Fußball | Nations League Nations League: Luis Enrique - mit Umsicht zum Erfolg

Stand: 06.10.2021 13:53 Uhr

Luis Enrique bläst seit dem Neuanfang im spanischen Nationalteam viel Wind ins Gesicht. Und das, obwohl der Coach die "Furia Roja" sowohl bei der EM als auch in der Nations League ins Halbfinale geführt hat.

Vielleicht sind sie etwas verwöhnt in Spanien. Dass das Nationalteam zuletzt bei der Europameisterschaft im Halbfinale am späteren Champion Italien im Halbfinale unglücklich im Elfmeterschießen scheiterte und jetzt in der Nations League die realistische Chance hat, wieder um den Titel zu spielen - im Übrigen ausgerechnet gegen die Italiener (Mittwoch, 06.10.21, 20.45 Uhr, Liveticker bei sportschau.de) - scheint in der öffentlichen Wahrnehmung kaum eine Rolle zu spielen.

Die Erwartungen im Land der Serien-Champions- und Serien-Europa-League-Sieger sind ungebrochen hoch. Auch wenn das einstige Flaggschiff, der FC Barcelona, aktuell allenfalls europäische Zweitklassigkeit repräsentiert und Real Madrid im Umbruch steckt. Außerdem liegt über den Erfolgen der "goldenen Generation" in der Nationalmannschaft bereits eine unübersehbare Staubschicht.

"Verjüngungskur", die keine ist

Als Luis Enrique 2019 nach privater Pause zum zweiten Mal das Amt des Nationaltrainers übernahm, stand der heute 51-Jährige vor derselben Aufgabe, vor der üblicherweise alle neuen Trainer stehen: Das Team stabilisieren und für die Zukunft rüsten. Von einer "Revolution" und einer "Verjüngungskur" sprachen die spanischen Zeitungen vor dem Start der aktuellen Nations League - weil Enrique sieben neue Spieler nominiert hatte.

Im ersten Spiel in Deutschland standen dann allerdings mit unter anderem Sergio Ramos, Daniel Carvajal, Sergio Busquets, Thiago oder Keeper David de Gea Routiniers auf dem Feld, die nie den Verdacht aufkommen ließen, dass Enrique "junges Gemüse" in die Zeit vor der EURO 2020 schicken will. Einzig Angreifer Ferran Torres war damals an diesem 3. September 2020 jünger als 24 Jahre, die restlichen Spieler mehrheitlich um die 30. Aber gerade jener Torres war Hauptverantwortlicher für die 0:6-Demütigung der DFB-Elf. Jener Torres steht beispielhaft für die behutsame Aufbauarbeit, die der Cheftrainer leistet.

Der nächste 17-Jährige wartet

Leipzigs Dani Olmo, die Abwehrspieler Eric Garcia, Sturmkollege Torres von Manchester City, Verteidiger Óscar Rodriguez oder Keeper Unai Simón wurden an die Mannschaft herangeführt, erhielten Einsatzzeiten und sammelten an der Seite ihrer älteren Kollegen Erfahrung auf internationaler Ebene. Das gleiche galt und gilt für Ansu Fati, dem Wunderknaben des FC Barcelona. Allerdings kam der damals 17-Jährige bei vier Einsätzen nur auf 249 Minuten Spielzeit im Nationalteam, schoss immerhin ein Tor. Dann kam eine Meniskusverletzung, die den Youngster fast ein Jahr außer Gefecht setzte. Erst kürzlich gab die neue Nummer 10 beim FC Barcelona sein Comeback.

Doch nun stehen die nächsten Jungspunde an der Seitenlinie: Barcelonas Gavi könnte bei einem Einsatz gegen Italien mit 17 Jahren und 60 Tagen zum jüngsten "La Roja"-Akteur aller Zeiten werden. Stellvertretend für alle Kritiker sagte etwa Ex-Nationaltrainer Javier Clemente: "Ich hätte niemals einen 17-Jährigen berufen." An Enrique prallen derlei Rufe ab: "Ich kenne ihn schon lange, weil er in La Masia (Jugendakademie des FC Barcelona, d. Red.) war und dort einer der Leader ist", wird Enrique vom kicker zitiert, "er muss noch wachsen, aber mit und ohne Ball trägt er wichtige Dinge bei. Ich möchte ihn persönlich kennenlernen."

Verletztenliste ist lang

Immer wieder wird dem früheren Spieler und Trainer des FC Barcelona vorgeworfen, den Katalanen zu nahe zu sein. So stößt es vor allem den Real-Madrid-Fans sauer auf, dass von ihrem Verein kein einziger Spieler für die Nationalmannschaft nominiert wurde. Dani Carvajal ist verletzt - und dann gingen Enrique die Real-Ideen aus: "Welche Spieler von Real Madrid hätte ich denn nominieren sollen?", fragte er zuletzt vor Journalisten. Auch die konnten keinen Vorschlag machen - zumal in der Stammformation der Madrilenen kaum noch Spanier auftauchen.

Bei seiner Rückkehr nach Italien muss Enrique, der 2011/12 die AS Rom trainierte, unter anderem auf Álvaro Morata, Gerard Moreno, Jordi Alba, und Marcos Llorente verzichten. Etwas überraschend nicht im Aufgebot ist Fabian Ruiz, der mit dem SSC Neapel als verlustpunktfreier Tabellenführer der Serie A einen Höhenflug erlebt.

"Das ist ein Wettbewerb, den wir gerne gewinnen würden", sagte der Trainer vor der Revanche gegen Italien, das seinerseits mit der fast unglaublichen Serie von 37 Spielen ohne Niederlage vor heimischer Kulisse auftritt. Ob Enrique in der derzeitigen Verfassung des spanischen Fußballs gegen die favorisierten einen Blumentopf gewinnen kann? Im Endspiel am Sonntag (10.10.2021, live im Ersten) wartet auf den Sieger des Revanche-Duells der Gewinner der zweiten Halbfinal-Partie Belgien gegen Frankreich.

Das spanische Aufgebot

Tor: Unai Simon (Athletic Bilbao), David De Gea (Manchester United), Robert Sanchez (Brighton)
Abwehr: Cesar Azpilicueta (Chelsea), Pedro Porro (Sporting Portugal), Eric García (Barcelona), Aymeric Laporte (Manchester City), Inigo Martínez (Bilbao), Pau Torres (Villarreal), Sergio Reguilon (Tottenham), Marcos Alonso (Chelsea)
Mittelfeld: Rodri Hernandez (Manchester City), Sergio Busquets, Sergi Roberto, Gavi (alle Barcelona), Koke (Atletico Madrid), Mikel Merino (Real Sociedad)
Angriff: Pablo Fornals (West Ham), Bryan Gil (Tottenham), Ferran Torres (Manchester City), Pablo Sarabia (Sporting Lissabon), Mikel Oyarzabal (Real Sociedad), Yeremy Pino (Villarreal)