Frauenfußball | Karriere Almuth Schult erwägt Karriereende

Stand: 23.12.2021 08:18 Uhr

Das wäre ein Paukenschlag: Fußball-Nationaltorhüterin Almuth Schult erwägt offenbar, bereits im Sommer aufzuhören. Die Zwillingsmutter und Sportschau-Expertin will sich über Weihnachten entscheiden.

Fußball-Nationaltorhüterin Almuth Schult vom VfL Wolfsburg denkt über ein Karriereende nach dieser Saison nach. "Was nächstes Jahr passiert - darüber mache ich mir Weihnachten Gedanken", sagte die 30-Jährige.

Ihr Vertrag mit dem VfL läuft nach dieser Saison aus. "Spiele ich in Wolfsburg weiter, spiele ich woanders weiter, spiele ich vielleicht gar nicht mehr weiter? Dazu kann ich bislang noch nichts sagen. Ich habe ein Angebot erhalten, meinen Vertrag in Wolfsburg zu verlängern. Wir müssen uns jetzt klar werden, was für die Familie am besten ist", sagte Schult. Bei den Männern hätten Fußballprofis "genug finanzielle Rücklagen, um ihre familiäre Situation zu händeln. Bei uns ist das nicht möglich."

Zumindest für die Öffentlichkeit ist 2021 Schults Jahr. Als ARD-Expertin bei der Männer-EM wurde sie im Sommer hochgelobt. Als Mitgründerin der Initiative "Fußball kann mehr" fordert sie mehr Geschlechtergerechtigkeit im deutschen Fußball und ganz konkret eine Frauenquote für die Führungsebenen von Verbänden und Proficlubs. Im April gab die ehemalige Welttorhüterin zudem - nur ein Jahr nach der Geburt ihrer Zwillinge - ihr Comeback in der Bundesliga.

Doch Schults Erkenntnis selbst am Ende eines so bedeutenden Jahres ist nicht: Wir haben schon viel angestoßen. Sondern: "Es gibt noch viel zu tun." Das gilt für die Vereinbarkeit von Familie und Karriere genauso wie für den Einfluss von Frauen im Spitzenfußball. Eigentlich müsste sie für das Präsidentenamt beim Deutschen Fußball-Bund (DFB) kandidieren, sagte Schult. "Als Verbandspräsidentin in einem Ehrenamt würde ich in Deutschland mehr verdienen als jede aktive Spielerin."

Funktionärskarriere kann noch warten

Zumindest bei der Wahl im März 2022 ist das aber noch kein Thema. Zum einen, weil ihr als noch aktive Spielerin die Zeit dafür fehlt. Und zum anderen, weil diese Wahl nach Schults Überzeugung schon längst auf die alte und überkommene Weise entschieden wurde.

Im Mai trat Fritz Keller als DFB-Präsident zurück. Im selben Monat gründeten Schult, die ehemalige HSV-Vorständin Katja Kraus, die Schiedsrichterin Bibiana Steinhaus-Webb und andere Frauen die Initiative "Fußball kann mehr". Einer ihrer ersten Vorschläge war, den von Machtkämpfen zerrütteten DFB künftig von einer Doppelspitze leiten zu lassen.

Der Fußball hat viel Kredit verspielt

"Schon das wurde kategorisch ausgeschlossen", sagte Schult, weshalb ihr Netzwerk nach einem eigenen Team für die Präsidentschaftswahl am 11. März suchte. "Wir haben den Willen. Aber dieser Wille wurde sehr getrübt durch die Nachricht, dass sich die Landesverbände bereits auf Bernd Neuendorf geeinigt haben. Damit ist die Wahl praktisch gelaufen", sagte Schult. "Wir haben gehofft, dass der DFB-Bundestag für einen Aufbruch steht. Aber offenbar will man den Weg weitergehen, den man in den letzten Jahrzehnten gegangen ist."

Dabei gebe es genau dafür "ein Momentum in der Gesellschaft", sagte Schult. "Und das ist: Wir wollen etwas verändern. Wir wollen mehr Mitbestimmung. Es geht um Respekt und Gerechtigkeit.» Für ihren Sport habe das zur Folge: "Der Fußball hat viel Kredit verloren."

VfL Wolfsburg würde sie gerne halten

Dass zahlreiche Mitglieder des FC Bayern München das Thema Menschenrechte diskutieren wollten, aber die Führung des Vereins die Katar-Debatte abwürgte. Oder dass viele Fans während der Corona- Krise in Kurzarbeit mussten, aber einige Topgehälter teilweise weiter stiegen: All das seien Signale, "die man nicht übersehen sollt", wie Schult sagt. Und mehr Frauen, mehr Diversität, mehr Blickwinkel an den entscheidenden Stellen des Fußballs würden ihrer Meinung nach dafür sorgen, "dass man solche Signale auf jeden Fall erkennt".

Sie selbst hat sich in diesem Jahr eine Menge Optionen geschaffen: eine Fernsehkarriere. Eine Führungsposition im Fußball. Eine Trainerlizenz hat Schult ebenfalls erworben. Auch der VfL Wolfsburg würde gern noch mit ihr weiterarbeiten, denn auch sportliche Ziele gäbe es noch genug: Den Meistertitel vom FC Bayern zurückzuerobern oder die WM 2023 in Australien und Neuseeland zu spielen.

Starke Leistungen im Verein

Beim VfL Wolfsburg hofft man, dass die meinungsstarke Torhüterin ihre Laufbahn fortsetzt. "Wir haben Almuth ein Angebot zur Vertragsverlängerung unterbreitet, da wir von ihren Qualitäten als eine der weltbesten Torhüterinnen sowie als Führungspersönlichkeit zu 100 Prozent überzeugt sind", sagte Sportchef Ralf Kellermann.

Zuletzt hatte Schult wieder starke Leistungen gezeigt und maßgeblichen Anteil daran, dass der VfL Wolfsburg beispielsweise das Viertelfinale der Women's Champions League erreichte. In der Frauen-Bundesliga steht das VfL-Team trotz eines Umbruchs zur Winterpause auf Platz drei.

Letztes Länderspiel liegt lange zurück

Allerdings hat Schult nach langer Verletzungs- und Babypause ihren Stammplatz im Tor der deutschen Frauen-Nationalmannschaft eingebüßt. Ihr Einsatz im verlorenen WM-Viertelfinale gegen Schweden (1:2) im Sommer 2019 im französisches Rennes war ihr bislang letztes Länderspiel. Seitdem ist Merle Frohms (Eintracht Frankfurt) die Nummer eins und geht als Favoritin für die Frauen-EM 2022 in England ins nächste Länderspieljahr. Schult ist bei den DFB-Frauen in der Rolle der Herausforderin.

Sollte sie tatsächlich aufhören, würde der deutsche Frauenfußball auf dem Platz seine prägendste Persönlichkeit verlieren. Man befinde sich "in sehr vertrauensvollen und ergebnisoffenen Gesprächen", erklärte Kellermann: "Natürlich freue ich mich sehr, wenn sie sich für eine Zukunft beim VfL Wolfsburg entscheiden sollte. Gleichzeitig liegt es aber auch in meiner Verantwortung als Sportlicher Leiter, auf alle Eventualitäten vorbereitet zu sein und einen Plan B in der Tasche zu haben."