Bochums Fußballtrainer Thomas Reis emotional an der Seitenlinie

Vor Duell auf Schalke Der VfL Bochum und die vielen kleinen Risse

Stand: 09.09.2022 11:49 Uhr

Ein Fußball-Profiklub ist ein sensibles Gebilde. Ein kleiner Riss hier, ein nachhallendes Echo da können nach einiger Zeit zur Explosion führen. Trainer Thomas Reis ist mit dem VfL Bochum vor dem Bundesliga-Derby am Samstag (10.09.2022, 18.30 Uhr) beim FC Schalke 04 an so einem Punkt angekommen.

Da ist natürlich die prekäre sportliche Lage der Bochumer. Fünf Bundesliga-Spiele, fünf Niederlagen, 3:15 Tore sind es nach dem 0:2 im Heimspiel gegen Werder Bremen. Schlechter geht es nicht. Jede Niederlage bedeutet einen kleinen Riss im Selbstvertrauen und wachsenden Druck. Und ein Derby auswärts beim ebenfalls angeschlagenen Nachbarn verstärkt diesen Effekt noch einmal.

"Das Wichtigste ist, dass wir weiter an uns glauben. Wir können uns nur aus eigener Kraft aus dem Schlamassel ziehen", betont Reis und appelliert an das Zusammengehörigkeitsgefühl: "Wir müssen zusammenstehen - dass wir das können, haben wir in meiner Zeit hier immer wieder bewiesen."

Das war allerdings zuletzt mannschaftsintern nur bedingt der Fall. Torwart Manuel Riemann giftete unter der Woche im Training in Richtung seiner Teamkollegen ("Missgeburten"), entschuldigte sich allerdings noch am selben Tag in den Sozialen Medien für seine Entgleisung. Er sei seiner "Vorbildfunktion nicht gerecht geworden".

Zudem sorgten zuletzt Spekulationen rund um Reis für Aufregung. Der Trainer habe im Sommer Kontakt zum Revier-Nachbarn gesucht, als die "Königsblauen" nach der Bundesliga-Rückkehr auf Trainersuche waren. Reis dementierte zwar umgehend und mit Worten wie "absolut angenervt". Dazu äußern will er sich nicht mehr.

Eine (gedachte) Beziehung hier, ein Fehler da

Und wer es in bester Verschwörermanier übertreiben will, könnte auch noch anführen, dass der VfL-Trainer von Maikel Stevens, Sohn des Schalker Jahrhundert-Trainers Huub Stevens, beraten wird und er mit dem aktuellen S04-Sportvorstand Rouven Schröder ja auch schon in Bochum zusammengespielt hat. So etwas muss nicht unbedingt Bedeutung haben, aber vor so einem wichtigen Spiel wiederholt kann es eben das nächste kleine Echo sein, das sich irgendwo festsetzt.

Und dann sind da natürlich die vielen weiteren kleinen Risse, die das seit 2019 mit Bundesliga-Aufstieg und -Klassenerhalt belohnte Bochumer Erfolgsmodell seit diesem Sommer destabilisieren.

Zu viele Nebenschauplätze

Zunächst kündigte Sportvorstand Sebastian Schindzielorz nach der mit Platz 13 eigentlich sehr erfolgreichen Spielzeit seinen mittlerweile zum 31. August vollzogenen Abschied an. Gleichzeitig verließ mit zehn Spielern ein beträchtlicher Teil des VfL-Grundkorsetts die Castroper Straße. Umbruch im Abschied ist sicherlich in keinem Verein eine günstige Arbeitsgrundlage.

Dann fanden Reis und Klubverantwortliche beim Thema Vertragsverlängerung nicht zusammen, so dass sich der 48-Jährige schon mit Blick auf den Sommer 2023 als "arbeitssuchend" bezeichnete. Sicherlich auch keine geschickte Wortwahl und wieder so eins dieser kleinen Echos für den Hinterkopf.

Explosion auf Schalke?

Da ein kleiner, klammer Verein wie der VfL besonders von seinen sportlich Verantwortlichen abhängig ist - die in diesem Fall drei Jahre erfolgreich gearbeitet haben - sind es mittlerweile ein paar viele dieser Echos und Risse. Die sechste Niederlage in Folge und das ausgerechnet beim nicht viel besser gestarteten Nachbarn aus Gelsenkirchen könnte dann einer zu viel davon sein, für Reis, für den VfL Bochum.

Reis selbst macht sich darüber nach eigenen Angaben keine Gedanken: "Zum Ersten ist noch keine Niederlage eingetreten. Zum Zweiten haben wir ganz deutlich gesagt, wie der weitere Ablauf ist: Dass wir uns im November zusammensetzen." In der WM-Pause soll es um eine Vertragsverlängerung gehen. Dass die Partie gegen Schalke ein "Schicksalsspiel" sein soll, sei nicht vom Verein gekommen, sagte Reis.

Kein Ultimatum, keine Jobgarantie

Ein öffentliches Ultimatum nach dem Motto siegen oder fliegen gibt es für ihn tatsächlich nicht - eine Jobgarantie allerdings auch nicht. "Wir bewegen uns im Leistungssport, da sind Ergebnisse eine wichtige Zutat", sagte der neue Sportchef Patrick Fabian den Zeitungen der "Funke-Mediengruppe": "Wir sind allerdings nicht so weit, ausschließlich davon irgendwelche Entscheidungen abhängig zu machen." Man werde die Leistung abwarten und dann "weitersehen".

Und dabei dann sicher auch begutachten, wie tief die vielen kleinen Risse tatsächlich sind.