Olympia 2024 IOC vor Entscheidung: Dürfen Russland und Belarus in Paris teilnehmen?

Stand: 12.07.2022 20:28 Uhr

Werden Athletinnen und Athleten aus Russland und Belarus bei den Olympischen Sommerspielen in Paris 2024 starten dürfen? Das IOC wird bald eine Entscheidung treffen müssen.

Am 26. Juli sollen die Olympischen Sommerspiele 2024 in Paris eröffnet werden. Ob und in welcher Form die Teams aus Russland und Belarus bei den Spielen teilnehmen werden, ist noch nicht geklärt. Doch eine Entscheidung ist zeitlich bald notwendig, denn in den kommenden Monaten beginnt in vielen Sportarten die Qualifikation für die Spiele in Paris.

Früherer IOC-Vize Reedie: "Kaum eine Chance für Russland und Belarus"

Craig Reedie, früherer Vize-Präsident des Internationalen Olympischen Komitee (IOC), sprach am Montag (11.07.2022) in britischen Medien davon, dass "die allgemeine Meinung sein wird, dass sie sich nicht qualifizieren sollten". Es gebe keinen klaren Weg, eine Repräsentation von Russland und Belarus zu ermöglichen. "Daher behält man wohl den Status quo bei", sagte Reedie.

Der frühere IOC-Vizepräsident Craig Reedie

Der frühere IOC-Vizepräsident Craig Reedie

Der Status quo ist eine Empfehlung des IOC-Vorstands vom 28. Februar 2022. Demnach sollen internationale Sportverbände keine Teilnahme von Teams oder Aktiven aus Russland und Belarus an internationalen Wettbewerben zulassen, nur notfalls soll ein Start unter neutraler Flagge möglich sein. Das geschehe, "um die Integrität globaler Sportwettkämpfe und die Sicherheit aller Teilnehmer zu schützen", hieß es damals.

Russlands Angriff trifft auch den ukrainischen Sport

Das IOC nannte die Aussagen Reedies auf Anfrage der Sportschau "eigene Meinungsäußerungen". Zu seiner Position verwies das IOC auf eine Rede von IOC-Präsident Thomas Bach vom 21. Juni. Ob die Empfehlung auch für Paris und die Qualifikationswettbewerbe gilt? "Wir müssen traurigerweise sagen, dass die Zeit noch nicht gekommen ist, die Empfehlung aufzuheben", sagte Bach. Zumindest nach aktuellem Stand hätten die Aktiven aus den beiden Ländern nicht die Möglichkeit, an Qualifikationswettbewerben teilzunehmen. Bach hatte im Mai bei der IOC-Session gesagt, dass eine Teilnahme Russlands unklar sei. "Wir müssen Schritt für Schritt vorgehen", sagte Bach. "Wir wissen nicht, wie sich die politische Lage und der Krieg entwickeln. Wir hoffen, dass es so schnell wie möglich Frieden gibt."

Russlands Krieg gegen die Ukraine läuft unvermindert weiter. Derzeit finden Kämpfe vor allem im Osten und im Süden der Ukraine statt. "Mehr als 100.000 ukrainische Athleten haben keine Gelegenheit zu trainieren, Hunderte von Sportstätten wurden zerstört", sagte Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj Anfang Juli bei einem Treffen mit Bach in Kiew.

Sport als Teil von Putins Propaganda

Der Sport ist oft ein Teil der Propaganda von Russlands Präsident Putin gewesen. Nach den Olympischen Winterspielen 2014 annektierte Russland die ukrainische Halbinsel Krim. Die FIFA bot ihm 2018 mit der WM ebenfalls eine Bühne. Bei den Olympischen Sommerspielen in Tokio und bei den Winterspielen in Peking durften russische Athletinnen und Athleten nur unter neutraler Flagge teilnehmen, da die Welt-Anti-Doping-Agentur es als erwiesen ansah, dass die russische Regierung Daten des Dopinglabors in Moskau manipuliert hatte.

"Neutrale Athletinnen und Athleten" aus Russland bei einer Propaganda-Show im Luschniki-Stadion in Moskau

"Neutrale Athletinnen und Athleten" aus Russland bei einer Propaganda-Show im Luschniki-Stadion in Moskau

Die "neutralen" olympischen Teams gewannen 71 Medaillen in Tokio und 32 Medaillen in Peking. Mehrere Mitglieder der russischen Olympia-Teams traten im März mit ihren Medaillen bei einer Propaganda-Show Putins im Moskauer Luschniki-Stadion auf, auf ihrer Teamkleidung von den Spielen prangte wenig neutral ein "Z" - das Symbol für die russische Invasion in der Ukraine.

Die deutsche Weitsprung-Olympiasiegerin Malaika Mihambo nannte den Ausschluss von russischen Athletinnen und Athleten bei der anstehenden Leichtathletik-WM in Oregon in einem Interview mit dem SWR "legitim". Für die Einzelnen sei es zwar tragisch, sagte Mihambo. "Aber hier überwiegt das große Ganze. Natürlich ist der Sport auch eine Bühne, die innenpolitisch instrumentalisiert werden kann, und ich finde es richtig, diese Bühne für Russland deutlich zu minimieren."

Ausschluss bei vielen Sportarten

Nur wenige Sportarten erlauben Sportlerinnen und Sportlern aus Russland und Belarus die Teilnahme an Wettbewerben. Grundsätzlich ist dies im Falle Russlands im Judo, Tennis (Ausnahme Wimbledon) und Radsport möglich. In Teamsportarten wie beispielsweise Fußball, Basketball oder Handball spielen Aktive aus beiden Ländern in den Klubs mit.

Bei Nationalteams ist die Herangehensweise unterschiedlich. Belarus, das Russland militärisch beim Angriff auf die Ukraine unterstützt, darf beispielsweise beim Fußball in den Wettbewerben von UEFA und FIFA im Gegensatz zu Russland unter Auflagen mitspielen, während etwa die Internationale Handball-Föderation beide Länder suspendierte. Nicht suspendiert sind meist Funktionäre. Shamil Tarpishchev und Yelena Isinbayeva vertreten beispielsweise weiterin Russland als Mitglieder im IOC. Alexander Popov ist seit 2016 Ehrenmitglied.