Jonas Vingegaard bei der Tour de France 2022

Tour de France 2023 Eine bergige Angelegenheit - bei der Tour darf geklettert werden

Stand: 21.06.2023 07:44 Uhr

Vielleicht noch nie zuvor war ein Kurs der Tour de France so berglastig wie in diesem Jahr. Alle fünf Bergregionen des Landes werden durchfahren. Gestartet wird im radsportverrückten Baskenland, schon in der ersten Woche warten in den Pyrenäen Highlights wie der Col d'Aspin und Tourmalet. Es geht auf den Puy de Dôme, durch das Jura, die Alpen - und am Schluss muss in den Vogesen die Entscheidung um den Gesamtsieg fallen.

Als San Sebastián im März - 100 Tage vor dem Start der 110. Tour de France - bei einer Party zu Ehren der Frankreich-Rundfahrt aus allen Nähten platzte, bekamen die Veranstalter schon einmal eine Idee davon, was ihnen im Juli bevorsteht: Das Baskenland wird kopfstehen, wenn die Tour nach 31 Jahren erstmals wieder in ihrer Region startet. Stolz, Aufregung und Begeisterung der Bevölkerung in einer enormen Dimension werden die Profis drei Tage lang begleiten.

Klassiker-Profile an den ersten beiden Tagen

Das wird spannend und faszinierend - hätte es aber allein sicher nicht gebraucht, um die Fahrer bei der diesjährigen Tour gleich vom ersten Tag an auf ihren sportlichen Jahres-Höhepunkt zu fokussieren. Höchste Anspannung bewirkt schon allein ein Blick auf den Kurs und das Profil der Tour: Es gibt kein Warmfahren, gemütliches Einrollen oder kurzes Präsentieren - gleich die ersten beiden Etappen rund um Bilbao und San Sebastián sind lange, schwere Touren. Sie hätten durchaus das Zeug, von ihrer Schwierigkeit her jeweils als Eintages-Klassiker gefahren zu werden.

Charakteristik der Etappen
8 Bergetappen
4 Bergankünfte
6 hügelige Etappen
6 Flachetappen
1 Einzelzeitfahren

Nachdem sich tempoharte Allrounder wie Mathieu van der Poel, Wout van Aert oder Julian Alaphilippe zwei Tage lang um das Gelbe Trikot gestritten haben und am dritten und vierten Etappentag erstmals die Sprinter zu ihrem Recht gekommen sind, ist das Peloton in Frankreich angekommen. Und zwar nicht irgendwo, sondern mitten in den Pyrenäen. Was ab der 5. Etappe die Aspiranten auf den Gesamtsieg auf den Plan rufen wird.

Pyrenäen - kurz aber knackig

Schon am 5. Juli steht zwischen Pau und Laruns die erste echte Bergetappe auf dem Programm, wo sich Jonas Vingegaard, Tadej Pogacar und Co. den ersten Schlagabtausch in Richtung Tour-Krone 2023 liefern können. Um tags drauf gleich ein zweites Mal gefordert zu werden. Und zwar richtig. Mit einer Bergetappe und der legendären Kombination zwischen Col d'Aspin und Col du Tourmalet. Ganz am Ende dieser großen Pyrenäen-Etappe wartet die erste Bergankunft in Cauterets-Cambasque, wo sich die Favoriten um wichtige Sekunden streiten sollten.

Die Gesamtkarte der Tour de France 2023

Die Strecke der Tour 2023

Denn eines steht fest bei der Tour 2023: Es wird um Sekunden gehen. Was auch damit zu tun hat, dass die Veranstalter nur ein einziges Einzelzeitfahren eingebaut haben - ein Mannschaftszeitfahren, wo früher nicht selten Minutenabstände zwischen den Teams lagen, ist schon lange passé.

Berge, Berge, Berge - ab ins Zentralmassiv

Bis zum Einzelzeitfahren - welches bei einer Länge von 22 Kilometern auch noch bergigen Charakter hat - dauert es bis zum 18. Juli. Dann sind die Fahrer schon dick und fett in den Alpen. Bis dahin werden sie aber schon so einiges erlebt haben. Das Gesamtklassement wird schon einen deutlichen Charakter aufweisen, der Kampf um die Sondertrikots in vollem Gange sein.

Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard bei der Tour 2022

Tadej Pogacar und Jonas Vingegaard bei der Tour 2022

Anwärter auf das Bergtrikot dürften sich dabei unter anderem ein absolutes Strecken-Highlight markiert haben: Den 9. Juli mit einer mythischen Bergankunft auf dem Puy de Dôme nahe Clermont-Ferrand zum Beispiel. Der bekannteste Vulkan der Auvergne ist Unesco-Weltkulturerbe und liegt gut geschützt in einem Naturschutzgebiet. Daher werden die Fahrer die letzten steilen vier Kilometer auf den Gipfel ganz allein bestreiten müssen - Zuschauer werden hier nicht zugelassen sein.

Durch alle fünf Bergregionen Frankreichs

Bevor das Peloton mit Hilfe einiger Übergangsetappen vom Zentralmassiv in die Alpen geführt wird, steht im Jura am 14. Juli eine hochinteressante nächste Bergetappe an. Kurz und knackig über 137 Kilometer, so steht's im Roadbook, am Ende wartet mit dem Grand Colombier eine Bergankunft der Superlative: Über 17,4 Kilometer darf geklettert werden, bei einer durchschnittlichen Steigung von 7,1 Prozent. Hier werden die Favoriten auf den Gesamtsieg die Karten offenlegen müssen.

"Deine Tour", Folge eins - Die Strecke

Sportschau, 16.06.2023 18:28 Uhr

Berge, Berge, Berge: So geht das jetzt in der megaschweren zweiten Tour-Hälfte weiter. Am 15. und 16. Juli stehen in den Alpen zwei klassische Kletter-Tage bevor. Mit dem Col de Joux Plane und einer Abfahrt ins Ziel in Morzine am Samstag, sowie einer Bergankunft am Sonntag, wenn nach fünf schweren Bergwertungen und erneut über 4.000 Höhenmetern das Ziel hoch oben in Saint-Gervais Mont-Blanc platziert ist.

Ein Einzelzeitfahren mit Diskussions-Potenzial

Den folgenden Ruhetag werden die Fahrer nutzen müssen, um sich einigermaßen wieder in die Spur zu bringen - und um zu diskutieren: Was tun am Dienstag, wenn das 22-km-Einzelzeitfahren mit zwei bergigen Teilen zu Anfang und am Ende von einer Rouleur-Passage zerschnitten wird, die man eigentlich auf einer Zeitfahrmaschine absolvieren müsste. Radwechsel zwischendurch - ja oder nein? Das wird die Frage sein.

Nach den Alpen dürfte das Klassement einigermaßen stehen - es wartet einen Tag vor Ultimo aber ein Tagesabschnitt, auf dem noch einmal richtig angegriffen, attackiert und auf eine späte Schwäche des Konkurrenten gehofft werden kann: Am 22. Juli führt die 20. und damit vorletzte Etappe über gleich sechs schwere Berge durch die Vogesen. Es wird der Showdown der Favoriten sein, wenn nach gut 133 Kilometern oben in Le Markstein die Ziellinie liegt. Erst dann ist es wirklich geschafft - und die Tour wird nach einer Gesamt-Rekordzahl von 30 Bergen der drei höchsten Kategorien ihren Sieger küren können.