Paralympics | Ski Alpin "Da muss ich schon wieder heulen" - Rothfuss' spätes Medaillenglück

Stand: 11.03.2022 15:16 Uhr

Nach Abfahrtsblech, dem Super-G auf "rohen Eiern" und der Superkombi-Disqualifikation überwindet Andrea Rothfuss im Riesenslalom die Selbstzweifel - und gewinnt ihre 14. Paralympicsmedaille.

Von Maximilian Hendel

Am vergangenen Montagabend (07.03.2022) applaudierte Andrea Rothfuss live vor Ort unten im Publikum, als Anna-Lena Forster für den Sieg in der alpinen Superkombination der sitzenden Klasse die Goldmedaille in Peking um den Hals gehängt bekam.

Platz vier, rohe Eier und eine Disqualifikation

"Da oben würde ich so gerne noch einmal stehen und diesen Moment erleben", habe sie dabei einer Teamkollegin gesagt, erzählte die 32-Jährige nun im Sportschau-Interview. Allerdings schien der Wunsch der fünfmaligen Paralympics-Teilnehmerin vor vier Tagen noch in allzu weite Ferne gerückt.

Zum Auftakt hatten in der Abfahrt vier Zehntel Sekunden zu Bronze gefehlt, im anschließenden Super-G fuhr sie "wie auf rohen Eiern" als abgeschlagene Neunte hinterher. Und wenige Stunden vor Forsters Goldzeremonie wurde Rothfuss in der stehenden Superkombi-Konkurrenz nach einem verpassten Tor bereits im ersten Durchgang vorzeitig disqualifiziert.

14 Medaillen bei fünf Paralympics

Aber an diesem Freitag (11.03.2022) erlebte Andrea Rothfuss‘ lange Paralympics-Erfolgsserie auch in Peking den ersten Edelmetallhöhepunkt. Bei all ihren vorherigen Spielen - in Turin 2006, in Vancouver 2010, in Sotschi 2014 und in Pyeongchang 2018 - hatte sie jeweils Silber im Riesenslalom geholt. Nun schnappte sich die so hochdekorierte Routinierin 2022 in eben diesem Wettbewerb Bronze.

Angesichts der anschließenden Tränen im Zielbereich war es nicht nur eine der am wenigsten erwarteten ihrer nun 14 paralympischen Medaillen, sondern definitiv die emotionalste: Sie habe "sich eine Medaille hier immer erträumt", aber diese "nie für möglich gehalten."

"Beweg einfach deinen Arsch!"

Noch direkt vor dem Start am Xiaohaituo Mountain konfrontierte sie den Servicemann mit ihren Zweifeln, erzählte Rothfuss: "Ganz ehrlich, ich hab' Angst, am meisten vor mir selber – dass ich meinen Ansprüchen nicht gerecht werden kann und mir selber im Weg stehe. Das Einzige, was ich denken konnte: 'Beweg einfach deinen Arsch!'"

Und dann ist sie in dieser "wahnsinnig starken Konkurrenz" noch "über sich hinausgewachsen, war sehr, sehr aktiv und ist gut Ski gefahren", beobachtete ihre frühere Teamkollegin und heutige Sportschau-Expertin Anna Schaffelhuber beindruckt. Im zweiten Durchgang war - auch durch den schweren Sturz der auf Bestzeit liegenden Schwedin Ebba Aarsjoe - nur Goldgewinnerin Mengqiu Zhang aus China schneller als die Schwäbin, wodurch sie sich von Rang vier auf das Podest vorschob.

Tränen beim Gedanken an die Medaillenzeremonie

Auf der Freitagsmedaillenzeremonie komplettiert also Andrea Rothfuss neben Zhang und Silbergewinnerin Mollie Jepsen aus Kanada das Siegertreppchen der stehenden Alpin-Fahrerinnen. "Da muss ich schon wieder heulen, wenn ich dran denke, da heute Abend wirklich wieder oben stehen zu dürfen. Hach, einfach nur geil", sagte Rothfuss mit brechender Stimme. Und ziemlich sicher werden ihr dort auch Anna-Lena Forster und das ganze Team unten in der Menge zujubeln.