Extremradsportler stellt neuen Weltrekord auf Christoph Strasser - "Radl foan", bis Halluzinationen kommen

Stand: 18.07.2021 12:23 Uhr

Christoph Strasser hat gerade gleich mehrere neue Weltrekorde im Extremradsport aufgestellt. Bei seinem "Weitradlfoan" geht der Österreicher über mehrere körperliche und geistige Grenzen hinweg.

"Am schlimmsten sind die Halluzinationen", sagt Christoph Strasser, wenn er vom "Race across America" (RAAM) spricht. Die Sinnestäuschungen kommen bei dem österreichischen Extremsportler ab der siebten Nacht des legendären US-Langstreckenrennens, bei dem man rund 5.000 Kilometer von West nach Ost ununterbrochen in acht bis 15 Tagen absolviert.

Strasser hält hier den Rekord: Der 38-Jährige, der das RAAM schon sechsmal gewonnen hat, durchquerte die USA bei seiner Rekordfahrt 2014 in sieben Tagen, 15 Stunden und 56 Minuten. Damit gilt er als Maß aller Dinge im Ultracycling - oder "Weitradlfoan", wie es der in Graz geborene Österreicher lieber nennt.

Über 1.000 Kilometer in 24 Stunden - einer von vielen Weltrekorden

Von Freitag auf Samstag (17.07.2021) hat Strasser eine andere Sache angepackt: Er hat gleich mehrere Weltrekorde im Extremradsport gebrochen. Er legte binnen 24 Stunden 1026,215 Kilometer zurück und überbot die bisherige Bestmarke von 914 Kilometern dank eines Tempo-Durchschnitts von 42,75 Stundenkilometern unerwartet deutlich.

Viele Stunden musste Strasser auf dem 7,6-Kilometer-Rundkurs im österreichischen Zeltweg im strömenden Regen fahren. Ohne das schlechte Wetter wäre noch mehr drin gewesen, meinte der sehr entspannt wirkende Sportler nach der Zieldurchfahrt am Samstag. Ein Schlüssel für den Erfolg sei das Ernährungskonzept mit Flüssignahrung gewesen. Nach Berechnungen seines Teams hat der Extremsportler 14.400 Kalorien verbraucht.

Extremsport - Erlebnisreise in die eigene Psyche

Für Strasser sind Events wie diese regelrechte Erlebnisreisen durch die eigene Psyche. Er selbst beschreibt die Faszination Extrem-Ausdauersport so: Es gehe um das "Erlebnis im eigenen Körper, wie viel man aushält".

Dafür nimmt es Strasser auch in Kauf, dass ihm in den kurzen Pausen während des RAAM schon mehrmals ein Furunkel herausgeschnitten werden musste. Und dass er einmal gegen Ende vor lauter Erschöpfung seinen eigenen Betreuer nicht mehr erkannte und dass die letzten 100 Kilometer körperlich und mental eine "Katastrophe" sind.

"In hohem Maße gewissenhaft"

Halluzinationen, chirurgische Eingriffe zwischendurch, Flüssignahrung - ist das alles eigentlich noch Sport? Professor Jens Kleinert von der Deutschen Sporthochschule in Köln hat es im Gespräch mit der "Süddeutschen Zeitung" einmal als Mythos bezeichnet, Extremsportler seien verrückt, leichtsinnig oder gar lebensmüde. "Die sind zumeist in hohem Maße gewissenhaft", sagt der Wissenschaftler: "Sie machen das nicht auf die Schnelle, sondern bereiten sich monatelang darauf vor."

Büroarbeiten auf dem Rad

Strasser bereitet sich während des ganzen Jahres auf seine Unternehmungen vor. Er sitzt etwa 1.250 Stunden pro Jahr auf dem Rad, absolviert dabei etwa 35.000 Kilometer. In den Wochen vor einem Rennen trainiert er acht Stunden täglich - meist Indoor auf einem Ergometer. "Das ist dann fast wie in einem Büro", beschreibt er: "Während des Trainings checke und beantworte ich Mails, telefoniere und bereite Vorträge vor."

Wenn er dann zu einem Rennen startet, begibt sich eine ganze Mannschaft auf Tour. Von seinen elf Teammitgliedern bei einem RAAM betreuen ihn immer drei zwölf Stunden lang durchgehend im Schichtbetrieb. Drei sind fürs Filmen, Fotografieren und die Social-Media-Berichterstattung zuständig, zwei fürs Wäschewaschen und Kochen im Wohnmobil. Dann gibt es noch Mechaniker, einen Sportwissenschaftler, einen Physiotherapeuten und einen Arzt, der ihn in regelmäßigen Abständen untersucht.

"Aufs Ausradeln verzichte ich heute"

Mit dem Knacken der magischen 1.000 Kilometer-Marke hat Strasser einen weiteren Maßstab gesetzt. "Ich bin so froh und glücklich und dankbar, dass ich es trotz des Wetters geschafft habe! Die Stimmung war so super, und die Zuschauer haben mich unglaublich motiviert. Es lief von Beginn an so gut, und nach zwölf Stunden lag ich bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 45 km/h. Ab dem Zeitpunkt habe ich mich auf die 1.000 Kilometer fokussiert", sagte er im Ziel und er ergänzte mit einem Schmunzeln: "Ich glaube aufs Ausradeln verzichte ich heute."