Evelyn Zupke spricht

Zupke kritisiert Reaktion auf DSV-Gutachten SED-Opferbeauftragte - Ullrich nicht entlastet

Stand: 12.09.2023 11:20 Uhr

Die SED-Opferbeauftragte Evelyn Zupke hat die Reaktion des Sportausschuss-Vorsitzenden Frank Ullrich auf ein Gutachten im Zusammenhang mit dessen Doping-Vergangenheit scharf kritisiert.

Von Jörg Mebus und Josef Opfermann

Evelyn Zupke sieht Frank Ullrich durch die Expertise des ehemaligen Verfassungsrichters Udo Steiner, die der Deutsche Skiverband (DSV) in Auftrag gegeben hat, in keiner Weise entlastet. "Die zweiseitige Stellungnahme von Professor Steiner befasst sich ausschließlich mit der Arbeit einer Kommission des Deutschen Skiverbandes von 2009, die damals empfahl, von rechtlichen Schritten gegen Frank Ullrich abzusehen. Es ist sozusagen ein Gutachten über ein Gutachten", sagte Zupke der ARD-Dopingredaktion.

Ullrichs Rolle "weiter unklar"

In Steiners Stellungnahme gehe es nur darum, ob die Beweisführung der damaligen Kommission rechtsstaatlichen Anforderungen entsprochen habe, ergänzte die Bundesbeauftragte für die Opfer der SED-Diktatur. "Weder hat der Gutachter Einsicht in die unterschiedlichen Archive genommen noch neuere Erkenntnisse der letzten 14 Jahre aus der Forschung zum System des DDR-Zwangsdopings einbezogen."

Zum Inhalt der gutachterlichen Stellungnahme sagt sie: "Die Rolle von Frank Ullrich bezogen auf das Thema Doping bleibt leider weiterhin unklar." Ihr fehle das Verständnis dafür, sagte Zupke, dass Ullrich "den Eindruck probiert zu erwecken, dass dieses neue Gutachten ihn entlastet". Das gebe der Inhalt nicht her.

Zupke selbst hatte Ullrich im Mai 2022 bei einer Sitzung des Sportausschusses das Versprechen abgerungen, ein eigenes Gutachten zu seiner Vergangenheit anfertigen zu lassen und sogar Leitfragen vorformuliert. Ein von Ullrich in Auftrag gegebenes Gutachten liegt weiterhin nicht vor. Schon im vergangenen Mai hatte Zupke das Ausbleiben einer solchen Untersuchung als "höchst respektlos gegenüber seinen Abgeordnetenkollegen und mehr als beschämend gegenüber den Opfern" bezeichnet.

Stellvertreter Krämer: Fall zum jetzigen Zeitpunkt erledigt

Zupke hatte selbst in Stasi-Akten zum DDR-Doping-Staatsplan 14.25 und der Beteiligung der Biathlon-Sparte recherchiert und war zu dem Ergebnis gekommen: Dass Ullrich als Trainer "kein Wissen um das Doping, um die Verfahren" gehabt habe, halte sie für "sehr schwer vorstellbar".

Philip Krämer (Bündnis 90/Die Grünen), im Sportausschuss Ullrichs Stellvertreter, interpretiert die Sachlage derweil anders als Zupke. Auf ARD-Anfrage erklärte Krämer: "Wenn ein ehemaliger Richter des Bundesverfassungsgerichts aber als Fürsprecher auftritt und damit auch mit seinem Namen für Frank Ullrich eintritt, ist der Fall für mich zum jetzigen Zeitpunkt erledigt." Grundsätzlich halte er aber "weiterhin für sinnvoll", dass Ullrich "gerade aus Respekt vor den Betroffenen des SED-Dopingsystems" ein eigenes Gutachten anfertigen lässt. 

DSV: Keine Einflussnahme von Ullrich

In der Stellungnahme heißt es, die DSV-Kommission sei 2011 "mit nachvollziehbarer Begründung" zu dem Ergebnis gekommen, Ullrich habe "für sich die Dinge in einem unbewusst gesteuerten Verdrängungsmechanismus so zurechtgelegt, dass es sich lediglich um trainingsunterstützende Mittel handelte". Die Beweiswürdigung sei "frei von Wertungsfehlern und entspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen", so Steiner in seiner Stellungnahme, die der ARD-Dopingredaktion vorliegt.

Die Studie, die 2011 unter der Leitung des damaligen DSV-Vize und heutigen Präsidenten Franz Steinle angefertigt worden war, war immer wieder als nicht unabhängig und nicht tiefgehend genug kritisiert worden.

Weil "in den vergangenen Monaten" immer wieder auf die Studie verwiesen worden sei, habe der DSV "noch einmal aus freien Stücken die Arbeit der damaligen Kommission durch einen unabhängigen Gutachter" überprüfen lassen, teilte der DSV der ARD auf Anfrage mit. Ullrich, so sagte ein Sprecher, habe den Verband vorher diesbezüglich nicht kontaktiert.

Mit Blick auf zwei entscheidende Belastungszeugen, die ehemaligen Biathleten Jens Steinigen und Jürgen Wirth, hieß es in Steiners Beurteilung: Deren Aussagen in einer Anhörung am 25. Mai 2009 hätten "früher gegen Frank Ullrich erhobene Vorwürfe nicht glaubhaft bestätigt". Wirth sagte dem Deutschlandfunk später zur Rolle von Ullrich, er finde dessen Weigerung, zu seiner Vergangenheit zu stehen, beschämend. Für eine aktuelle Stellungnahme war er nicht erreichbar. Steinigen wollte sich auf ARD-Anfrage zu dem Sachverhalt nicht mehr äußern.