Die französischen Nationalspielerinnen Wendie Renard und Marie-Antoinette Katoto.

Warten auf den ersten Titelgewinn Frankreichs Sehnsucht nach einem großen Erfolg

Stand: 10.07.2022 09:07 Uhr

Die französische Fußball-Nationalmannschaft der Frauen hat bei einer WM oder EM noch nie triumphiert. Auch in diesem Jahr ist viel individuelle Klasse im Kader vorhanden. Die Frage ist aber, ob die Spielerinnen der nicht unumstrittenen Trainerin Corinne Diacre unter Druck als Team funktionieren?

Zwölf Fußball-Europameisterschaften der Frauen hat es seit 1984 gegeben - mit Deutschland (8), Norwegen (2), Schweden und den Niederlanden trugen sich bisher aber nur vier Nationen in die Siegerliste ein. Das will Frankreich bei dem seit Mittwoch (06.07.22) in England laufenden 13. Turnier nur zu gerne ändern.

Die von Corinne Diacre trainierten "Les Bleues" gehören zum Kreis der Mitfavoriten, auch wenn die Weltranglisten-Dritten bisher noch nie einen großen Titel gewonnen haben. Platz vier bei der WM 2011 war der bisher größte Erfolg. Bei den letzten drei EM-Turnieren 2009, 2013 und 2017 sowie den Weltmeisterschaften 2015 und 2019 schieden sie sogar jeweils im Viertelfinale aus, und bei den Olympischen Spielen in Tokio im vergangenen Sommer waren sie gar nicht dabei.

Vorrundengegner Italien, Island und Belgien sind "machbar"

Doch die "Equipe Tricolore" will nicht zurückschauen, sondern durchstarten. "Wir werden versuchen, den Fluch des Viertelfinales zu brechen, um so weit wie möglich zu kommen. Denn wir sind ein Team, das einen Titel verdient hat", sagte die treffsichere Stürmerin Marie-Antoinette Katoto der "L'Equipe".

In Vorrundengruppe D wartet zum Auftakt heute (10.07.22 / 21 Uhr MEZ / live auf sportschau.de) im New York Stadium in Rotherham als erster Gegner Italien, danach geht es gegen Belgien (14.07.22 / 21 Uhr MESZ / live im Ersten und auf sportschau.de) und Island (18.07.22 / 21 Uhr MESZ). Bei diesem Programm ist die Viertelfinal-Teilnahme ein Muss.

Dort aber müssen die Französinnen spätestens in Bestform sein - als mögliche Gegnerinnen könnten ihnen nämlich ansonsten Titelverteidiger Niederlande oder die ebenfalls zum Favoritinnen-Kreis zählenden Schwedinnen vorzeitig die Fahrkarte nach Hause überreichen. Andererseits: Überstehen "Les Bleues" das Viertelfinale (es wäre erst der dritte Sieg in einem K.o.-Rundenspiel überhaupt), dann haben sie auch das Zeug zum ganz großen Wurf.

Frankreich eilt von Sieg zu Sieg

Dass Frankreich so optimistisch ins Turnier in England geht, hat mehrere Gründe. Einer davon sind die starken Vorstellungen der Nationalmannschaft in der Qualifikation zur EM. Die von der 1,87 m langen Kapitänin Wendie Renard organisierte Abwehr kassierte in den acht Partien kein einziges Gegentor, die Offensive sorgte für 44 eigene Treffer. Nur Spanien (48) und Deutschland (46) erzielten - bei gleicher Spielanzahl - mehr.

Seit April 2021 gewann Frankreich 13 Partien in Folge. Und seit Trainerin Diacre die Mannschaft vor fünf Jahren übernahm, kassierte sie nur fünf Niederlagen. Diese Statistiken dürften die Gegnerinnen auf jeden Fall beeindrucken.

Die französischen Nationalspielerinnen Wendie Renard und Marie-Antoinette Katoto.

Verteidigerin Wendie Renard gilt als "verlängerter Arm" von Trainerin Corinne Diacre auf den Feld.

Kader-Auswahl von Trainerin Diacre ist umstritten

Und dennoch gab es im Vorfeld des Turniers Unruhe im französischen Lager. Diacre verzichtete in ihrem Aufgebot auf Starspielerinnen wie die Champions-League-Siegerinnen Amandine Henry und Eugenie Le Sommer (Frankreichs Rekordtorschützin) von Olympique Lyon. Auch Viviane Asseyi von Bayern München sowie die PSG-Spielerinnen Elisa De Almeida und Kheira Hamraoui sind in England nicht mit dabei.

Die Trainerin steht angesichts dieser Personalentscheidungen unter einem gewissen Druck, laute und kritische Stimmen gab es in der Heimat genug. Äußerlich zeigt sich die Fußballlehrerin davon unbeeindruckt: Ein internationaler Titelgewinn des Frauen-Teams fehle "so sehr" - also seien sie und ihr Team bereit, die Sache nun anzugehen.

Im 4-3-3-System wird offensiv agiert

Diacre, die als erste Frau eine Mannschaft in den ersten beiden Klassen des französischen Männerfußballs trainierte, kann den kommenden Tagen auch recht zuversichtlich entgegen sehen. Der Frankreich-Kader ist - vor allem mit Spielerinnen aus Lyon und Paris - stark besetzt. Er bietet eine Mischung aus erfahrenen Routiniers, einigen Talenten - und einem Topstar in der Offensive. Im 4-3-3-System sollen die Gegner mit schnellen und variablen Angriffen unter Druck gesetzt werden.

Hinten räumt Renard auf - vorne will Katoto treffen

Neben der 31 Jahre alten Abwehrchefin Renard, die mit Lyon in der abgelaufenen Saison im Mai ihren achten Champions-League-Titel gewann, ist Stürmerin Katoto das Gesicht der Mannschaft. Die 23-Jährige von Paris Saint-Germain schoss acht Tore in der EM-Qualifikation. In diesem Jahr hat sie bereits Doppelpacks gegen Brasilien und die Niederlande erzielt. Insgesamt kommt Frankreichs "Spielerin des Jahres" bislang auf 25 Tore in 30 Länderspielen.

Bei ihrem ersten großen Turnier auf internationaler Bühne will sie nun für Furore sorgen. Unterstützt wird Katoto in der Offensive zum Beispiel von Kadidiatou Diani, Delphine Cascarino oder Melvine Mallard, die im Aufbau und Angriff für das nötige Tempo sorgen. Die individuelle Klasse in Frankreichs Kader ist zweifellos groß. In England aber wird sich zeigen, ob Trainerin Diacre es schafft, aus den 23 Spielerinnen ein titelreifes Team zu formen. Ausgang der Mission: ungewiss.

Die Französin Marie Antoinette Katoto

Marie-Antoinette Katoto spielt in England ihr erstes großes internationales Turnier.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 09.07.2022 | 17:45 Uhr