Sprint bei der 7. Etappe der Tour de France
Tourreporter

Tour de France Philipsen siegt im Sprint und vor der Jury

Stand: 07.07.2023 21:22 Uhr

Jasper Philipsen gewinnt auch den dritten Sprint bei der Tour de France. In Bordeaux weist die Rennjury einen Einspruch gegen Philipsen ab, dabei war sein Sprint diesmal zumindest grenzwertig.

Von Michael Ostermann, Bordeaux

Die technische Zone im Zielbereich der Tour-de-France-Etappen ist eine von außen chaotisch wirkende Angelegenheit. Hunderte Kilometer Kabel sind dort verlegt, die Übertragungswagen der internationalen TV-Anstalten stehen dicht gedrängt beieinander und irgendwo dazwischen findet sich auch ein fensterloser weißer Camper mit Regenbogenstreifen an der Seite und der Aufschrift UCI.

Dort tagt die Videojury des Radsport-Weltverbandes, um etwaige Vergehen innerhalb des Fahrerfeldes zu ahnden - per Videobeweis. Vor allem bei den Sprintetappen haben die Kommissäre an den Bildschirmen im Inneren des Campers allerhand zu prüfen.

Girmays Team legt Einspruch ein

Auch nach der 7. Etappe in Bordeaux beugten sie sich über die Videobilder, ließen den Massensprint in Bordeaux am Bildschirm aus verschiedenen Perspektiven vor- und zurücklaufen. Das Team Intermarché-Circus-Wanty hatte zuvor Einspruch gegen die Fahrweise des Tagessiegers Jasper Philipsen eingelegt. Philipsen, so die Anklage des belgischen Teams, habe seine Linie verlassen, sei von links nach rechts rübergezogen und habe damit ihren Sprinter Biniam Girmay behindert.

Moritz Cassalette, Sportschau Tourfunk, 07.07.2023 19:13 Uhr

Die Bilder des Sprints legten das in der Tat nahe: Philipsen begann seinen Sprint halblinks auf der Zielgeraden und zog dann nach rechts, um an das Hinterrad von Mark Cavendish zu springen, der schon auf dem Weg zum Etappensieg zu sein schien. Eine knappe Radlänge dahinter folgte Girmay. Und genau in diese Lücke versuchte Philipsen nun hineinzustoßen. Girmay musste ausweichen und landete dabei fast in der Bande.

Die Regeln der UCI sind klar

Die Regeln der UCI in Sachen Sprint sind sehr klar formuliert: "Den Fahrern ist es strengstens untersagt, von der Spur abzuweichen, nachdem sie ihren Sprint gestartet haben, und andere dabei zu gefährden", heißt es unter Punkt 2.3.036 der UCI-Regularien.

Philipsens Sprint war diesbezüglich zumindest grenzwertig: Er startete seinen Sprint in Bordeaux in dem Moment, als Cavendish vorbeizog, und hatte freie Bahn zur Ziellinie. Der Belgier hatte also eigentlich keinen Grund, die Spur zu wechseln. Außer um noch einmal in den Windschatten von Cavendish zu kommen. Was ihm auch gelang, auf Kosten von Girmay.

Doch die Jury mochte darin kein Foul erkennen. Eine Begründung lieferte sie dafür nicht. "Wahrscheinlich muss es erst einen Sturz geben, damit die Kommissäre anders entscheiden", sagte der Teamchef von Girmays Team, Jean-Francois Bourlart. Ganz ähnlich äußerte sich auch Alexander Winokourow, der in seiner aktiven Karriere als Radprofi freilich ganz andere Regeln in Sachen Doping gebrochen hat.

Cavendish dem Rekordsieg ganz nah

Heute leitet Winokourow das Team Astana. Und mit einer Rückstufung Philipsens hätte der Kasache feiern können. Denn dann wäre sein Fahrer Mark Cavendish zum Etappensieger geworden. Der Brite war erst kurz vor der Ziellinie in Bordeaux noch von Philipsen übersprintet worden und als Zweiter ins Ziel gerollt. Es wäre Cavendishs insgesamt 35. Etappensieg bei der Tour de France gewesen, womit er sich zum alleinigen Rekordetappensieger gemacht hätte.

"Ich bin enttäuscht", sagte Cavendish und meinte damit nicht die Entscheidung der Rennjury, sondern die Tatsache, dass er dem ersehnten Rekordetappensieg in Bordeaux schon auf der Straße sehr nah gekommen war. Der Brite beklagte Probleme mit seiner Schaltung, die ständig vom elften in den zwölften Gang gesprungen sei.

Philipsens Sprints unter Beobachtung

Der Tagessieger Philipsen blieb von alldem unbeeindruckt. Er hatte schon seine Siegerpressekonferenz gegeben, als die Jury noch über den Einspruch verhandelte. Von dem wusste er allerdings zu diesem Zeitpunkt auch noch nichts. Und so lobte er einmal mehr seinen Sprintzug und vor allem Mathieu van der Poel als Anfahrer.

Doch Philipsens Sprints stehen nun bei der Tour unter verschärfter Beobachtung. Keiner seiner drei Tagessiege verlief bislang ohne Diskussionen darüber, ob dabei alles fair zugegangen sei. Gut möglich also, dass die Videoschiedsrichter der UCI auch in der technischen Zone der 8. Etappe in Limoges am Samstag wieder genau hinsehen müssen, sollte es dort wieder zu einem Sprint kommen.