Jai Hindley und Emanuel Buchmann vom Team Bora Hansgrohe

Tour de France Bora-hansgrohe will abwarten und zupacken bei der Tour 2023

Stand: 28.06.2023 22:46 Uhr

Mit einer ganzen Handvoll Zielen geht Bora-hansgrohe in die Tour de France 2023. Eine Doppelspitze für die Gesamtwertung und aussichtsreiche Etappenjäger charakterisieren das deutsche Top-Team.

Emanuel Buchmann ist im Grunde seines Wesens ein schüchterner Mensch. Am letzten Juni-Wochenende sprudelte es in Donaueschingen aber geradezu heraus aus dem 30-jährigen Radprofi des Teams Bora-hansgrohe. "Ich bin extrem glücklich", strahlte "Emu", wie er im Fahrerfeld genannt wird.

Buchmann - im Meistertrikot zur Tour

Per beeindruckender Solofahrt hatte der Ravensburger soeben den deutschen Meistertitel gewonnen. Es war sein erster Sieg bei einem Radrennen seit 2020, als er auf Mallorca mal als Erster die Ziellinie überquert hatte. "Ich hatte ein paar schwere Jahre, in denen nicht viel zusammen gelaufen ist. Heute habe ich bewiesen, dass ich noch schnell radfahren kann", sagte Buchmann mit schelmischem Grinsen.

Mit dem deutschen Meistertrikot auf den Schultern wird Buchmann also bei der Tour de France für Bora-hansgrohe ins Rennen gehen - man wird ihn ganz gut erkennen können. Was aber noch wichtiger ist: Buchmann, der seit seinem vierten Rang bei der Tour 2019 die großen Erwartungen nie so richtig hatte erfüllen können, geht mit ganz neuem Selbstbewusstsein in die wichtigste Rundfahrt des Jahres. Diverse Verletzungen, Krankheiten inklusive Corona-Infektionen hatten ihn in den vergangenen Jahren immer wieder zurückgeworfen.

Edelhelfer für Jai Hindley

Jetzt scheint er im richtigen Moment topfit zu sein. "Ich habe gesehen, dass die Form auf jeden Fall da ist. Das ist extrem motivierend für die Tour", strahlte Buchmann.

Nichtsdestotrotz wird der frisch geehrte deutsche Titelträger natürlich nicht als einzige Speerspitze des deutschen Bora-hansgrohe-Teams in die Frankreich-Rundfahrt gehen. Die Mannschaft von Teamchef Ralph Denk hat schon frühzeitig entschieden, mit Jai Hindley als Top-Fahrer in Richtung Gesamtwertung in die Runde zu gehen. Buchmann soll den 27-jährigen Australier dabei bestmöglich unterstützen.

Emanuel Buchmann fährt im Meistertrikot zur Tour de France

Emanuel Buchmann fährt im Meistertrikot zur Tour de France

Hindley und Buchmann als perfektes Duo

Buchmann sei "absoluter Schlüssel, wenn es im Hochgebirge darum geht, Jai Hindley aufs Podium zu bringen", sagt Boras sportlicher Leiter Rolf Aldag. Auf eigene Ambitionen muss Buchmann aber trotzdem wohl nicht ganz verzichten: "Es wird Etappen geben, bei denen man sagt, dass es für ihn selber Möglichkeiten gibt, zu leuchten und zu strahlen."

Wie gut das Duo Hindley/Buchmann harmonieren kann, bewies es 2022 beim Giro d'Italia, als Hindley völlig überraschend ganz vorn landete und die Italien-Rundfahrt "abschoss". Buchmann wurde beim Überraschungssieg seines Teamgefährten noch starker Siebter im Gesamtklassement.

"Deine Tour", Folge 2 - Die deutschen Fahrer

Sportschau, 19.06.2023 12:09 Uhr

Gesamtwertung - erst einmal "abwarten"

In etwa so wünschen sie sich bei Bora-hansgrohe das auch für die Tour. Wenngleich man natürlich um die weitaus größere Stärke der Konkurrenz in Frankreich weiß. Trotz Tadej Pogacars Problemen in der Vorbereitung scheint der Slowene gemeinsam mit Vorjahressieger Jonas Vingegaard derzeit kaum schlagbar. Zumal die beiden in ihren Teams Jumbo-Visma (Vingegaard) und UAE (Pogacar) pure Weltklasse als Edelhelfer zur Verfügung gestellt bekommen. "Beide Teams sind so stark besetzt, dass sie gerade am Anfang das Rennen sehr leicht neutralisieren können", glaubt Bora-Teamchef Denk.

Daher plant er mit seinen Jungs eine eher defensive Herangehensweise: "Wir werden uns - wie viele andere Teams unserer Größenordnung sicher auch - das Rennen in den ersten Tagen erst einmal anschauen", kündigt er an.

Nils Politt beim Einzelzeitfahren bei der Deutschen Radmeisterschaft

Nils Politt

Politt als Etappenjäger?

Hindley und Buchmann werden sich an den ersten Tagen also mutmaßlich erst einmal sehr bedeckt halten. Und den Weg für ein paar ihrer Teamkollegen freimachen, was persönliche Ambitionen angeht. Als erster Anwärter für auffällige Bora-Fahrweise dürfte dabei der Kölner Nils Politt gelten. Der 29-Jährige, der sich im Schwarzwald gerade den deutschen Zeitfahrmeister-Titel sichern konnte, dürfte sich gleich mehrere Etappen markiert haben, in denen er auf einen Tageserfolg spekulieren könnte.

Aufgebot Bora-hansgrohe für die Tour 2023
Fahrer Alter Nationalität
Jai Hindley 27 Australien
Emanuel Buchmann 30 Deutschland
Nils Politt 29 Deutschland
Marco Haller 32 Österreich
Bob Jungels 30 Luxemburg
Danny van Poppel 29 Niederlande
Jordi Meeus 24 Belgien
Patrick Konrad 31 Österreich

Als extrem kraftvoller und leidensfähiger Allrounder könnte Politt auf all jenen Etappen mitmischen, die Klassiker-Charakteristik oder welliges Profil aufweisen. Politt wird mit Sicherheit immer wieder versuchen, in die Fluchtgruppen des Tages zu rutschen.

Nils Politt nimmt uns mit in den Bora-Bus

Kämna, Denz und Schachmann nicht dabei

In solchen hätte man sich auch Lennard Kämna gut vorstellen können. Doch nach seinem starken Auftritt beim diesjährigen Giro d' Italia bekommt der 26-jährige Rundfahrt-Spezialist von seinem Team ebenso eine Pause verordnet wie Giro-Etappensieger Nico Denz und Maximilian Schachmann, den eine Corona-Infektion in den vergangenen Wochen einfach zu viel Vorbereitung gekostet hat.

"Die Tour ist natürlich das größte Radsport-Event. Ich wäre gerne mitgefahren, muss aber auch gestehen, dass das Jahr einfach nicht so gelaufen ist, wie ich es mir noch im Dezember oder Januar erhofft hatte", sagte Schachmann nach den deutschen Meisterschaften, die er hinter Buchmann und Denz auf Rang drei beendete.

Internationale Erfahrung

Insgesamt setzt das deutsche Team vor allem auf internationale Erfahrung: Denn ergänzt wird das Bora-Aufgebot durch Marco Haller (32, Österreich), Bob Jungels (30, Luxemburg), Danny van Poppel (29, Niederlande) und Patrick Konrad (31, Österreich), die allesamt Hindley beschützen sollen. Nebenbei sollen sie zudem auf den Flachetappen Jordi Meeus (Belgien) den Weg bereiten. Der 24-jährige Sprinter erhielt überraschend den Vorzug vor Sam Bennett, auf den Bora eigentlich seit Monaten gesetzt hatte, was die Flachetappen angeht.

Sprinter Meeus für Bennett

Auch im vergangenen Jahr war Bennett eigentlich für die Tour geplant, kam dann aber nicht in Form und wurde nicht nominiert. Bei der Vuelta im Spätsommer konnte er dann zwei Etappen gewinnen. In dieser Saison läuft es bislang ebenfalls nicht rund – der einzige Saisonsieg stammt aus dem Januar, als er in Argentinien eine Etappe gewinnen konnte. Also bekommt Meeus die Chance, sich im Feld der schnellsten Leute zu beweisen.

Meeus überzeugte in den vergangenen Monaten und feierte im Mai beim Circuit de Wallonie seinen ersten Saisonsieg. Meeus kann in den Sprintankünften auf Danny van Poppel als letzten Anfahrer bauen. Auch Politt und der Österreicher Marco Haller werden in der Sprintvorbereitung für Meeus arbeiten.