Inter Mailands Trainer Simone Inzaghi (r.) in Istanbul mit seinem Team

Finale der Champions League Inter - altes Team, marodes Stadion, schlechte Finanzen

Stand: 09.06.2023 21:59 Uhr

Erst Meister, dann Pokalsieger, jetzt im Champions-League-Finale - Inter Mailand erlebt sportlich erfolgreiche Zeiten. Doch die täuschen über den wahren Zustand des Klubs hinweg.

Am Ende der Saison 2020/21 hatte das Warten für Inter ein Ende. Mehr als zehn Jahre nach der bisher letzten Meisterschaft holte der Klub wieder den Titel in der Serie A. Zwischen nur wenigen Fans mit Coronamasken im Guiseppe-Meazza-Stadion bekam Inter den Pokal überreicht.

Der Erfolg setzte sich fort: In den Saisons 2021/22 und 2022/23 holte der Klub den italienischen Pokal, schloss in der Liga seit 2020 nie schlechter als Platz drei ab und wurde so wieder ein Stammgast in der Champions League. Die Königklasse könnte Inter nun zum ersten Mal seit 2010 gewinnen, am Samstag (10.06.2023, 21 Uhr im Live-Ticker auf sportschau.de) spielt der Klub in Istanbul im Finale gegen Manchester City. Doch die sportlich guten Ergebnisse täuschen über den wahren Zustand des Klubs, der im Besitz der chinesischen Gruppe Suning ist, hinweg.

Große Party, wenige Gäste: Inter wurde 2021 inmitten der Pandemie italienischer Meister.

Große Party, wenige Gäste: Inter wurde 2021 inmitten der Pandemie italienischer Meister.

Hohe Verluste, hohe Verbindlichkeiten

Finanziell hat Inter im Gegensatz zu den sportlichen Ergebnissen eine Talfahrt hingelegt. Ende Oktober 2022 veröffentlichte der Klub seine Bilanz für die Saison 2021/22. Fast 900 Millionen Euro Verbindlichkeiten werden darin erwähnt. Nach 246 Millionen Euro Verlust 2021 gab es 2022 nochmal 140 Millionen Euro Verlust.

Kurz vor der Veröffentlichung dieser Zahlen hatte Inter unter der Führung von Präsident Steven Zhang bereits Ärger mit der Finanzkontrollkammer der UEFA. Im September 2022 stellte die Kammer fest, dass Inter neben sieben weiteren Klubs gegen die zentrale Bestimmung der Regeln des Financial Fairplays verstoßen haben soll: Der Klub gab deutlich mehr aus als er einnahm.

Steven Zhang, Präsident von Inter

Steven Zhang, Präsident von Inter

Vier Millionen Euro musste Inter der UEFA-Kammer zufolge zahlen, weitere 26 Millionen Euro Strafe stehen im Raum, falls Inter die Bedingungen der UEFA in den kommenden fünf Jahren nicht erfüllt. In einem mit der UEFA vereinbarten Vergleich ist bei weiteren Verstößen zudem der Ausschluss aus dem Europapokal als mögliche Konsequenz erwähnt. Die finanzielle Schieflage wird besonders mit Blick auf die Aufgaben bei der Kaderplanung deutlich.

Das Team muss verjüngt werden

Die Mannschaft leistete Großes, indem sie das Finale der Champions League erreichte. Doch das Durchschnittsalter des Kaders liegt bei rund 29 Jahren. Spieler wie der 37-jährige Edin Dzeko und der 34 Jahre alte Henrikh Mkhitaryan prägen das Team aktuell, sie haben aber auch ihr Karriereende altersbedingt vor Augen. Es sind Schlüsselpositionen, die mit neuen Spielern besetzt werden müssen - in einer Zeit, in der die UEFA Inter einen Kurs der Sparsamkeit auferlegt hat.

Erfahrene Spieler: Edin Dzeko (r.) und Henrikh Mkhitaryan

Erfahrene Spieler: Edin Dzeko (r.) und Henrikh Mkhitaryan

Das fehlende Geld machte sich schon früher bemerkbar. Trainer Antonio Conte verließ den Klub nach dem Titelgewinn 2021, die Klubführung verkaufte mehrere wichtige Spieler: Der inzwischen zurückgekehrte Romelu Lukaku ging damals für mehr als 110 Millionen Euro zum FC Chelsea, Achraf Hakimi wechselte für fast 70 Millionen zu Paris Saint-Germain. Simone Inzaghi führte Inter danach zu weiteren Titeln und ins Endspiel der Champions League. Doch das Team muss verjüngt und verstärkt werden, um das Niveau zu halten.

Inters Führung träumt von einem neuen Stadion

Und die Mannschaft ist nur eine Aufgabe von vielen. Eine anderes großes Thema wird das Stadion. Das Guiseppe-Meazza-Stadion, das für viele Fans in Italien und im Ausland mit Tradition, Emotion und vielen Erlebnissen verbunden ist, genügt im modernen Fußball längst nicht mehr den Ansprüchen der Menschen, die den modernen Fußball steuern. Seit Jahren ist ein Neubau im Gespräch, mal mit, mal ohne Lokalkonkurrent AC Mailand.

"Unsere Priorität ist ein neues Stadion", sagte Präsident Zhang, "mit oder ohne AC Mailand". Man habe eine enge Beziehung zur Geschichte und den Wurzeln des Klubs. "Doch wir haben auch einen in die Zukunft ausgerichteten Blick." Finanziell ist Inter derzeit jedoch weit davon entfernt, einen Stadionbau stemmen zu können.

Noch immer Inters Heimat: das Guiseppe-Meazza-Stadion

Noch immer Inters Heimat: das Guiseppe-Meazza-Stadion

Inter stellte Kryptosponsor vor, der nie zahlte

Das Finale der Champions League erreicht zu haben, garantiert Inter zwar jetzt schon rund 100 Millionen Euro.

Eine Erleichterung? Nur zum Teil, denn einen ähnlichen Betrag verzockte Inter an anderer Stelle. Eine Kryptowährung wurde zu Saisonbeginn als Trikotsponsor vorgestellt, 85 Millionen Euro echtes Geld sollte es dafür geben - das Geld kam nie und Inter blieb auf dem Schaden sitzen.

Federico Dimarco von Inter Mailand mit dem Kryptosponsor auf der Brust

Federico Dimarco von Inter Mailand mit dem Kryptosponsor auf der Brust

Kredit über 275 Millionen in den USA wird in einem Jahr fällig

Die Probleme waren zwischenzeitlich so groß, dass Inter und seine Besitzer aus China im Januar 2022 beim Kapitalanleger "Oaktree" in den USA einen Kredit in Höhe von 275 Millionen Euro aufnahmen, wie Inter offiziell verkündete. Das Geld wird im Mai 2024 zuzüglich Zinsen fällig. Kommt das Geld nicht zurück, könnte Inter bald in amerikanische Hände fallen. "Das ist nicht unser Plan, wir wollen uns als Partner anbieten und den Klub unterstützen", sagte der Manager von Oaktree, Alejandro Cano. "Aber wer weiß?"

Suning soll Medienberichten zufolge bereits versucht haben, den Klub für mehr als eine Milliarde zum Verkauf anzubieten. Doch ein Käufer, der alle genannten Probleme für diesen Preis mitkaufen würde, hat sich bislang nicht gefunden.