Joe Lewis bei einem Spiel seines Klubs Tottenham Hotspur.

Klubchef angeklagt Insiderhandel von Tottenhams Besitzer - "Das kann niemals jemand sehen"

Stand: 26.07.2023 21:06 Uhr

Joe Lewis, Besitzer von Tottenham Hotspur, wird in den USA wegen Insiderhandel angeklagt. Das kann für Lewis Folgen haben - aber auch für den Klub.

Die Mannschaft von Tottenham befindet sich auf Asienreise, derzeit ist sie in Singapur. Doch der 5:1-Sieg im Testspiel gegen Lion City Sailors, Vizemeister Singapurs und Teilnehmer der asiatischen Champions League, geriet am Mittwoch (26.07.2023) schnell in den Hintergrund. Denn auf der anderen Seite des Planeten wurde Tottenhams Eigentümer, Joe Lewis, vor große Probleme gestellt. Er wird in den USA wegen Insiderhandel mit Aktien angeklagt.

Staatsanwalt: "Es ist Betrug. Und es ist gegen das Gesetz"

Damian Williams, Staatsanwalt im Southern District von New York, warf Lewis ein "System von dreistem Insiderhandel" vor. Lewis habe Zugang zu den Vorstandsetagen von Unternehmen gehabt und so ihm nahestehenden Personen wiederholt mit Informationen versorgt, wodurch Gewinne in Millionenhöhe beim Aktienhandel entstanden sein sollen.

"Nichts davon war notwendig, Joe Lewis ist ein wohlhabender Mann", sagte der Staatsanwalt. "Er nutzte Insiderinformationen, um seine Angestellten zu entlohnen oder seine Freunde und Liebhaberinnen mit Geschenken zu überhäufen", fuhr Williams fort: "Das ist klassische Unternehmenskorruption. Es ist Betrug. Und es ist gegen das Gesetz."

Lewis bestreitet die Vorwürfe. Seine Verteidigung sprach von einer "schwerwiegenden Fehleinschätzung" der Anklage, Lewis sei ein Mann von "tadelloser Integrität". Lewis, dessen Vermögen laut "Forbes-Magazin" auf sechs Milliarden Euro geschätzt wird, erschien am Mittwoch vor dem Gericht und plädierte auf nicht schuldig. Er wurde gegen eine Kaution von 300 Millionen US-Dollar freigelassen.

WhatsApp-Chat: "Das kann niemand jemals sehen"

In der Anklage werden erhebliche Summen genannt. So soll eine Freundin von Lewis 849.000 US-Dollar mit den Insidergeschäften gemacht haben. Ein anderes Beispiel: Zwei Piloten seines Privatflugzeugs sollen von Lewis jeweils 500.000 US-Dollar geliehen bekommen haben, um damit "so schnell wie möglich" Aktien einer Firma zu kaufen. Die Anklage zitiert aus einem Messenger-Chat: "Die Konversation ist verschlüsselt, alles ist gut. Das kann niemals jemand sehen."

Lewis werden nun Kapitalanlagebetrug und Verschwörung in mehreren Fällen zwischen 2013 und 2021 zur Last gelegt. Die Höchststrafe bei einigen der Vergehen beträgt 25 Jahre Gefängnis.

Die Regeln: Korruption führt zum Ausschluss von Eigentümern

Tottenham Hotspur teilte laut BBC mit, dass "die rechtliche Angelegenheit" den Klub nicht betreffe. Doch die Regeln der Premier League besagen seit einer Verschärfung im März, dass eine Person von der Tätigkeit als Eigentümer "ausgeschlossen werden muss, wenn eine Verurteilung wegen Korruption vorliegt". Steht Tottenham also im Falle einer Verurteilung seines Besitzers zum Verkauf?

Die genaue Eigentümerschaft von Tottenham ist komplex. Mehrheitseigentümer des Klubs mit 85 Prozent der Anteile ist die britische Investmentfirma ENIC, die auf den Bahamas registriert ist. Diese Firma gründete einst Joe Lewis. Ihm gehört auch die Investmentgruppe Tavistock, die wiederum 70,6 Prozent der Anteile an ENIC besitzt. Die restlichen 29,4 Prozent Prozent besitzt Tottenhams Klub-Präsident Daniel Levy mit seiner Familie.

Daniel Levy, Präsident von Tottenham Hotspur

Daniel Levy, Präsident von Tottenham Hotspur

Änderung im Handelsregister - wem gehört Tottenham?

Im britischen Handelsregister ließ sich Lewis im Oktober 2022 als die Person, die Tottenham kontrolliert, entfernen. Der Klub wird nun offiziell von einem Anwalt und einer Finanzmanagerin aus den Bahamas kontrolliert. Das hängt auch mit Lewis' Alter von 86 Jahren zusammen, der Klub wird zwangsläufig irgendwann in andere Hände gehen müssen. Auch wenn Lewis in der Realität die entscheidende Person ist, gehört der Klub technisch also gar nicht ihm.

Nachfragen könnten trotzdem kommen. Die Aktionärsinformationen auf Tottenhams Internetseiten besagen: Eine Familienstiftung, die bestimmten Mitglieder der Familie von Joe Lewis zuzuordnen ist, "besitzt letztendlich 70,12 Prozent des Aktienkapitals von ENIC". Um Tottenham gab es zuletzt Berichte zu einer möglichen Übernahme aus Singapur und aus Katar. Ein Investor aus Katar versucht mittlerweile allerdings, Manchester United zu kaufen.

Lewis soll den Präsidenten angewiesen haben, bei Kane aktiv zu werden

Lewis spielt eine Rolle beim möglichen Transfer von Harry Kane zu Bayern München. Kanes Vertrag läuft 2024 aus, in einem Jahr wäre er ablösefrei. Lewis soll Tottenhams Präsidenten Daniel Levy deshalb angewiesen haben, Kane zu verkaufen, wenn dieser seinen Vertrag nicht verlängern will.

Der Transfermarkt unter den Spitzenklubs befindet sich in der Stürmerfrage derzeit jedoch etwas im Stillstand. Von der Zukunft Kylian Mbappés hängt ab, welcher Klub wann welche Mittel zur Verfügung haben wird. Kanes Optionen neben Bayern München könnten deshalb auch Paris Saint-Germain oder Manchester United lauten.

Harry Kane von Tottenham Hotspur

Harry Kane von Tottenham Hotspur

Was Insiderhandel ist und warum er verboten ist

Von einem Insiderhandel wird gesprochen, wenn jemand geheime Informationen aus börsennotierten Unternehmen nutzt, um sich zu bereichern. Insiderinformationen können beispielsweise Personalveränderungen, technologische Entwicklungen oder Übernahmeangebote sein. Wer so etwas vorher weiß, kann entsprechend mit seinen Aktien handeln, bevor andere das wissen.

Verboten ist die Nutzung der Informationen beim Handel deshalb, weil das zu Nachteilen von anderen Marktteilnehmern führen kann, die nur öffentlich zugängliche Informationen haben. Dadurch ist eine Marktmanipulation möglich. Auch in der Europäischen Union ist Insiderhandel eine Straftat.

Lewis kaufte Tottenham 2001 - und gewann bisher wenig

Lewis übernahm Tottenham 2001. Sportliche Erfolge gab es nur wenige. Nur den Ligapokal 2008 holte der Klub unter Lewis. 2019 hatten die "Spurs" eine besonders erfolgreiche Phase, als sie das Finale der Champions League erreichten, dort aber in Madrid 0:2 gegen Liverpool verloren.

Eine Grundlage für die Zukunft schaffte er: Der Klub riss die White Hart Lane ab und baute ein neues Stadion für mehr als 62.000 Fans. Für den Bau wurden zunächst 400 Millionen Pfund veranschlagt, am Ende kostete es rund eine Milliarde. Doch dadurch hat der Klub einen hohen Schuldenstand von 600 Millionen Pfund und muss zudem in der kommenden Saison erstmals seit 2009 auf Europapokaleinnahmen verzichten, weil das Team nur Tabellenachter wurde.

Das Stadion von Tottenham Hotspur

Das Stadion von Tottenham Hotspur