Sexismus im Sport Shorts statt Bikinihose - Strafe für Norwegens Handballerinnen

Stand: 20.07.2021 16:45 Uhr

Die norwegischen Beachhandballerinnen sind bestraft worden, weil sie bei der Europameisterschaft Shorts statt der vorgeschriebenen Bikinihosen trugen. Der Fall belebt die Diskussion über Sexismus im Sport. Der europäische Verband unterstützt den Wunsch nach einer Regeländerung.

Von Marcus Bark, Jana Sinram

Im Gegensatz zum Volleyball hat es die Sandversion im Handball noch nicht ins Programm der Olympischen Spiele geschafft. Entsprechend gering war wenige Tage vor dem Beginn des gigantischen Sportereignisses in Tokio die Aufmerksamkeit für die Europameisterschaft im Beachhandball. Das Turnier endete am Sonntag (18.07.2021) im bulgarischen Varna mit dem Endspielsieg der deutschen Mannschaft gegen Dänemark, aber davon bekam kaum jemand etwas mit.

Das Spiel um den dritten Platz fand mehr Beachtung, weil die Norwegerinnen es zu einem Protest nutzten. Sie verstießen bewusst gegen die Regeln für den Beachhandball: "Spielerinnen müssen Bikinihosen tragen, die der angehängten Abbildung entsprechen. Sie müssen körperbetont geschnitten sein, mit einem hohen Beinausschnitt. Die Seitenbreite darf höchstens 10 cm betragen."

Norwegen trat zu der letztlich gegen Spanien verlorenen Partie in etwas längeren Shorts an. Daraufhin belegte der europäische Handballverband EHF als Ausrichter jede Spielerin mit einer Strafe von 150 Euro.

"Wir machen das jetzt einfach"

"Das war eine sehr spontane Aktion", sagte die Spielerin Katinka Haltvik dem norwegischen Sender "NRK" zur Auswahl der verbotenen Shorts. "Wir haben uns gedacht: Wir machen das jetzt einfach, dann sehen wir, was passiert."

Rückendeckung erhielten die Frauen von ihrem Landesverband, der am Dienstag (20.07.2021) bei Facebook ein Foto der Mannschaft postete und dazu schrieb: "Wir sind superstolz auf diese Mädchen, die während der EM im Beachhandball ihre Stimme erhoben und deutlich gemacht haben: GENUG IST GENUG! Der Norwegische Handballverband steht hinter Euch und unterstützt Euch. Wir werden weiterhin gemeinsam dafür kämpfen, dass das internationale Regelwerk zur Bekleidung geändert wird, damit alle Spielerinnen in der Kleidung spielen dürfen, in der sie sich wohlfühlen."

Der norwegische Verband hatte die Geldstrafe in Kauf genommen und will diese für die Spielerinnen übernehmen.

Norwegischer Antrag abgelehnt

Ein Sprecher der EHF bestätigte der Sportschau, dass Norwegen vor der EM den Antrag gestellt hatte, grundsätzlich in Shorts antreten zu dürfen. Dieser Wunsch sei mit Verweis auf die vom Weltverband IHF erstellten, verbindlichen Regeln aber abgelehnt worden. Es habe aber nicht, wie von norwegischer Seite behauptet und in einigen Medien zu lesen war, die Drohung einer Disqualifikation gegeben, so der Sprecher der EHF.

Spielerin Haltvik sagte NRK, dass es in ihrer norwegischen Mannschaft sehr wohl die Befürchtung gegeben habe, vom Turnier ausgeschlossen zu werden. Daher sei auch zunächst verworfen worden, kreative Tipps anzunehmen: "Zum Beispiel mit Bodypaintings zu protestieren. Wir haben wirklich darüber nachgedacht, aber fühlten uns vom Reglement bedroht."

Kritik auch in anderen Sportarten

Die Bekleidungsregeln haben schon häufig bei Sportlerinnen Kritik hervorgerufen und Debatten über Sexismus angestoßen. "Schönes Turnen hat nichts damit zu tun, dass man das auch geil findet", sagte Turnerin und Olympiateilnehmerin Elisabeth Seitz dem SWR. Sie wird in Tokio vermutlich in einem Anzug antreten, der auch die Beine bedeckt. Der SWR hatte im Frühjahr eine aufwändige Umfrage in Auftrag gegeben, die zum Ergebnis führte, dass 36 Prozent der Teilnehmerinnen schon Sexismus im Sport erlebt hatten.

Die deutsche Beachvollyballerin Karla Borger sagte dem Sportinformationsdienst, dass es bei den Bekleidungsregeln "nicht vorrangig um Sexismus oder Sexualisierung", sondern darum gehe, "frei entscheiden zu können, worin fühle ich mich wohl".

IHF könnte Regeländerung im November beschließen

Diese Wahl haben die Beachhandballerinnen eben nicht. Auf Initiative des norwegischen Verbandes will die EHF aber beim Weltverband darauf drängen, dass sich das ändert. Eine neugewählte Beachhandball-Kommission, die erstmals im August tagen werde, soll Vorschläge zu einer Regeländerung erarbeiten und dem Weltverband vortragen, der dann darüber zu entscheiden habe.

Norwegens Verbandspräsident Kaare Geir Lio sagte der Sportschau: "Wir hoffen sehr darauf, dass die IHF einen konkreten Vorschlag erhält." Auf dem Kongress des Weltverbandes, der für November 2021 angesetzt ist, könne dann über eine Regeländerung im Sinne der Norwegerinnen entschieden werden, die laut Katinka Haltvik breite Unterstützung auch in anderen Nationen finden dürfte: "Wir hatten alle anderen Teams hinter uns, und die Fans auf den Tribünen haben uns angefeuert. Letztlich tragen wir die Hauptlast für alle anderen. Nicht alle Mannschaften können sich solche Geldstrafen leisten."

DHB befindet sich "im Austausch" mit Beachhandballerinnen

Der Deutsche Handball-Bund (DHB), dessen Frauenmannschaft regelkonform in Bikinihosen angetreten war, teilte auf Sportschau-Anfrage mit, die Kleiderordnung beim EM-Turnier sei "als Teil des Regelwerks" akzeptiert worden.

"Wir vertreten die Ansicht, dass Sportbekleidung grundsätzlich nicht nur einheitlich, sondern auch funktionell sein muss", ließ DHB-Sprecher Tim Oliver Kalle wissen. Der DHB befinde sich angesichts der Diskussion um die Kleiderordnung "im Austausch mit unserer Frauen-Nationalmannschaft Beachhandball", vertrete deren Interessen und beteilige sich "aktiv in den geeigneten Formaten".