Analyse vor der Sommerpause Formel 1 - Hochspannung, Zickenkrieg und erstaunlich viele Fehler

Stand: 02.08.2021 08:09 Uhr

Nach Jahren gähnender Langeweile herrscht endlich wieder Hochspannung in der Formel 1: Das Kracherduell zwischen Lewis Hamilton und Max Verstappen hält die Fans in Atem. Begleiterscheinungen sind aber teils törichte Patzer und ein Zickenkrieg - eine Analyse.

Wieder ein Mercedes! Nachdem Lewis Hamilton in Silverstone beim vielleicht meistdiskutierten Formel-1-Crash des vergangenen Jahrzehnts seinen großen Rivalen Max Verstappen knallhart abgeräumt hatte, hat nun auch ein Silberpfeil für den erneuten Führungswechsel in der Königsklasse des Motorsports gesorgt.

Der anfängerhafte Verbremser von Valtteri Bottas führte beim Großen Preis von Ungarn dazu, dass neben Lando Norris im McLaren auch beide Red Bull schweren Schaden nahmen. Trotz kaputter rechter Seite holte Verstappen am Ende zwar noch einen Punkt, verlor aber seinen Spitzenplatz in der Fahrerwertung wiederum an Hamilton.

Vorsprung noch ohne Aussagekraft

Mit acht Punkten Vorsprung geht der siebenmalige Weltmeister nun in die Sommerpause, die vier Wochen dauert und mit dem Rennwochenende in Belgien vom 27. bis 29. August endet. Obwohl Hamilton auf Rang eins liegt, müssen er und sein Team bis zum Wiedersehen in Spa eine Aufholjagd hinlegen. Denn der Mercedes ist bislang schwächer als der Red Bull.

Unverschuldet, oder besser gesagt: durch Mercedes verschuldet, sind Verstappen in den beiden jüngsten Rennen möglicherweise 49 Punkte durch die Lappen gegangen. Der Niederländer hätte in Silverstone und Budapest gewinnen können, stattdessen landete er bei null und einem Zähler.

Rivalität gab es schon immer

Klar ist nach den ersten elf Rennen: Hamilton ist nach vier WM-Titeln in Serie alles andere als satt, er setzt alle ihm zur Verfügung stehenden Mittel ein, um am Ende dieser Saison mit seiner insgesamt achten Meisterschaft allein in den Geschichtsbüchern zu stehen. Weil er sieht, dass er erstmals in all den Jahren ein unterlegenes Auto fährt, greift er auch zu Manövern, die jenseits des Regelwerks liegen - wie in Silverstone.

Das gab es aber immer schon in dieser Sportart, teilweise sogar bei Fahrern aus demselben Rennstall. Ob es Guiseppe Farina und Juan Manuel Fangio waren, Niki Lauda und James Hunt, Nigel Mansell und Nelson Piquet, Alain Prost und Ayrton Senna, Michael Schumacher mit Damon Hill und Jacques Villeneuve, Mark Webber mit Sebastian Vettel, oder auch Nico Rosberg und Sebastian Vettel mit Lewis Hamilton: Wenn Grenzen ausgelotet wurden, wurden sie auch oft überschritten.

Sicher keine Absicht bei Bottas

Davon lebt diese Sportart, darüber braucht niemand zu jammern, der die Formel 1 gut findet. Schon gar nicht Hamilton, der sich in Budapest ernsthaft über Boxenfunk beschwerte, dass Altmeister Fernando Alonso im Alpine mal hart dagegenhielt. Es ist an der jeweiligen Jury, Verstöße zu sanktionieren - und das läuft gerade blendend für Mercedes.

In Silverstone kam Hamilton mit einer Zehn-Sekunden-Strafe davon und durfte das Rennen trotz seiner Aktion gewinnen. In Budapest kassierte Bottas dafür, dass er gleich drei Autos, darunter dem Rivalen seines Teamkollegen, das Rennen zerstörte, auch nur zwei Strafpunkte und fünf Plätze Strafversetzung für den Großen Preis von Belgien.

Eine Absicht bei Bottas kann man dabei nahezu sicher ausschließen: Er kämpft gegen Shootingstar George Russell um ein weiteres Vertragsjahr bei Mercedes und hat sich mit seinem Schneckenstart und dem dilettantischem Verbremser sicher keinen nachhaltigen Gefallen getan.

Erstaunliche Fehler bei den Silberpfeilen

Aber auch unabhängig von dieser fahrerischen Fehlleistung erstaunen die häufigen Patzer bei den Silberpfeilen. Die Rennen in Baku und Monte Carlo haben sie auch schon in den Sand gesetzt, und in Budapest sorgte Lewis Hamilton, der nach dem Re-Start auf abgetrockneter Strecke als einziger Fahrer den Wechsel auf Slicks verpasst hatte, für eine Jahrhundert-Blamage: Das komplette restliche Feld startete aus der Boxengasse, Hamilton stand allein (!) in der Startaufstellung, kam dann mit einer Runde Verspätung doch noch zum Reifenwechsel und fiel zwischenzeitlich auf den letzten Rang zurück.

Auch neben der Strecke hat das Team an Souveränität eingebüßt, wobei auch Teamchef Christian Horner von Red Bull teilweise eine schlimme Figur abgibt. Ein Moment zum Fremdschämen war die Siegerparty, die Hamilton in Silverstone abbrannte, nachdem er zuvor regelwidrig seinen Konkurrenten aus dem Rennen gerammt hatte. Darüber regte sich Verstappen, der natürlich auch immer am absoluten Limit kämpft und auch schon oft überpaced hat, vollkommen zu Recht auf: Hamiltons Schampus-Feier war eine der peinlichsten Sportszenen der vergangenen Jahre.

Christian Horner und die Krönung des Zickenkriegs

Die Giftpfeile, die anschließend zwischen Christian Horner und Mercedes-Motorsportchef Toto Wolff hin- und herflogen, passten zu diesem Niveau - tragen aber auch irgendwie zum wiedergewonnenen Unterhaltungsfaktor der Formel 1 bei. Wolff bewies jetzt in Ungarn immerhin die Größe, den Bottas-Fehler sehr offen einzuräumen, sich später sogar zur Red-Bull-Box zu begeben, um sich auch noch einmal persönlich bei Horner zu entschuldigen. Dass Horner diese Entschuldigung nicht annahm, war die Krönung des Zickenkriegs - ganz, ganz schwach.

Fortsetzung folgt, das ist ziemlich sicher. Auf der Strecke zwischen Hamilton und Verstappen, neben der Strecke zwischen Horner und Wolff - wobei das Rededuell letztlich ziemlich belanglos ist.

Hoffnung auf gerechte Regelhüter

Für die Fans der Formel 1 ist dagegen die neue Spannung wunderbar. Zumindest solange, wie man das Gefühl haben kann, dass die Hüter des Regelwerks den Zweikampf um den Titel gerecht begleiten. Unerlässlich - vor allem für die Gesundheit der beiden Fahrer - sind dabei Konsequenz und Härte der Jury bei Übertretungen des Erlaubten. Denn dass sich die Fahrer selbst ihre Grenzen sportlich korrekt setzen, ist weder ihr Job noch zu erwarten.