Tadej Pogacar
Tourreporter

UAE, Bahrain und Saudi-Arabien Der Radsport und die Millionen aus den Golf-Staaten

Stand: 21.07.2023 11:28 Uhr

Die Radsport-Teams leben vom Geld ihrer namensgebenden Sponsoren. Nun will nach den Vereinigten Arabischen Emiraten und Bahrain offenbar auch Saudi-Arabien sein Engagement ausbauen. Bedenken wegen Sportswashing wischen die Verantwortlichen vom Tisch. Sie fürchten eher um den Wettbewerb.

Von Michael Ostermann, Courchevel

Das Trikot war weit aufgerissen, der Schriftzug des Sponsors war nicht zu erkennen. Aber Tadej Pogacar hatte wahrlich andere Sorgen, als er sich die letzten steilen Meter ins Ziel der 17. Etappe der Tour de France nach oben quälte. Wohl wissend, dass ihm der Toursieg nach seinem Einbruch an diesem Tag endgültig entglitten war.

Hinter dem UAE-Team steht ein Mitglied der Herrscher-Familie

Pogacar ist natürlich trotzdem ein gutes Aushängeschild für die Sponsoren des UAE-Teams. Die meisten Firmen, die auf der Website der Equipe aufgeführt werden, stammen aus den Emiraten. So etwa ADQ, ein Investmentunternehmen, das unter anderem auch Anteile an der Porsche AG hält, sowie am Radhersteller Colgnago, der das Team mit seinen Rädern austattet.

Angeführt wird ADQ von Scheich Tahnoon bin Zayed Al Nahyan, der auch der First Abu Dhabi Bank vorsteht, die natürlich auch zu den Sponsoren des UAE-Teams zählt. Der Scheich, dessen Projekt das Radsport-Team ist, gehört zur Herrscher-Familie in den Vereinigten Arabischen Emiraten. Er ist der Bruder des Präsidenten, der nationale Sicherheitsberater und gilt als wichtiger Strippenzieher in der Golfregion. Ein anderer Bruder ist Scheich Mansour Bin Zayed Al Nahyan, der Besitzer von Manchester City.

Scheich Tahnoon bin Zayed Al Nahyan

Scheich Tahnoon bin Zayed Al Nahyan

Die Nahyan-Familie ist laut Bloomberg im vergangenen Jahr zur reichsten Familie der Welt aufgestiegen. Das Vermögen der sechs Söhne des Staatsgründers, die das Emirat autoritär beherrschen, soll demnach 300 Milliarden Euro betragen. Da sind rund 40 Millionen Euro pro Saison für ein Radsport-Team mit einem der besten Radprofis der Welt in seinen Reihen, eher eine kleine Investition. Für den Radsport aber ist das eine gewaltige Summe.

Großes Gefälle zwischen armen und reichen Teams

Die meisten Radsport-Teams veröffentlichen ihre Budgets nicht. Aber dass die Spanne innerhalb der World Tour enorm ist, leugnet niemand. Das Etat-Gefälle zwischen dem reichsten und den ärmsten Teams liege bei 5:1, sagt Ralph Denk, der Teamchef des deutschen World-Tour-Teams Bora-hansgrohe. Als reichste Mannschaft gilt nach wie vor das Team Ineos Grenadiers. Die jüngste Bilanz veröffenlichte die Equipe für das Jahr 2020 - damals betrug der Etat ziemlich genau 50 Millionen Euro. Andere Teams müssten demnach mit rund zehn Millionen Euro pro Saison klarkommen.

Radsport-Teams müssen ihren Etat zum größten Teil aus Sponsoren-Einnahmen genieren. Einnahmen durch Ticket-Verkäufe etwa fallen weg bei einer Sportart, die freizugänglich auf öffentlichen Straßen stattfindet. Ein Transfergeschäft, über das man mit Fahrerverkäufen Geld generieren könnte, gibt es im Radsport auch nicht. Und die TV-Einnahmen verbleiben - sehr zum Ärger der Teams - zum größten Teil bei den Rennveranstaltern, bei der Tour de France ist das die Amaury Sport Organisation (ASO).

Sebastian Krause, Sportschau, 20.07.2023 09:36 Uhr

Potente Geldgeber sind deshalb hoch willkommen in der Branche. Und so tummeln sich im Peloton der Tour de France neben den Vereinigten Arabischen Emiraten mit Bahrain (Bahrain-Victorious) und Kasachstan (Astana) weitere staatliche Unterstützer, die allesamt einen eher bescheidenen Umgang mit Menschenrechten pflegen. Auch Saudi-Arabien, das derzeit über den Staatsfonds PIF massiv in den internationalen Sport investiert, ist bereits über das Team Jayco-AlUla im Radsport vertreten. AlUla, der Co-Sponsor der in Australien registrierten Mannschaft, ist die saudi-arabische Tourismusbehörde.

Investiert Saudi-Arabien in Vingegaards Team?

Dass es diesen Geldgebern bei ihrem Investment möglicherweise auch um Sportswashing gehen könnte, um ihre miserable Menschenrechtsbilanz zu überdecken, damit muss man den Verantwortlichen im Radsport nicht kommen. "Was ist Sportswashing?", fragt Richard Plugge, der Teamchef der niederländischen Equipe Jumbo-Visma: "Man kann bei jeder Firma irgendein Problem finden und mit dem Finger auf sie zeigen, das ist lächerlich." Man müsse stattdessen die Möglichkeiten sehen, die dadurch entstünden und auf die guten Dinge, die die Menschen für die Welt täten, egal woher.

Plugge sagt solche Dinge auch in eigenem Interesse. Der Niederländer sucht derzeit einen neuen Sponsor für sein Team. Jumbo, eine niederländische Supermarktkette, hat angekündigt, ihr Engagement spätestens Ende 2024 zu beenden. Es heißt, Saudi-Arabien habe Interesse, in die Mannschaft zu investieren, die sich gerade anschickt, zum zweiten Mal in Folge mit Jonas Vingegaard die Tour de France zu gewinnen. "Ich hatte ein paar interessante Treffen mit Firmen aus der ganzen Welt, aus Europa, den USA, dem Nahen Osten und anderen. Es gibt ein großes Interesse", sagt Plugge. Weitere Details will er nicht preisgeben.

Denk fürchtet Wettbewerbsverzerrung

Auch Ralph Denk, dessen Team sich mit Blick auf das Budget im Mittelfeld des Pelotons bewegt, empfindet das mögliche Interesse aus Saudi-Arabien nicht als bedenklich, sondern eher "als Auszeichnung" für den Radsport. "Ich werde nicht sagen, das Geld stinkt", sagt er. Er fürchte eher eine Wettbewerbsverzerrung, sollte ausgerechnet Plugges Mannschaft, die jetzt schon zu den am besten allimentierten Teams zählt, einen Deal mit Saudi-Arabien abschließen. "Man muss überlegen, das zu reglementieren", findet Denk. "Sonst gewinnen bei den ganz großen Rennen irgendwann nur noch zwei, drei Teams."

Wie eine solche Reglementierung aussehen könnte, dafür gibt es verschiedene Überlegungen. Ein Draftsystem, das den finanziell weniger gut ausgestatteten Teams ein Erstzugriffsrecht auf junge Talente einräumt. Auch eine Gehaltsobergrenze ist im Gespräch. Am einfachsten umzusetzen wäre aber wohl eine Budgetobergrenze ähnlich wie in der Formel 1.

Richard Plugge, der auch der Teamvereinigung AIGCP als Präsident vorsteht, ist einer solchen Lösung nicht grundsätzlich abgeneigt. Aber dann müsse es auch ein Mindestbudget für Mannschaften in der World Tour geben, um professionelle Standards einzuhalten und die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen rund um die Fahrer durchgängig zu bezahlen, fordert er.

Wer weiß, wie schwer sich die verschiedenen Interessenvertreter des Radsports - Fahrer, Teams, Veranstalter und der Weltverband UCI - tun, gemeinsame Positionen zu finden, ahnt, dass es dauern wird, bis entsprechende Regelungen gefunden sein werden. Das Geld aus den Golfstaaten kommt da sicher schneller.