Sportpolitik | Russlands Angriff auf die Ukraine Ausschluss Russlands: Verstoß gegen internationales Sportrecht?

Stand: 04.03.2022 13:37 Uhr

Der russische Fußballverband (RFS) klagt vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS gegen seinen Ausschluss durch FIFA und UEFA. Auch das Russische Paralympische Komitee (RPC) hatte in Erwägung gezogen, dort Berufung einzulegen. Doch das internationale Sportrecht ist für solche Krisenfälle nicht vorbereitet.

Von Thorsten Poppe

Der sportliche Ausschluss wegen des russischen Angriffs auf die Ukraine ist für den russischen Fußballverband (RFS) ein Verstoß "gegen alle Standards und Prinzipien des internationalen Wettbewerbs". Die Entscheidung sei "ausdrücklich diskriminierend". Da FIFA und UEFA keine legale Grundlage für ihre Entscheidung gehabt hätten, ist der RFS am Donnerstagabend (03.03.) vor den internationalen Sportgerichtshof CAS in Lausanne gezogen.

Ziel seiner Berufung gegen den Ausschluss seien die Wiedereingliederung aller Herren- und Frauenteams in die Turniere. Darunter fällt auch die Qualifikation zur Weltmeisterschaft in Katar, teilte der Verband mit.

Sportrecht zahnloser Tiger?

Für den Präsidenten der Deutschen Vereinigung für Sportrecht (DVSR), Thomas Summerer, ist dieser Schritt keine Überraschung, weil es gegen Krieg führende Staaten und deren Sportverbände keine Sanktionstatbestände gebe: "Bedauerlicherweise haben die Sportverbände nach der Annexion der Krim hier nicht nachgerüstet", sagte Summerer.

Dennoch schätzt er die Chance auf einen Erfolg für den RFS eher minimal ein. Denn Ausschlüsse von Mannschaften, Sportlern oder gar Staaten angesichts des russischen Angriffskriegs seien trotzdem zulässig, da Frieden, Freiheit von Diskriminierung und Fair Play die höchsten Werte des Sports darstellten. Diese Werte seien von Putin mit Füßen getreten worden.

So legt beispielweise die FIFA in ihren Statuten fest, dass sie zwar politisch und religiös neutral ist (4.2 FIFA-Statuten). Ausnahmen sind allerdings in solchen Belangen möglich, die mit dem statutarischen Zweck der FIFA zusammenhängen, wie z.B. die Einhaltung der Menschenrechte (3.0 FIFA-Statuten) oder der Einsatz gegen Diskriminierung. So heißt es wörtlich darin unter Punkt 4.1: "Jegliche Diskriminierung eines Landes (…) ist unter Androhung der Suspendierung oder des Ausschlusses verboten."

Für Thomas Summerer sind dies durchaus schlüssige Punkte, um mit dem Ausschluss des RFS auch vor dem internationalen Sportgerichtshof CAS bestehen zu können: "Diese Werte sind die Geschäftsgrundlage für jeden sportlichen Wettkampf. Wer sich daran nicht hält, darf nicht mitspielen, auch wenn es unschuldige Sportler treffen mag", erklärt der Sportrechtler.

Paralympics doch mit russischen Athleten?

Auch das russische Paralympische Komitee (RPC) hatte in Erwägung gezogen, rechtliche Schritte einzuleiten, weil der vom Internationalen Paralympischen Komitee (IPC) auferlegte Bann "unbegründet" sei und dem "unpolitischen Charakter des Behindertensports" widerspreche, hieß es in einem Statement des RPC.

Kurz vor der Eröffnungsfeier der Paralympischen Spiele teilte das RPC jedoch mit, dass das russische Team Peking verlassen werde, weil es zum gegenwärtigen Zeitpunkt "nicht lohnenswert" sei, in Peking zu bleiben. Die Abreise erfolge auch, weil man keine Chancen sieht, mit einer Klage beim Internationalen Sportgerichtshof CAS Erfolg zu haben. "Es gebe durch die Satzung des IPC keine Möglichkeit, gegen den Ausschluss juristisch vorzugehen, so das russische Komitee."

IPC entschied zunächst für russische Teilnahme

In der IPC-Satzung ist nur ein Grund für einen möglichen Ausschluss niedergeschrieben: Wenn ein nationales Komitee die Mitgliedsbeiträge nicht bezahlt. Ein Angriffskrieg ist dort nicht berücksichtigt. 

Das IPC hatte sich zunächst gegen einen Ausschluss von Russland und Belarus entschieden, weil es eine solche Anfechtung befürchtet hatte, sich dann aber nach massiven Protesten der Athleten doch dazu durchgerungen. "Der Krieg wurde zu uns gebracht", begründete IPC-Präsident Parsons den Ausschluss von Russland und Belarus von den Paralympischen Spielen. Zudem hat das IPC berichtet, dass sich die Stimmung im paralympischen Dorf nach der Entscheidung, Russland teilnehmen zu lassen, deutlich verschlechtert habe.

Weiterer Ablauf im CAS-Verfahren

Die Gegenseite - in dem Fall FIFA und UEFA - erhalten nach Einreichung der Berufung die Möglichkeit zu einer Stellungnahme. Grundsätzlich soll diese binnen zehn Tagen oder kürzer erfolgen, soweit es die Umstände des Einzelfalls erforderlich machen.

"Der CAS ist unberechenbar, weil er nicht unabhängig genug ist", kritisiert DVSR-Vorsitzender Thomas Summerer den internationalen Sportgerichtshof. Als Anwalt von Olympionikin Claudia Pechstein habe er das schon mehrmals scharf angeprangert (Anm. d. Red.: Summerer hat ein CAS-Urteil über eine 2-jährige Doping-Sperre seiner Mandantin Pechstein nicht akzeptiert und ist deshalb vor ein ordentliches deutsches Gericht gezogen – teilweise mit Erfolg).

Kuwait, Jugoslawien und Südafrika waren ausgeschlossen

In der olympischen Historie sind bisher nur wenige Länder gesperrt oder ausgeschlossen worden. 2016 Kuwait zum Beispiel, weil politische Einflussnahme des Staates auf die nationalen Sportverbände wie beispielsweise das Nationale Olympische Komitee erfolgt sei. 17 internationale Verbände, darunter auch der Fußball-Weltverband FIFA, schlossen sich der Sanktion an. Allerdings hat damals das IOC festgelegt, dass kuwaitische Athleten unter neutraler Flagge teilnehmen konnten, sollten sie von ihren jeweiligen internationalen Fachverbänden eine Startberechtigung erhalten.

Als Auswirkung des Kriegs 1992 auf dem Balkan und der damit verbundenen UN-Sanktionen durfte das damalige (Rest-)Jugoslawien nicht als Land bei den Sommerspielen in Barcelona antreten. Die jugoslawischen Sportler erhielten aber die Gelegenheit, als unabhängige olympische Teilnehmer zu starten. Dagegen konnte Südafrika 1992 nach fast drei Jahrzehnten ohne eine Teilnahme bei den Sommerspielen 1992 in Barcelona sein Comeback feiern. Das Land war als Folge seiner Apartheids-Politik so lange ausgeschlossen worden.

Ein solcher Fall wie die derzeitige Invasion russischer Truppen in ein autonomes Land wie die Ukraine ist jedoch noch nie vor dem CAS behandelt worden.