Real Madrids Vinicius Jr. ist während des Spiels gegen Valencia rassistisch beleidigt worden

Vinicius Junior rassistisch beleidigt Erneuter Rassismus in La Liga - Der Druck wächst

Stand: 22.05.2023 17:32 Uhr

Das Spiel zwischen dem FC Valencia und Real Madrid geriet wegen rassistischer Beleidigungen außer Kontrolle. Reals brasilianischer Stürmer Vinicius Jr. sagt: "Rassismus ist in La Liga normal."

Von Luis Hartmann

Mit weit aufgerissenen Augen steht Vinicius Junior vor den Zuschauerrängen des Estadio Mestalla. Immer wieder zeigt er auf einen bestimmten Fan. Eine Traube von Spielern bildet sich um ihn. Teilweise liefern sich die Spieler heftige Wortgefechte mit den Valencia-Fans. Der deutsche Nationalspieler Antonio Rüdiger ist darum bemüht, für Ordnung zu sorgen, muss seinen Teamkollegen Vinicius zwischenzeitlich sogar festhalten. Die hitzige Partie gerät spätestens zu diesem Zeitpunkt außer Kontrolle. Sie mündet in einer 17-minütigen Nachspielzeit und einen 1:0-Sieg für Valencia – doch das ist am Ende nur Nebensache.

Vinicius Junior, häufig nur "Vini" genannt, war im Vorfeld der beschriebenen Szene offenbar Opfer rassistischer Beleidigungen geworden. Das war in der Vergangenheit bereits häufiger passiert: "Es war weder das erste noch das zweite noch das dritte Mal. Rassismus ist in La Liga normal. Die Konkurrenz hält es für normal, der Verband auch und die Gegner ermutigen es", schrieb der Stürmer auf Twitter. Er bezeichnete Spanien zwar als "wunderschöne Nation, die ich liebe", jedoch habe er für das, was Woche für Woche passiert, keine Verteidigung mehr.

Liga will Vorfälle untersuchen – Staatsanwaltschaft ermittelt

Auf Twitter liefern sich Vinicius und der Präsident der Liga, Javier Tebas, nun einen privaten Streit. Zunächst reagierte Tebas auf Vinicius' Äußerungen: Bevor Vinicius kritisiere und verleumde, müsse er sich richtig informieren, so Tebas. Er warf dem 22-Jährigen vor, dass der zu keinem Termin mit der Liga erschienen sei, um über die Rassismus-Vorfälle zu sprechen. Darauf attackierte Vinicius den Präsidenten scharf und forderte Taten. Auch darauf antwortete wiederum Tebas: Man könne nicht zulassen, dass das Image eines Wettbewerbs geschädigt werde, "der vor allem ein Symbol der Vereinigung zwischen den Völkern ist". Zudem führte er Punkte an, die die Liga bereits gegen Rassismus unternehme.

Die spanische Liga will den aktuellen Vorfall untersuchen: "Wenn ein Hassverbrechen festgestellt wird, wird La Liga die entsprechenden rechtlichen Schritte einleiten", heißt es in einem Statement. Real Madrid reichte das offenbar nicht aus: In einer Vereinsmittelung verurteilte der Klub die Vorfälle scharf und stellte wegen Hassverbrechens und Diskriminierung Anzeige bei der Staatsanwaltschaft. Diese hat bereits ihre Ermittlungen aufgenommen.

Ancelotti: "Die Liga hat ein Problem"

Real-Trainer Carlo Ancelotti äußerte sich nach der Partie deutlich: "Das ist inakzeptabel. Die spanische Liga hat ein Problem mit Rassismus - ein sehr ernstes Problem." Es müsse mit dem Reden aufgehört und stattdessen gehandelt werden, schrieb er in einem Instagram-Post. Aus seiner Sicht wäre demnach auch ein Abbruch der Partie notwendig gewesen: "Das ganze Stadion ist verrückt geworden."

Einen Spielabbruch brachte auch FIFA-Präsident Gianni Infantino ins Spiel, der seine Solidarität mit Vinicius Junior bekundetet. FIFA und UEFA haben für Rassismus-Vorfälle einen Drei-Stufen-Plan, die sie für alle Ebenen des Fußballs empfehlen. Im ersten Schritt wird das Spiel unterbrochen und mit einer Stadiondurchsage das Publikum aufgefordert, das Verhalten sofort zu unterlassen. Im nächsten Schritt kann der Schiedsrichter die Partie für einen längeren Zeitraum unterbrechen und die Mannschaften in die Kabinen schicken. Halten die Beleidigungen und Diskriminierungen an, kann das Spiel abgebrochen werden.

Spiel läuft weiter – Vinicius fliegt vom Platz

Zu einem Spielabbruch kam es gestern nicht. Zwar war die Partie nach den Tumulten zeitweise unterbrochen und der Stadionsprecher forderte die Fans auf, die Beleidigungen zu unterlassen, jedoch kehrte bis zum Abpfiff keine Ruhe ein. Der sichtlich überforderte Schiedsrichter Ricardo de Burgos zeigte Vinicius Junior in der siebten Minute der Nachspielzeit nach einer Tätlichkeit die Rote Karte. Der Brasilianer hatte in einer weiteren Rudelbildung einen Gegenspieler mit der Hand im Gesicht weggestoßen.

Doch das ist zusammen mit der Niederlage von Real, die auch den Verlust von Platz zwei an Lokalrivalen Atlético bedeutete, nur eine Randnotiz. Sogar der brasilianische Präsident, Luiz Inácio Lula, äußerte sich am Rande des G7-Gipfels zu den Vorfällen. "Es ist nicht möglich, dass fast in der Mitte des 21. Jahrhunderts rassistische Vorurteile in mehreren Fußballstadien in Europa an Stärke gewinnen", sagte Lula. Zuspruch und Solidarität erhielt Vinicius außerdem vom Teamkollege Toni Kroos bei Twitter und dem brasilianischen Ex-Weltfußballer Ronaldo, der
"Tatenlosigkeit bei Verband und Verantwortlichen" sieht.

Auch durch diese Aussagen steigt der Druck auf die Verantwortlichen der Liga. Und dass Real Madrid nun selbst rechtliche Schritte einleitet, verschärft die Situation zusätzlich. Allein gegen Vinicius war es der achte dokumentierte Vorfall von Fremdenhass in dieser Saison. Die Liga-Verantwortlichen – allen voran Präsident Tebas – müssen nun zeigen, dass sie das Rassismus-Problem tatsächlich ernst nehmen.