Neuneinhalb Jahre Härteste Doping-Sanktion gegen Ex-Radprofi Björn Thurau

Stand: 23.09.2021 17:04 Uhr

Der Sohn des früheren Tour-de-France-Stars Dietrich Thurau erhält die höchste Strafe in der NADA-Geschichte für langen Dopinghandel im großen Stil. Die Ermittler sind ihm im Rahmen der "Operation Aderlass" auf die Spur gekommen.

Von Hajo Seppelt, Jörg Winterfeldt

Als Radprofi gehörte Björn Thurau, 33, nicht gerade zu den großen Nummern. Da profitierte er allenfalls vom Ruhm seines Vaters Dietrich, der Ende der Siebzigerjahre mal für Furore gesorgt hatte, als er fast die halbe Tour de France im Gelben Trikot des Gesamtführenden absolvierte.

Dass Sohn Björn nun, zwei Jahre nach seinem Karriereende, größere Bekanntheit erlangt, verdankt er einer zweifelhaften Geschäftstüchtigkeit: Für "den Erwerb, Vertrieb und Gebrauch von Dopingmitteln zu Dopingzwecken im (Rad-)Sport" sperrte ihn Deutschlands Nationale Anti-Doping-Agentur (NADA) für neun Jahre und sechs Monate und verkündete die Sanktion am Donnerstag (23.09.2021), nachdem der frühere Profi keine Rechtsmittel eingelegt hatte.

In der Geschichte der Agentur avanciert Björn, der Sohn des später dopinggeständigen Dietrich Thurau, damit zum Gesamtführenden: "Bei uns ist das schon das oberste Regal von dem, was an Sanktionen ausgesprochen wurde. Wir selbst haben noch keine höhere Strafe verhängt", sagt der NADA-Vorstand Lars Mortsiefer der ARD-Dopingredaktion, "dahinter liegt der Radprofi Patrik Sinkewitz, der einmal acht Jahre für einen Zweitverstoß gesperrt wurde." Thurau soll zuvorderst mit dem Wachstumshormon TB 500 und Aicar, einem Mittel, das gegen Fettleibigkeit und Diabetes eingesetzt wird, gehandelt haben. Seine Bezugsquelle ist den Ermittlern nicht klar.

Umfangreiche Ermittlungsakten

Der hohe Strafrahmen ergibt sich für Deutschlands Dopingjäger aus "dem großen Stil und dem langen Zeitraum", so NADA-Mann Mortsiefer. Thuraus Tätigkeit sei sehr gut dokumentiert. Mortsiefer und seine Leute konnten Akten auswerten, die in der sogenannten Operation Aderlass in den Ermittlungen gegen einen Erfurter Dopingarzt und seine Helfer international gesammelt worden waren. "So umfassendes Material haben wir selten auf dem Tisch gehabt", sagt Mortsiefer.

Thurau hatte seine erste Anstellung beim Professional Continental Team Elk Haus-Simplon 2008 erhalten und war bis auf kurze Ausnahmen in der zweiten Liga des Radsports unterwegs. Nach seinem Karriereende hatte er bei einem Youtube-Radsportkanal moderiert. In einer Sendung über Gehälter der Profis hatte er da unter anderem gesagt, dass sich angesichts geringer Verdienste die Frage stelle: "Lohnt sich im Continental-Bereich, gerade wenn man älter ist, der Aufwand?"

Schweizer Strang der Operation Aderlass

Womöglich hat er vor dem Hintergrund lukrativere Ertragsquellen erschlossen. Seinen ersten Verstoß gegen Anti-Doping-Bestimmungen datiert die NADA auf den 21. Dezember 2010. Alle anschließend erzielten Ergebnisse und Preise wurden annulliert.

Thurau soll in einem Schweizer Strang der Ermittlungen aufgefallen sein. Die ARD-Dopingredaktion registrierte die Vorwürfe gegen ihn erstmals, als Ende 2020 in dem Münchener Strafprozess gegen den Erfurter Arzt und andere Akten aus einem Schweizer Strafverfahren verlesen wurden.

In dessen Mittelpunkt stand der Schweizer Radprofi Pirmin Lang. Er wurde als erster Elitesportler seines Landes seit Einführung der Antidoping-Bestimmungen im Sportfördergesetz 2012 rechtskräftig verurteilt.

Lang hatte beim Erfurter Arzt Blutdoping betrieben. Weil Doping selbst in der Schweiz nicht strafbar war, sondern nur der Handel und einige der möglichen Taten der Verjährung unterlagen, hatte Lang lediglich eine Geldstrafe von 500 Franken zur Bewährung und eine Buße von 100 Franken erhalten.

Aufgeflogen durch Whatsapp-Nachrichten

Beim geständigen Lang hatten Ermittler auch Whatsapp-Kommunikation sichergestellt, die Thurau belastete. "Verklausuliert", sagt NADA-Vorstand Mortsiefer, "aber für Experten klar ersichtlich, dass es sich um Doping handelt und um welche Art." Thurau selbst hatte bei der NADA nicht ausgesagt, aber an dem Verfahren über seinen Anwalt zunächst teilgenommen, später nicht mehr. Für die ARD-Dopingredaktion war er nicht zu erreichen.

Denkbar ist nun durchaus, dass sich aus den Erkenntnissen weitere strafrechtliche Ansätze ergeben, etwa aus der Frage, ob Einnahmen versteuert worden sind. Und für die NADA sagt Mortsiefer: "Der Komplex ist noch nicht am Ende. Wir gucken noch nach weiteren Querverbindungen. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sich da weitere Ermittlungen ergeben."