Fußball Corona und Bundesliga: Die Fans und die fehlende Leichtigkeit

Stand: 18.11.2021 14:13 Uhr

Für das rheinische Derby gibt es noch Tickets, Fans werden ihre Dauerkarten im Netz nicht los - dem Stadionbesuch fehlt vor dem Hintergrund der aktuellen Coronalage in diesen Tagen die Leichtigkeit.

Am 27. November findet eines der brisantesten Spiele der Fußball-Bundesliga statt. Das rheinische Derby zwischen dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach elektrisiert Fans in der ganzen Region, Eltern erzählen ihren Kindern Geschichten aus vergangenen Tagen, Schützen entscheidender Siegtore haben ihren Platz in den Vereinsannalen sicher.

Neue Rekordwerte

Doch dieses Mal ist etwas anders: Für das Derby sind neun Tage vor Anpfiff auf der Vereinshomepage des 1. FC Köln noch Tickets zu haben, in großer Zahl. In früheren Zeiten wäre das undenkbar gewesen, vor dem Hintergrund der aktuellen Corona-Zahlen ist es nicht verwunderlich.

Das Robert Koch-Institut vermeldete am Donnerstag (18.11.2021) den Rekordwert von bundesweit 65.371 Neuinfektionen binnen 24 Stunden und eine Inzidenz von 336,9.

Es fehlt die Leichtigkeit, Ultras bleiben fern

Fakt ist, dass dem Stadionbesuch in diesen Tagen die Leichtigkeit fehlt. Denn vieles, was für die Fans zu einem Fußballspiel gehört, findet nicht statt: Emotionalität, Gesänge, das gemeinsame Bier. Damit verliert der Fußball auch ein Stück seiner Faszination.

Zahlreiche Ultragruppen bleiben deswegen ganz zu Hause. Das hat vor allem auch mit den unterschiedlichen Regeln zu tun. 2G, 3G, 2G+ oder 3G+ - es geht in den Bundesländern wild durcheinander. Hinzu kommen strenge Einlasskontrollen und die Personalisierung der Tickets.

Das alles widerspricht dem Solidaritätsgedanken der Ultras. Mit dem Hinweis "alle oder keiner" verzichteten Hansa Rostock und Dynamo Dresden zuletzt auf ihre Karten-Kontingente für die Partien beim FC St. Pauli. Die 2G-Regel am Millerntor hätte ungeimpfte Fans ausgeschlossen.

Fans bleiben auf Tickets in Fanbörsen sitzen

Auch die nicht aktive Fanszene, die Normalo-Fans, bleiben dem Stadion lieber fern. Aktuelles Beispiel: Die TSG 1899 Hoffenheim darf gegen RB Leipzig zum ersten Mal in dieser Saison ihr Stadion voll auslasten. Beim Heimspiel am Samstag dürfen wieder 30.150 Fans in die Arena.

Doch es wird gewiss nicht so sein, dass die Fans der Kraichgauer jetzt in Scharen ins Stadion strömen werden. Zu den bisher fünf Heimspielen kamen im Schnitt gerade Mal 9.480 Fans. Auch für das Spiel gegen Leipzig sind im Ticketbereich der Homepage für noch fast alle Blöcke Karten zu haben – und zwar en masse.

Kein Einzelfall: Neben Hoffenheim können zurzeit noch zehn andere Klubs ihr Stadion zu hundert Prozent auslasten. Das jüngste Heimspiel des FC Bayern München gegen den SC Freiburg war zwar offiziell ausverkauft.

Doch wer sich in der Arena umsah, entdeckte zahlreiche freie Plätze. Und wer in diesen Tagen über die Fanbörsen seine Dauerkarte für einzelne Spiele loswerden will, bleibt meist auf seinem Ticket sitzen.

Geimpfte und Genesene schauen Ungeimpften zu

Für Verärgerung unter den Fans sorgt, dass der Fußball weiter an seiner Sonderrolle festhält. Dass die Bundesliga zu Zeiten des Lockdowns mit Geisterspielen den Spielbetrieb fortführen konnte, hat schon zur Entfremdung und zur Distanz beigetragen.

Jetzt dürfen nur geimpfte oder genesene Fans den Spielern bei der Arbeit zuschauen, die ihrerseits aber auch schon mal ungeimpft über den Platz laufen. Der Fall des noch nicht geschützten Bayern-Spielers Joshua Kimmich sorgte da zuletzt für großes Kopfschütteln. Und von der im vergangenen Jahr häufig beschworenen Demut ist schon lange nichts mehr zu spüren.

Fest steht, dass die Klubs um ihre Fans kämpfen müssen. Das gilt auch, wenn die Infektionszahlen wieder abnehmen sollten. "Vielleicht hat sich der eine oder andere während der Pandemie selbst besonnen und erkannt, dass er auch ohne Fußball gut auskommt. Es ist jedenfalls nicht mehr die gleiche Gier da wie vor der Pandemie", erklärte Fanforscher Gunter A. Pilz der Zeitung "Die Welt".

Ausverkauftes Stadtderby in Berlin

Ausnahmen gibt es. Zum Berliner Stadtderby zwischen dem 1. FC Union und Hertha BSC dürfen 22.012 Fans ins Stadion an der Alten Försterei, das damit ausverkauft ist. Es gelten die 2G-Regel, Alkoholverbot und Maskenpflicht am Platz. Wie die in einem proppenvollen Stadion kontrolliert werden soll, bleibt dahingestellt.

Dass sich die Senatsverwaltung für Inneres und Sport gegen eine Testpflicht (2G+) entschieden hat, mutet im Angesicht steigender Impfdurchbrüche geradezu absurd an. Die Aufforderung der Klubs an die Fans, sich doch vorher bitteschön zu testen, ist wohl eher ein frommer Wunsch. Auf der anderen Seite konterkariert es die Impfkampagne, wenn Geimpfte und Genesene nicht ins Stadion dürfen.

Angst bei Klubs vor neuerlichen Geisterspielen

Im Angesicht steigender Zahlen ist die Diskussion um Geisterspiele wieder in vollem Gange. "Eine neuerliche, pauschale Reduzierung von Stadionkapazitäten würde unsere wirtschaftliche Situation existenziell verschärfen", sagt dazu Thomas Hitzlsperger, der Vorstandsvorsitzende des VfB Stuttgart.

Fußballspiele seien keine Pandemietreiber, behauptet der 39-Jährige: "Das zeigen die Zahlen sowohl bei uns in Stuttgart als auch in der gesamten Liga."

Das mag - in Bezug auf welche Zahlen auch immer - stimmen. Dennoch wirkt es angesichts der akuten Warnungen von RKI-Chef Lothar Wieler ("Es ist fünf nach zwölf"), den abenteuerlich hohen Neuinfektionen und zahlreichen Fällen von Impfdurchbrüchen ziemlich absurd.

Fans zwischen Liebe und Angst

Klarkommen mit all diesen Aspekten müssen jetzt die Fans. Die müssen abwägen zwischen der Liebe zum Fußball und zum Verein und der Sorge vor Ansteckung. Letztere ist begründet – und zurzeit wohl auch stärker.