Weltklasse unter sich? Joshua Kimmich und Kylian Mbappé im Duell.

Degradierung oder Chance? Joshua Kimmich als Rechtsverteidiger - Zurück in die Zukunft?

Stand: 26.03.2024 15:00 Uhr

Im DFB-Trikot und beim FC Bayern spielt Joshua Kimmich wieder als Rechtsverteidiger. Nach anfänglichen Schwierigkeiten scheint er die Rolle anzunehmen. Nicht nur der DFB und der FCB könnten davon profitieren, sondern vor allen Dingen er selbst.

Von Raphael Weiss

Am Samstag wurde Joshua Kimmich die schwerste Aufgabe gestellt, die es für Rechtsverteidiger im Weltfußball gibt. Kimmich musste beim 2:0-Sieg des DFB über Frankreich Kylian Mbappé bewachen. Doch nicht nur das. Zusätzlich sollte er in der ohnehin schon mit zentralen Mittelfeldspielern vollgestopften Offensive eine weitere spielintelligente Anspielstation geben und endgültig für Überforderung bei den Franzosen sorgen.

Ein perfektes Spiel von Kimmich war es sicherlich nicht. Mbappé konnte er nicht gänzlich aus dem Spiel nehmen, ließ sich zwei-, dreimal von den schnellen Haken des französischen Ausnahmespielers aus der Balance bringen – und ließ ihn so einmal gefährlich vor dem Tor von Marc-André ter Stegen auftauchen. Doch ziemlich oft hatte Mbappé das Nachsehen gegen Kimmich und auch die Offensive profitierte von dem neu installierten Alt-Rechtsverteidiger.

"Sehr wachsam, sehr clever" - Nagelsmanns Sonderlob für Kimmich

Von Bundestrainer Julian Nagelsmann gab es für den Auftritt ein Sonderlob: Kimmich habe in Lyon "sehr gut gespielt – offensiv wie defensiv". Klar habe er gegen Mbappé "ein Geschwindigkeitsdefizit" gehabt, aber er habe auch "sehr clever und sehr wachsam im Raum verteidigt". Generell sei "Josh ein sehr wichtiger Spieler für uns", so Nagelsmann. Es dürfte für Kimmich ein wohltuendes Lob sein, in einer Zeit, in der von allen Seiten Kritik auf den Spieler einprasselt, der über Jahre hinweg der Posterboy der Nationalmannschaft und des FC Bayern war.

Die Frage steht seit einiger Zeit im Raum, ob der 29-Jährige im zentralen Mittelfeld das Etikett "Absolute Weltklasse", das ihm seit Langem anhaftet, auch wirklich verdient. Genauer gesagt, wird darüber vermehrt diskutiert, seitdem nicht nur die Nationalmannschaft, sondern auch der FC Bayern weniger überzeugend auftreten als gewohnt und keine richtige Spielphilosophie zu haben scheinen.

Weltklasse? Die Statistiken werfen Fragen auf

Ob dieses Problem alleine an Kimmich festzumachen ist, ist zumindest stark zu bezweifeln. Schließlich bereitete laut Opta-Statistiken im vergangenen Jahr kaum ein anderer Mittelfeldspieler in Europas Topligen so viele Tore vor (0,27 pro Spiel), kreierte fast niemand so viele Schussmöglichkeiten (4,76 pro 90 Minuten) für seine Teamkollegen wie Kimmich. Zudem überbrückt er mit seinen Pässen außergewöhnlich viel Raum.

Doch diese Zahlen stehen einer Passquote gegenüber, die weit weg von der Weltspitze ist, und Zweikampfwerten, offensiv, aber vor allen Dingen defensiv, die klarmachen, warum Thomas Tuchel im Sommer so sehnsüchtig eine "Holding Six" verpflichten wollte. Und schließlich ist auffällig, dass mit Tuchel und Nagelsmann nun zwei taktisch durchaus versierte Trainer Kimmich aus der Mittelfeldzentrale herausnahmen, um Probleme im Spiel ihrer Mannschaft zu lösen.

Rechtsverteidiger als Degradierung oder Chance

Während Nagelsmann ein Überangebot in der Zentrale hat und deutliche Defizite in der Verteidigung, bereitet Tuchel vor allen Dingen der Spielaufbau - eigentlich das wichtigste Element im Spiel des FC-Bayern-Trainers - Probleme. Und so kamen beide Coaches zu demselben Schluss: Kimmich wanderte auf die Position, wo er zur Weltklasse reifte.

Eine Degradierung in den Augen von Kimmich? Zumindest hatte der 29-Jährige vor der Saison eine recht klare Vorstellung von seiner besten Position: "Ich bin ein Sechser", sagte er damals. Auch wenn er im Januar im Hinblick auf die Rechtsverteidiger-Pläne in der Nationalmannschaft betont hatte: "Man hat da immer das Gefühl, dass ich jemand bin, der die Position verweigert. Ich habe noch nie gesagt, dass mir das keinen Spaß macht, oder ich das nicht spielen möchte."

Dennoch wirkte Kimmich nicht gerade begeistert, dass er nun auch beim FC Bayern zumindest bis Saisonende wohl wieder seine alte Rolle spielen soll. Und so brauchte es auch ein wenig Eingewöhnung. Bei den Spielen gegen RB Leipzig und den SC Freiburg war Kimmich noch nicht wirklich gut in das Spiel eingebunden, hatte wenige Ballberührungen und schaltete sich nicht besonders gut in die Offensive ein.

"Mia-san-Mia" in der DNA

Zuletzt gegen Darmstadt und Mainz 05 trat Kimmich ganz anders auf: In beiden Spielen hat der Rechtsverteidiger Kimmich mehr Ballberührungen, spielte mehr Pässe als jeder andere FC-Bayern-Spieler und legte zudem insgesamt 17 Schüsse auf, aus denen vier Tore entstanden. Auch das ein Spitzenwert.

Es sieht danach aus, dass Kimmichs Schicksal in der näheren Zukunft wieder in der rechten Verteidigung sein wird. Der 29-Jährige zeigte zuletzt, dass er dort einbringen kann, was er seit seinem Wechsel ins Mittelfeld gelernt hat, dass er auch auf dieser Position vielleicht sogar noch mehr Einfluss auf das Spiel nimmt und seine Stärken ausspielen kann.

Und die liegen nicht nur im Spielerischen: "Das unbedingte Gewinnen wollen in jeder Situation", erklärte Nagelsmann die Vorzüge seines Schützlings. Mit dieser Art gehe Kimmich "manchmal dem ein oder anderen auf die Nerven", sie sei aber "sehr wertvoll und ansteckend für alle". Ein eingebautes Sieger-Gen also, das "Mia-san-Mia" - ein Merkmal, das man in der Nationalmannschaft und beim FC Bayern braucht. Egal auf welcher Position.

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Bundestrainer Julian Nagelsmann

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Quelle: BR24Sport 26.03.2024 - 18:30 Uhr