Stuttgarts Millot jubelt, Hamburgs Torhüter Fernandes ist enttäuscht.

Relegations-Rückspiel Stuttgart feiert - Hamburg wird zum Zweitliga-Dino

Stand: 06.06.2023 00:29 Uhr

Trotz eines vielversprechenden Auftakts war die Hinspiel-Hypothek für Hamburg zu groß: Der HSV wird so langsam zum Zweitliga-Dino - der VfB Stuttgart feiert durch seinen 3:1-Auswärtssieg im Rückspiel der Relegation am Montagabend (05.06.2023) den Bundesligaverbleib.

Nach den insgesamt 180 Minuten war dieser Ausgang auch vollkommen verdient, vor allem die Hamburger Defensive hatte mit Erstligatauglichkeit nichts zu tun.

Stuttgart "überglücklich", Hamburg "stolz"

"Wir sind erleichtert und überglücklich", sagte VfB-Sportdirektor Fabian Wohlgemuth bei Sky. "Das war kein Spiel für schwache Nerven. Wir haben direkt das Gegentor bekommen und eine relativ schwache erste Halbzeit gespielt. Wir sind dann aber gut aus der Pause gekommen und haben mit dem 1:1 das Spiel in unsere Richtung gelenkt."

Sebastian Hoeneß, den vierten Trainer der Saison, "haben wir zum richtigen Zeitpunkt geholt", meinte Wohlgemuth, "er hat großen Anteil daran, dass wir die Klasse gehalten haben."

"Wir haben die Relegation nicht heute verloren", sagte Hamburgs Trainer Tim Walter nach der Partie gegenüber der Sportschau und erinnerte damit an die 0:3-Hinspielniederlage des HSV. "Ich bin extrem stolz auf meine Mannschaft, sie hat einen tollen Charakter. Und was die Zuschauer hier heute abgeliefert haben, das war mehr als bundesligareif. Die Menschen hier in Hamburg - das ist unfassbar, großartig."

Trainer Walter - "Die Bürde war nach dem Hinspiel zu groß"

Sportschau Bundesliga, 05.06.2023 20:45 Uhr

Walter setzte auf Comeback-Qualität

Die Hoffnung in Hamburg war zuvor groß gewesen. Walter hatte trotz der Hypothek aus dem Hinspiel - was sollte er auch sonst tun - die "Comeback-Qualitäten" seines Teams beschworen: "Die Jungs haben schon einige Rückschläge eingesteckt und wir sind immer wieder aufgestanden. Ich bin von meiner Mannschaft zu 1.887 Prozent überzeugt."

Mathematisch erschien das etwas fragwürdig, auf dem Platz bemühten sich seine Schützlinge aber sofort, den Worten des Trainers Taten folgen zu lassen. Schon in der 4. Minute musste VfB-Keeper Florian Müller alles aufbieten, um einen Flatter-Freistoß von Jean-Luc Dompé über die Latte zu lenken.

Thorsten Iffland / Holger Gerska, Sportschau, 05.06.2023 22:53 Uhr

Kittel trifft zur frühen HSV-Führung

Kurz danach war Müller aber machtlos. Nachdem Dompé auf der linken Außenbahn Konstantinos Mavropanos schwindelig gespielt hatte, nahm Sonny Kittel im Zentrum den Querpass auf, ging noch ein paar Meter und nagelte den Ball per Vollspann aus 22 Metern an den linken Innenpfosten - das frühe 1:0, das den Volkspark elektrisierte.

Gleich im Gegenzug wurde bei einem Konter über Chris Führich aber auch schnell wieder das große Defensivproblem der Hamburger offenkundig, das schon im Hinspiel zu noch mehr Gegentoren hätte führen können. Führich schoss aber knapp am Tor vorbei und verdiente sich dabei noch einen Fairnesspreis, weil er trotz harter Bedrängnis lieber den Abschluss als einen Elfmeterpfiff suchte.

Zauber-Tor nach Videobeweis aberkannt

Glück brauchten die Hamburger auch zehn Minuten später. Nach einer Klasse-Kombination über Wataru Endo zauberte Serhou Guirassy den Ball mit dem Rücken zum Tor überragend per Hacke ins lange Eck - Daniel Heuer Fernandes war chancenlos. Mit etwas Verzögerung meldete sich dann Video-Assistent Felix Zwayer aus dem Kölner Keller - in der Entstehung des Angriffs hatte Guirassy knapp im Abseits gestanden.

Damit war den Hamburgern aber klar sein, dass sie bei allem Anrennen Stuttgart auf keinen Fall so viel Platz lassen durften. Die Angriffe erfolgten danach auch deutlich dosierter, zudem schlichen sich im Mittelfeld auch viele Fehler ein. Erst kurz vor dem Seitenwechsel nahm der Druck nochmal richtig zu, bei der größten HSV-Chance lenkte Müller den Schuss von Bakery Jatta aber noch um den Pfosten.

Ausgleich gleich nach dem Wiederanpfiff

Die Euphorie im Stadion war weiterhin spürbar, doch so richtig geordnet sahen die Aktionen der Hamburger nicht mehr aus. Drei Minuten nach Wiederanpfiff kam dann der große Stimmungskiller. Endo hebelte mit einem Steilpass auf Guirassy die HSV-Abwehr aus, die keine Abseitsfalle hinbekam, weil Javi Montero zu tief stand. Guirassy bediente schließlich Enzo Millot, der aus zentraler Position zum 1:1 vollstreckte.

Millots anschließender Jubel vor der Hamburger Fankurve sorgte für Irritationen, der Franzose entschuldigte sich später bei "ESPN": "Ich möchte mich bei den Hamburger Fans entschuldigen. Das war keine Provokation für die Leute hier im Stadion, aber wenn du ein Tor machst, dann übernehmen die Emotionen manchmal, und man kann es nicht kontrollieren."

Millot jubelt provokant.

Jubelte nach seinem Ausgleichstreffer vor der HSV-Fankurve: Enzo Millot

Ganz Hamburg, die Fans und die Spieler, wirkten nach Millots Ausgleichstreffer wie in Schockstarre. Minutenlang kam kein brauchbarer Angriff mehr zu Stande, Stuttgart befreite sich immer mehr, und der HSV schlug sich letztlich auch noch selbst. Beim Versuch, einen Rückpass direkt weiterzuleiten, trat Heuer Fernandes voll am Ball vorbei, Millot erkannte die Chance und schob zum 2:1 ins leere Tor (64.).

HSV-Fans stehen hinter ihrer Mannschaft

Sportlich war damit praktisch alles entschieden. Doch der HSV wirkte nach dem 1:2 wieder befreiter, erspielte sich plötzlich Chance um Chance. Doch Robert Glatzel (74.), Kittel (75.), Ransford Königsdörffer (88.) und Sekunden später Bakery Jatta bekamen den Ball nicht an Müller vorbei.

Stark immerhin: Die von Walter gelobten HSV-Fans standen trotz der Riesenenttäuschung bis zum Ende hinter ihrer Mannschaft, feierten den großen Einsatz, auch wenn es sportlich einfach nicht gereicht hatte - Silas legte in der siebten Minute der Nachspielzeit auch noch das 3:1 nach. Den Zusammenhalt mit den Anhängern können die Hamburger nun in ihr sechstes Zweitliga-Jahr mitnehmen - ein allzu großer Trost dürfte das aber nicht sein.

Stuttgarts Erleichterung nach schwieriger Saison

Die Stuttgarter durften am Ende einer äußerst durchwachsenen Saison jubeln. "Wir waren 18. als ich kam, das ist meine Zeitrechnung", sagte Hoeneß nach der Partie. "Dann haben wir als Club, als Mannschaft, als Stadt etwas Besonderes geschafft. Wir haben den Klassenerhalt gepackt, in einem Moment, an dem nicht mehr so viele daran geglaubt haben."

VfB-Trainer Hoeneß - "Haben als Verein etwas Besonderes geschafft"

Sportschau Bundesliga, 05.06.2023 20:45 Uhr