem kroatischen U21-Auswahlspieler droht somit auch ein Verfahren vor einem ordentlichen Gericht.

Der Deutsche Fußball-Bund (DFB). Er hat Vuskovic bereits vorläufig gesperrt. Eine endgültige Entscheidung trifft das DFB-Sportgericht in einem Hauptverfahren. Nach zwei Verhandlungstagen gibt es noch kein Urteil. Weiterverhandelt wird am 17. März.

Der HSV unterstützt Vuskovic und hofft auf einen Freispruch.

Im Falle einer Verurteilung Vuskovic' durch den DFB könnte der Fußball-Zweitligist den bis zum 30. Juni 2025 laufenden Vertrag des Kroaten indes fristlos kündigen. Sportrechtlich gesehen hätte der Verteidiger seinen Vertrag "ohne triftigen Grund" aufgelöst, sprich: gebrochen.

Dann wäre auch eine Klage bei der FIFA auf Schadenersatz für den HSV möglich.

Die Wahrscheinlichkeit ist sehr gering. 2016 hatte der DFB seine Regeln zur Spielwertung bei einem Verstoß gegen die Anti-Doping-Vorschriften an die Bestimmungen des Weltverbands FIFA und der Europäischen Fußball-Union UEFA angepasst.

Demnach sollen Strafen gegen einen Verein nur dann erfolgen, "wenn dem Club ein Verschulden nachgewiesen werden kann oder mehr als zwei Spieler der Mannschaft gegen die Anti-Doping-Bestimmungen verstoßen haben".

Nach der Positiv-Probe vom 16. September 2022 bestritt der HSV acht Liga-Partien mit Vuskovic und holte dabei 13 Punkte.

Dieses Thema im Programm:
Sportclub | 19.03.2023 | 22:50 Uhr