Marcel Timm (vorne), Patrick Wiencek

Handball, Basketball und Eishockey Deutsche Top-Ligen zwischen Vorfreude und Bammel

Stand: 07.09.2021 23:19 Uhr

Im September starten die drei großen Hallensportarten Basketball, Eishockey und Handball in ihre neuen Saisons. Die Klubs freuen sich vor allem auf die Rückkehr der Zuschauer - und fürchten doch, dass es zu wenige sein werden.

Nach den teilweise abgebrochenen oder unterbrochenen Corona-Saisons 2019/20 wurde in den drei Profisportarten in der vergangenen Saison zwar wieder bis zum letzten Spieltag gespielt, jedoch größtenteils ohne Fans in den Hallen. Die Vereine kämpfen seitdem ums wirtschaftliche Überleben. Ohne den Erlös aus Ticketverkäufen funktioniert Profi-Hallensport in Deutschland so gut wie nicht.

Je nach Liga und Verein resultieren bis zu 80 Prozent des Vereins-Budgets aus Einnahmen - generiert durch Zuschauer und den Fanartikel-Verkauf. Viele Profivereine haben in den vergangenen Monaten ums Überleben gekämpft. Das soll sich jetzt mit den Starts in die Saison 2021/22 ändern.

HANDBALL – Sorgenfalten beim Geschäftsführer

Denn mit den Fans kehrt auch die Hoffnung auf Normalität zurück. Vom Status quo wie vor der Pandemie scheinen die Profiligen aber noch ein Stück weit entfernt. Beispiel Handball. Am vergangenen Samstag fand in Düsseldorf der Supercup zwischen dem THW Kiel und dem TBV Lemgo Lippe statt. 8.000 Zuschauer hätten dabei sein dürfen, etwas mehr als 3.000 kamen tatsächlich.

HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann blickt besorgt in die Zukunft. Am Rande des Events erklärte er der Sportschau: "Die Sorgenfalten sind absolut da. Die Situation hellt sich so ein bisschen auf, weil wir alle glauben, dass wir spätestens im Frühjahr diese Pandemie überwunden haben; aber wissen tut es keiner. Wir können immer nur in Szenarien denken und haben da positive erwartbare und negative Szenarien. Und wenn es alles sehr negativ läuft, dann weiß ich nicht, ob wir komplett durch die Saison kommen werden."

Modellprojekt in Kiel

Am 1. Spieltag dürfen zum Beispiel in Kiel beim Heimspiel gegen HBW Balingen-Weilstetten rund 90 Prozent der Plätze besetzt werden, nur die Stehplätze bleiben frei. Rund 9.000 Zuschauer dürfen also in die Arena, die 3G-Regeln gelten, heißt: Geimpfte, Genesene oder Getestete können dabei sein.

Grundlage für diese relativ hohe Hallenauslastung ist die Zustimmung des Landes Schleswig-Holstein, das einem Modellprojekt von Stadt und Verein die Erlaubnis erteilt hat. THW-Aufsichtsratschef Marc Weinstock spricht von einem "Weg, mit und trotz Corona wieder einen Schritt zurück in die Normalität zu finden". Die Genehmigung der Politik für den Kieler Modellversuch ist - sofern es die Infektionslage zulässt - zunächst bis zum 8. November befristet.

"Ein langer und harter Weg"

Bei den Rhein-Neckar Löwen, die ihre Heimspiele in Mannheim austragen und wo maximal 14.500 Zuschauer in die Halle dürften, setzt man derzeit auf das 3G-Konzept bei 50-prozentiger Hallenauslastung und hofft auf möglichst viele Fans, die zum ersten Heimspiel gegen den SC Magdeburg in die Arena kommen.

"Die Rückkehr der Zuschauer wird für die Klubs ein langer und harter Weg. Viele Zuschauer sind noch sehr vorsichtig. Wir müssen zeigen, dass wir sichere Heimspiele abliefern können und uns damit das Vertrauen der Zuschauer in Großveranstaltungen zurückgewinnen“, erläuterte der Pressesprecher Christopher Monz. Derzeit laufen Gespräche mit der Landespolitik in Baden-Württemberg über weitere Öffnungsschritte. "Eine Planung ist nur schwer möglich, da wir weder die Zukunft der Pandemieentwicklung noch die der Zuschauerentwicklung absehen können."

EISHOCKEY – mit 15 Vereinen in die Saison

In der DEL startet die Saison mit der Partie des Meisters aus Berlin gegen die Star-Truppe aus München. Es könnte eine tolle Saison werden, sollten die Zuschauer annähernd so in die Hallen strömen wie vor Corona. Die Erfolge der deutschen Nationalmannschaft (Halbfinale bei der vergangenen WM) sollten nachwirken, die nächsten Olympischen Spiele werden die aktuelle Saison zwar unterbrechen, aber 60 Hauptrunden-Spieltage dank Aufsteiger Bietigheim (15. DEL-Klub) müssen gespielt werden vor den Playoffs.

Maximal 4.500 Zuschauer passen in die Halle des Klubs. Aufgrund der Vorgaben aus der Politik dürfen die Steelers ihr Stadion mit 100 Prozent auslasten. "Wir haben klassisch die 3G, am Platz und überall ist die Maske zu tragen. Aber wichtig ist, dass die Fans dabei sind. Eishockey lebt von den Emotionen, Eishockey lebt von den Fans und Eishockey ohne Fans ist einfach schwierig“, erklärte Steelers-Geschäftsführer Volker Schoch unlängst auf der Saison-Eröffnungs-Pressekonferenz der DEL.

Augsburg will Fanszene nicht "spalten"

Besonders betroffen bezüglich Zuschauer-Beschränkung waren zuletzt die fünf bayerischen DEL-Vereine, die aber dank der neuen 14. bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung aufatmen dürfen. Es hätten Spiele vor 1.000 oder weniger Zuschauern gedroht, jetzt sind dank der Verordnung und je nach Stadionkapazität sogar Spiele vor 5.000 und mehr Zuschauern möglich.

Beispiel Augsburger Panther: Hier sind alle froh über die Entscheidungen der Landespolitik. "Wir haben das 3G-Modell. Damit sind 5.589 Zuschauer möglich. Wir unterschreiten aber den Mindestabstand, dafür haben wir dann gemäß bayerischer Verordnung die zusätzliche Auflage der Maskenpflicht auch am Platz. Wir haben uns gegen das 2G-Modell entschieden, weil es in Bayern bislang keinerlei Unterscheidung zwischen 2G und 3G gibt. Wir hoffen, dass das so bleibt. Wenn die politische Marschroute auch Getestete zulässt, möchten wir das auch ermöglichen und wollten keine Spaltung in der Fanszene hervorrufen", erklärte Maximilian Horber, der Geschäftsführer der Panther, gegenüber der Sportschau.

Bei den Kölner Haien, die mit etwa 19.000 Zuschauern bei Maximal-Auslastung ihrer Halle die größte Zuschauer-Kulisse in der DEL verzeichnen, plant man defensiv, was die Rückkehr der Fans in die Arena anbelangt. "Die Vorbereitung auf die Saison war sehr kompliziert. Gerade beim Thema Zuschauer war und ist kaum Verlässlichkeit gegeben. Stand jetzt dürfen wir wieder Fans reinlassen, und das ist emotional und finanziell unheimlich relevant für uns“, sagt Philipp Walter, Geschäftsführer der Haie. 9.000 Fans dürften theoretisch zum Heimspiel-Auftakt der Haie am Freitagabend gegen Wolfsburg dabei sein.

Gehaltsverzicht wichtig fürs Überleben

Es wird bestimmt emotional werden, wenn die Eishockey-Profis wieder vor Fans spielen dürfen. Die bange Frage derzeit ist: Wie viele Fans werden kommen? "Am meisten freue ich mich eigentlich darauf, dass wir hoffentlich die Zuschauer wieder zurück in die Stadien kriegen. Das wäre natürlich ein Riesenerlebnis“, sagte Marcel Noebels von den Eisbären Berlin vor einigen Tagen.

Die emotionale Seite ist das eine, doch immer noch bangen die Vereine auch um ihre wirtschaftliche Existenz. Leo Conti, der Prokurist und ehemalige Torhüter der Panther erklärte im Interview mit dem BR, im vergangenen Jahr habe der Verein die Situation nur deshalb überstanden, weil alle Spieler auf die Hälfte ihres Gehalts verzichtet hätten. "Auch in diesem Jahr haben wir mit den Spielern eine Vereinbarung getroffen", fügt Maximilian Horber hinzu.

"Die Spieler bekommen ein Festgehalt und prozentual, wie viele Zuschauer kommen dürfen, können die Jungs dazuverdienen. Sie sind also auch daran interessiert, dass möglichst viele Zuschauer in die Halle kommen dürfen und auch kommen.“ Auch in Köln müssen die Profis noch mit Gehaltseinbußen leben. Philipp Walter: "Nach dem Gehaltsverzicht in der letzten Saison stehen wir weiterhin mit den Spielern im Austausch. Die Gehälter sind bei uns nicht auf dem Niveau, wie vor Corona."

BASKETBALL – Das Minus läßt sich nicht kompensieren

Erst zwei Wochen später starten die Korbjäger mit ihrer Saison. Hier herrschen ähnliche Nöte und Zwänge wie beim Handball und beim Eishockey. Die zwei zusätzlichen Wochen vor Liga-Start bereiten aber den Verantwortlichen in den Vereinen und bei der Liga-Zentrale der BBL in Köln nur bedingt weniger Sorgenfalten.

"Da im Moment eigentlich nichts verlässlich ist, müssen wir 'auf Sicht fliegen'“, erklärte Dr. Stefan Holz, der Geschäftsführer der BBL. Die Verlässlichkeit sei das größte Problem für die Liga und deren Vereine. 2G oder 3G, Vollauslastung der Hallen, 5.000 oder 50 Prozent plus X – alles Dinge, die nicht in der Macht der Klubs liegen und vor dieser Saison zu wirtschaftlich eher defensiven Budget-Planungen geführt haben.

Bange Frage: Was machen die Zuschauer?

Wie bei allen BBL-Vereinen lassen sich die vergangenen beiden unter den Corona-Virusbedingungen stehenden Spielzeiten künftig wohl nicht kompensieren. "Letztlich müssen Budgets und Etats gekürzt werden. Das Minus wird uns mindestens noch die Saison 2021/22 begleiten, je nach Corona-Entwicklung auch länger", sagt Michael Mager, Prokurist der BonBas GmbH, dem wirtschaftlichen Träger der Telekom Baskets Bonn auf Anfrage der Sportschau.

Im Rahmen des Lizenzierungsverfahrens habe die BBL den Vereinen eine Planungs-Prämisse an die Hand gegeben, berichtet Holz. "Plant für die Saison 2021/22 mit 50 Prozent Zuschauer-Kapazität, dann seid ihr budget-technisch vermutlich auf der sicheren Seite.“ Denn das Verhalten der Zuschauer ist laut Mager nur schwer einzuschätzen. "Wir wissen noch nicht, ob alle Fans sofort wiederkommen. Je nach Infektionslage könnten Zuschauer auch erstmal abwarten."

Wie auch in der DEL haben die bayerischen Basketball-Bundesligisten lange Zeit von 50 Prozent bei der Hallen-Auslastung nur träumen können. Erst seit der neuen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung hört man im Freistaat ein Aufatmen.

"Nehmt, was rauszuholen ist!"

Beispiel Pokalsieger Bayern München. Der Klub darf zum ersten Heimspiel 5.750 Zuschauer begrüßen. Neben den 5.000 erlaubten dürfen von den restlichen 1.500 Plätzen in der Halle noch einmal 50 Prozent belegt werden. Es gilt die 3G-Regel, das Tragen von medizinischen Masken auch am Platz ist vorgeschrieben.

Das freut den Verein, aber auch die BBL. Bezüglich Zuschauer-Einnahmen - die auch in der Basketball-Bundesliga einen erheblichen Teil des Saison-Etats der Vereine ausmachen – hat die BBL eine Leitlinie ausgegeben. "Nehmt, was rauszuholen ist! Wenn an einem Standort 100 Prozent erlaubt sind, dann macht dort die Halle voll", sagt Dr. Stefan Holz. Der Geschäftsführer der BBL kann sich sogar eine Vollauslastung der Basketball-Hallen unter 2G-Regeln vorstellen. Zum Wohle seiner Klubs.

In einem Punkt ist die BBL den anderen beiden Ligen trotz des späteren Saisonstarts möglicherweise einen Schritt voraus. Zum 23.9., dem Auftaktspiel zwischen Alba Berlin und den Telekom Baskets aus Bonn, werden Stand jetzt 98,7 Prozent der Spieler, der Trainer und des Umfelds (z.B. Physiotherapeuten, Ärzte, Team-Verantwortliche) vollständig geimpft sein.

Das bedeutet: Das Risiko, am Covid19-Virus zu erkranken, wird deutlich reduziert. Dies hat zur Folge, dass Quarantäne-Maßnahmen wie noch in der vergangenen Saison kaum noch ausgesprochen werden müssen. Somit sollten auch Spielverlegungen bzw. -ausfälle fast ausgeschlossen sein.