Eishockey | NHL Draisaitl gegen Sturm: Eiszeit zwischen den Landsleuten

Stand: 02.05.2022 09:48 Uhr

Früher hat Leon Draisaitl zu Marco Sturm aufgeschaut. Jetzt bewundert Sturm seinen Landsmann. Doch derzeit ruht der Kontakt. Denn beide treffen im Duell der Edmonton Oilers und der Los Angeles Kings in den Playoffs der nordamerikanischen Eishockeyliga NHL aufeinander.

Von Heiko Oldoerp

Marco Sturm könnte Toni Söderholm einen großen Gefallen tun. Der ehemalige Bundestrainer könnte dafür sorgen, dass seinem Nachfolger bei der am 13. Mai in Finnland beginnenden Eishockey-Weltmeisterschaft Superstar Leon Draisaitl zur Verfügung steht. Vier Siege der Los Angeles Kings, bei denen Sturm seit November 2018 als Assistenz-Trainer arbeitet, in den Playoffs gegen die Edmonton Oilers - und Draisaitls NHL-Saison wäre vorbei und er somit frei für die WM.

Beim Gedanken daran muss Sturm im Gespräch mit der Sportschau laut lachen. "Wir haben beide große Ziele und deswegen werden wir alles dafür geben", betont Sturm. Alles andere sei eher nebensächlich. Der 43-Jährige kennt seinen 26-jährigen Landsmann gut. Als Sturm noch Bundestrainer war, spielte Draisaitl dreimal bei einer WM. "Ich habe immer gerne mit ihm zusammengearbeitet, er ist immer gerne zur Nationalmannschaft gekommen. Und der Kontakt ist natürlich immer noch da", sagt Sturm.

Ziel der Kings: Irgendwie Draisaitl/McDavid einschränken

Doch der Kontakt liegt derzeit auf Eis. Und es werde "bestimmt noch ein bisschen dauern", bis beide wieder miteinander reden würden, meinte Draisaitl in einer Medienrunde. Für die kommenden Tage sind der Rheinländer und der Bayer zwar immer noch Landsleute, aber in erster Linie eben Gegner. 

Sturm kennt Draisaitl ebenso gut wie Kings-Chefcoach Todd McLellan, der von 2015 bis zu seiner Entlassung 2019 die Oilers trainierte. Es ist ohnehin kein Geheimnis, dass es für L.A. vor allem darauf ankommt, die Offensiv-Aktionen von Draisaitl und Edmontons Kapitän Connor McDavid irgendwie einzuschränken. Der Kölner hat die Vorrunde mit 55 Treffern als zweitbester Torschütze beendet, der Kanadier ist zum vierten Mal innerhalb von sechs Jahren Topscorer geworden.

Suche nach der Nadel im Heuhaufen

Sturm hat zusammen mit seinen Kollegen des Kings-Trainingstabs in den vergangenen Tagen reichlich Oilers-Videos gesichtet. Er hat viele beeindruckende Draisaitl- und McDavid-Aktionen gesehen. Tore, Vorlagen, Dribblings, Pass- und Laufwege. Alles mitunter in atemberaubendem Tempo und höchster Präzision - Eishockey zum Verlieben.

Ein solcher Job kann bei so viel Perfektion des Gegners durchaus frustrierend sein - und die Suche nach Lösungsmöglichkeiten der nach einer Nadel im Heuhaufen ähneln. Sturm sieht es dann auch als Herausforderung, gegen "die besten Spieler zu spielen, die momentan unterwegs sind.

Edmonton nur einmal in Runde zwei

Trotz der enormen Qualitäten der Superstars glaubt Sturm, dass beide "abgeschaltet" werden können. "Natürlich nicht ganz, aber im Großen und Ganzen schon." Die große Frage sei jedoch, ergänzt er mit mahnendem Unterton, "ob wir das jedes Spiel über 60 Minuten können."

So überragend die Statistiken von Draisaitl und McDavid in der Vorrunde auch stets sind, in den Playoffs hat Edmonton trotzdem nur 2017 die erste Runde überstanden. Seitdem gab es in vier Jahren nur zwei Playoff-Teilnahmen - und nur einen Sieg in sieben Spielen. Doch die Oilers im Frühjahr 2022 sind anders. Sie sind seit dem Trainerwechsel von Dave Tippett zu Jay Woodcroft am 10. Februar stark verbessert, haben 26 ihrer 38 Spiele gewonnen. Form und Trend würden stimmen, sagt Draisaitl. Er erwartet eine "lange, spannende Serie, die beiden Teams sehr viel abverlangen wird. Trotzdem gefallen mir unsere Chancen.

Draisaitl hat Sturms NHL-Rekorde pulverisiert

Als er noch kein NHL-Superstar war, sondern einer von vielen Nachwuchsspielern in Deutschland, hat er zu Marco Sturm aufgeschaut. "Er hatte eine sehr erfolgreiche NHL-Karriere und ist auf jeden Fall einer der besten deutschen Spieler, die wir je hatten", sagt Draisaitl. Sturm galt lange Zeit sogar als der deutsche Vorzeige-Stürmer in der stärksten Eishockeyliga der Welt.

Doch mittlerweile hat Draisaitl seine Rekorde nicht nur gebrochen, sondern sie regelrecht pulverisiert. Sturms Bestmarken waren 29 Tore und 59 Punkte. Draisaitl erzielte in dieser Spielzeit 55 Treffer und kam auf 110 Zähler. "Uns kann man gar nicht vergleichen", betont Sturm. Die einzige Gemeinsamkeit sei das Heimatland. Spielerisch sei Draisaitl "auf einem ganz anderen Level" - und deshalb, so Sturm, verschwende er "keine Sekunde mit irgendwelchen Vergleichen."

Sturm: "Bin großer Fan von Leon Draisaitl"

Er verschweigt nicht, "ein großer Fan von Leon Draisaitl" zu sein. Ihm zuzusehen sei "Genuss" und "Freude", sagt Sturm. Es gäbe nicht viele Spieler, die, wie Draisaitl, "immer wieder torgefährlich" seien. In den kommenden Tagen wird Sturm alles versuchen, jene Torgefahr einzudämmen.

Er wird seinen Profis sagen, was sie gegen Draisaitl machen müssen. Wie sie ihn angehen, bearbeiten, schubsen und checken sollen, damit der Landsmann seine Qualitäten nicht so einbringen kann, wie gewohnt. Sollte das zum Erfolg führen, wären sie nicht nur bei den L.A. Kings froh, sondern sicherlich auch bei der Nationalmannschaft.