Annemiek van Vleuten
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Tour de France Femmes Gekommen, um zu bleiben

Stand: 31.07.2022 22:37 Uhr

Annemiek van Vleuten gewinnt die erste Tour de France Femmes. Es war eine gelungene Premiere: Ein Zurück darf es für den Frauenradsport nun nicht mehr geben.

Von Michael Ostermann, La Super Planche des Belles Filles

Annemiek van Vleuten hat Geschichte geschrieben: Die Niederländerin geht als die erste Siegerin der Tour de France der Frauen in die Historie des Radsports ein. Ja, richtig: Es hat schon früher Versuche gegeben, den Radsportlerinnen die größte Bühne zu bereiten, die dieser Sport zu bieten hat. Doch diese Versuche waren halbherzig, ohne den Willen, das Rennen wirklich zu etablieren und ohne die finanzielle Basis, die dafür nötig gewesen wäre.

Der Frauenradsport war noch nie so präsent

Deshalb umgab die Tour de France Femmes den Reiz einer Premiere. Und man muss sagen: Die Erstaufführung ist gelungen. Die Amaury Sport Organisation, die Besitzerin der Tour de France, wollte diese Premiere zu einem Erfolg machen. Das Rennen war perfekt organisiert und glänzend vermarktet. Der Frauenradsport war noch nie so präsent wie in diesen acht Tagen.

Es ist im Vorfeld der Tour de France Femmes viel darüber debattiert worden, ob der Termin direkt im Anschluss an die Tour der Männer der richtige sei. Ob die Frauen-Tour dadurch nicht zu einem Anhängsel würde, ein hübsches Beiwerk. Die Befürchtungen waren unbegründet. Der Zuspruch entlang der Strecke und zumindest vor den französischen TV-Geräten war enorm. Die Leute seien konditioniert darauf, im Juli Radsport zu schauen, sagte die Renndirektorin Marion Rousse. So ist es wohl.

Keine Frage des Geschlechts

Zu sehen bekam das Publikum den beeindruckenden Auftritt von Annemiek van Vleuten, die auf den beiden Bergetappen eine Klasse für sich war. Eine derartige Überlegenheit ist keine Spezialität des Frauenradsports. Jonas Vingegaard und Tadej Pogacar fuhren in den drei Wochen davor auch in ihrer eigenen Welt.

Auch die schlimmen Stürze, die das Bild der ersten sechs Tage prägten, waren keine Frage des Geschlechts. Die Nervosität war groß, es stand für alle viel auf dem Spiel und alle Sportlichen Leiter hinten in den Autos wollten ihre Fahrerinnen vorne sehen. Das ist bei den Männern nicht anders und geht auch dort meistens nicht gut.

Es fehlt eine breite Basis

Und doch hat diese Tour de France Femmes auch gezeigt, wo die Defizite des Frauenradsports liegen. Es gibt eine Reihe von Topfahrerinnen neben der Gesamtsiegerin. Die rasanten Sprintsiege von Lorena Wiebes, die fünf Tage von Marianne Vos im Gelben Trikot inklusive zweier Etappensiege, der emotionale Erfolg der erfrischend munteren Dänin Cecilie Utrup Ludwig in Épernay - das alles waren sportliche Highlights.

Aber es stimmt eben auch, dass der Niveauunterschied zwischen den Topfahrerinnen und einem Teil des Pelotons immer noch immens ist. Manche Fahrerin war mit dem Kurs der Tour schlichtweg überfordert. Es fehlt dem Frauenradsport an einer breiten Basis. Aber auch das kann einen kaum verwundern.

Frauenradsport - der lange Weg zur Gleichberechtigung

Katarina Schubert / Marc Drumm, Sportschau, 23.07.2022 18:00 Uhr

Wie in anderen Sportarten haben die Frauen auch im Radsport einen strukturellen Nachteil - ihnen fehlen Jahrzehnte, in denen sie nicht die gleichen Chancen hatten. Dass es erst 2022 eine Tour de France der Frauen gibt, die diesen Namen verdient, ist bezeichnend.

Der Traum von Gelb - jetzt auch für Mädchen

Aber wie bei der Fußball-Europameisterschaft der Frauen hat sich auch bei der Tour de France Femmes gezeigt, dass es sich lohnt, wenn Veranstalter den Sportlerinnen einen professionellen Rahmen geben und die Sache ernst nehmen. Sichtbar wird dann sehr guter Sport. Und nur so kann die Basis breiter werden.

Für die Mädchen am Streckenrand und vor dem Fernseher ist die Tour de France jetzt keine Sache mehr nur für Jungs. Auch sie können jetzt vom Gelben Trikot träumen, was Annemiek van Vleuten noch nicht möglich war. Der Anfang ist gemacht: Die Tour de France Femmes ist gekommen, um zu bleiben. Ein Zurück kann, darf und wird es nicht mehr geben.