Der deutsche Handball-Nationalspieler Juri Knorr

DHB-Spielmacher im Porträt Juri Knorr schultert "Verantwortung für ein ganzes Land"

Stand: 09.01.2024 14:17 Uhr

Juri Knorr dürfte eines der Gesichter der Handball-Heim-EM werden - da sind sich die Experten einig. Der 23 Jahre alte Spielmacher hat in seiner Karriere schon viel erlebt - nicht zuletzt abseits des Parketts.

Von Florian Neuhauss

Der Moment ist jetzt. "Egal, wo wir spielen: Das wird gigantisch. Da gehe ich sehr stark von aus. Die Hallen werden voll sein. Das wird ein Erlebnis, das man als Sportler vielleicht nur einmal im Leben hat", sagt Juri Knorr mit leuchtenden Augen. Mehr als sieben Jahre ist es mittlerweile her, dass Deutschland zuletzt Europameister war. Im selben Jahr gab es Bronze bei Olympia. Aber seitdem haben die DHB-Männer nichts mehr gerissen.

Er kann vieles - auch ein absoluter Weltklasse-Spieler werden.
Bundestrainer Alfred Gislason

Das soll sich bei der Heim-EM natürlich ändern - und Knorr selbst hat viel vor. "Ich will Verantwortung übernehmen, ich will auf der Platte stehen und der Mannschaft helfen. Meine Fähigkeiten irgendwie einbringen", betont der 23-Jährige, der Fähigkeiten hat wie sonst kaum ein Zweiter in Deutschland.

Bundestrainer Gislason setzt auf seinen jungen Spielmacher

"Überragend", "Weltklasse" oder "sensationell" nennen ihn die Experten. Und auch Bundestrainer Alfred Gislason, der den gebürtigen Flensburger 2020 erstmals ins Nationalteam berief, hält große Stücke auf seinen Spielmacher: "Er kann vieles - auch ein absoluter Weltklasse-Spieler werden", sagt der Isländer in seiner gewohnt nüchternen Art: "Aber man muss ihn auch ein bisschen in Ruhe lassen, damit nicht zu viel Druck auf ihn herunterprasselt. Und man sollte nicht zu viele Schlagzeilen um ihn herum machen."

Corona-Pandemie hinterlässt tiefe Spuren

Denn auch wenn der 1,92-Meter-Athlet Knorr mit seinen langen, straßenköterblonden Haaren wie ein Sunnyboy daherkommt. Hinter der öffentlichen Fassade steckt ein sensibler Mensch, nachdenklich und privat eher zurückhaltend.

Gerade die Erfahrungen in der Corona-Pandemie haben ihn vorsichtig gemacht. Knorr infizierte sich damals früh mit dem Virus und baute Antikörper auf, ließ diese reglmäßig überprüfen. Nach ärztlicher Rücksprache entschied er sich 2021 gegen eine Impfung. "Wenn ich so darüber nachdenke, kommen schon immer wieder die Gefühle hoch, wie ausgeschlossen man sich auf einmal gefühlt hat aus der Gesellschaft", blickt Knorr zurück und fügt hinzu: "Wie einseitig die Wahrnehmung auch war. Was da auf mich eingeprasselt ist."

Bei der EM vor zwei Jahren stand Knorr im erweiterten Aufgebot, durfte als Ungeimpfter aber nicht teilnehmen. Trotzdem steht er heute nach wie vor hinter seiner Entscheidung, sagt er der Sportschau. Reporter Hendrik Deichmann hat Knorr für die Dokumentation "Juri Knorr - stiller Star auf großer Bühne" mehrfach getroffen. Der Film ist exklusiv in der ARD Mediathek abrufbar.

Knorr spielte mit 18 Jahren schon beim FC Barcelona

Knorr, für den durch seinen Vater, Ex-Profi Thomas Knorr, Handball von Kindesbeinen an zum Alltag gehörte, hat früh gelernt, eigene Entscheidungen zu treffen. Zunächst gegen den Fußball (beim großen HSV) und für den Handball: "Beim Fußball war es mit 12, 13 so, dass ich echt Druck gespürt habe. Das kannte ich in dem Alter im Handball nicht. Da hatte ich ein besseres Gefühl."

Dann mit einem ersten großen Wechsel: Gerade einmal 18 Jahre war er alt, als er aus dem heimischen Schleswig-Holstein dem Lockruf des großen FC Barcelona folgte. Zum ersten Mal von zu Hause weg musste er schnell auf eigenen Füßen stehen. In dem einen Jahr lernte er fürs Leben, im Training und Spiel mit den besten Handballern der Welt aber auch für die Karriere. Bei GWD Minden machte er ab 2019 seine ersten Bundesliga-Schritte. 2021 wechselte das Ausnahmetalent zu den Rhein-Neckar Löwen und schaffte den endgültigen Durchbruch.

Vater Thomas Knorr stolz auf die Karriere des Sohnes

"Ich musste ihn nie wirklich pushen", blickt Vater Thomas zurück, der bis zum Wechsel nach Spanien auch sein Trainer war: "Er hat immer von alleine einen sehr großen Antrieb gehabt und hat wirklich extrem viel investiert in den Sport. Neben der Schule, was ihm auch sehr wichtig war."

Juri hat es sich wirklich verdient. Ihm ist es nicht einfach in die Wiege gelegt worden. Er hat sich auch viel erarbeitet.
Vater und Ex-Profi Thomas Knorr

Der 52-Jährige, der in seiner Karriere unter anderem mit dem THW Kiel viermal deutscher Meister wurde, muss beim Gedanken an die typischen Scharmützel zwischen Sohn und Trainer-Vater unwillkürlich grinsen. Dass sein Juri es so weit gebracht hat, "hat er wirklich verdient. Ihm ist es nicht einfach in die Wiege gelegt worden. Er hat sich auch viel erarbeitet. Und dann ist man besonders stolz."

Größter Erfolg bisher: Gewinn des DHB-Pokals

Wann immer es zeitlich passt, macht sich Thomas Knorr, der in der Heimat ein Fitness- und Athletik-Studio betreibt (Motto: "Go hard or go home"), auf den Weg gen Süden, um seinen Sohn spielen zu sehen. Auch beim bisher größten Erfolg von Juri war er live mit dabei: Im Frühjahr 2023 gewannen die Rhein-Neckar Löwen angeführt von ihrem Spielmacher den DHB-Pokal.

Handballer Juri Knorr von den Rhein-Neckar Löwen jubelt mit dem DHB-Pokal

Juri Knorr reckt den DHB-Pokal in die Höhe.

Und auch in der Nationalmannschaft drückt Juri Knorr dem deutschen Spiel immer mehr seinen Stempel auf. In den ersten Jahren bei den DHB-Herren war Knorr mit Abstand der Jüngste. "Ich war häufig extrem nervös, wollte einfach meinen Job und mich nicht größer machen, als ich bin", berichtet der 23-Jährige: "Aber nach Olympia gab es einen Umbruch. Und für mich auch eine andere Rolle. Ich habe einen anderen Stellenwert in der Mannschaft. Das war ein Moment für mich zu sagen: Ich bin nicht mehr der kleine Juri."

Kumpel David Späth sieht Knorr als Vorbild

Mittlerweile gucken die jungen - oder besser: die noch jüngeren - Spieler zu ihm auf. So wie sein Kumpel und Vereinskollege David Späth. "Bei seiner letzten WM hat Juri unfassbar gespielt. Auch wenn er mal ein, zwei schlechte Aktionen hatte, hat er einfach weitergemacht. Das hat ihn ausgezeichnet", schwärmt der 21-Jährige.

Torhüter Späth weiß, wovon er spricht - ist er doch selbst bei der U21-Heim-WM im vergangenen Jahr mit Deutschland Weltmeister geworden. Und der 1,97-Meter-Mann hatte mit zahlreichen Paraden gehörigen Anteil am Titel. Als bester Keeper stand er zudem im Allstar-Team.

Deutsche Mannschaft freut sich auf das Heimturnier

Sportschau, 04.01.2024 15:45 Uhr

Auszeichnung als bester junger Spieler bei der WM 2023

Knorr ist ihm bei den Herren allerdings mindestens einen Schritt voraus, wurde bei der WM 2023 als bester junger Spieler ausgezeichnet. Und das, obwohl Deutschland schon im Viertelfinale gegen den späteren Vizeweltmeister Frankreich ausschied. "In dem Alter, Verantwortung für ein ganzes Land in der Mitte zu tragen, das ist überragend - und genauso möchte ich auch sein", betont Späth, für den "Juri das beste Beispiel ist, wie man mit der Verantwortung umgeht".

Die deutschen Handball-Nationalspieler Juri Knorr (l.) und David Späth

Juri Knorr und David Späth wollen zusammen bei den Herren Geschichte schreiben.

Und noch eines kennt das große Torwart-Talent aus nächster Nähe: Knorr hasst es zu verlieren. Egal, ob es ums Zocken an der Konsole geht, eine Partie Monopoly oder ein Match beim Trendsport Padel. "Es ist schon immer hitzig. Ich glaube, ich bin ein ziemlich unangenehmer Spielgenosse", gesteht Vollblutsportler Knorr ein: "Das ist mein größtes Laster. Aber ich hoffe, es macht den Jungs trotzdem Spaß und die lassen mich noch mitspielen."

Das Wichtigste: Bei allem Druck den Spaß nicht vergessen

Zumindest auf dem Handball-Feld wird ihm diesen Wunsch niemand verwehren. Knorr gibt auf dem Parkett schließlich selbst Rhythmus und Ton an. "Ich habe nicht immer maximales Selbstvertrauen. Aber ich habe schon tief in mir drin die Überzeugung, dass ich es gut machen kann", erklärt der Spielmacher: "Manchmal ist das Selbstvertrauen ein bisschen verschüttet und dann muss man ein bisschen tiefer graben, bis man es wiederfindet. Aber es geht darum, dass ich nie vergesse, warum ich das eigentlich mache: Weil es Spaß macht und mir Freude bereitet." Und die EM im eigenen Land, dieses "Once-in-a-lifetime"-Erlebnis, soll den Weg zum Titel weisen.