Diskussion zur Doku "Geheimsache Doping: Schuldig" Reaktionen zur ARD-Doku "Geheimsache Doping: Schuldig"

Stand: 18.07.2021 13:28 Uhr

Die Sportwelt ist geschockt von den Recherchen in "Geheimsache Doping: Schuldig" und sehen akuten Handlungsbedarf beim Anti-Doping-System. Das zeigt die ARD-Diskussionsrunde zum Thema.

Von Jörg Winterfeldt

Eine kurze Berührung durch einen anderen Menschen kann einem ehrlichen Sportler eine positive Dopingprobe bescheren, weil er dabei mit lediglich einem Tropfen Dopingsubstanz sabotiert werden kann. Diese Erkenntnis aus dem neuen Film der Reihe Geheimsache Doping „Schuldig – wie Sportler ungewollt zu Dopern werden können“ versetzt großen Teilen des Spitzensports einen Schock.

Die in der Dokumentation gezeigten Erkenntnisse lösen Zweifel ausgerechnet am Kern des bisherigen Anti-Doping-Systems aus: der Beweislastumkehr. Im Sport muss ein Athlet nach einer positiven Dopingprobe aktiv seine Unschuld beweisen können, will er nicht gesperrt werden. Doch wie soll er das, wenn es so leicht ist, dopingpositiv zu werden? „Es ist unglaublich. Es hat mich unglaublich aufgewühlt“, sagte die frühere Weltklasse-Speerwerferin Christina Obergföll in der ARD, „Ich denke, es wird ein Stück weit ein Erdbeben auslösen. Da muss sich auf jeden Fall irgendwas verändern.“

Die am Samstagabend in der ARD ausgestrahlte Dokumentation sorgt unmittelbar vor Beginn der Olympischen Spiele in Tokio für ein breites Medienecho – national wie international. „Was wie eine schlechte Nachricht klingt, sollte Anlass sein, das ganze System zu überdenken“, schloss die Süddeutsche Zeitung aus dem Film. „Das Potenzial, unschuldige Athleten, deren Leben ruiniert werden kann, bei der Verfolgung von tatsächlichen Dopern zu erwischen, ist derzeit das schlimmste Problem des Sports“, folgert der australische Fernsehsender ABC.

In der auf den Film folgenden Diskussionsrunde in der ARD sahen sowohl der Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes, Bob Hanning, wie auch der Geschäftsführer der Interessenvertretung der Sportler „Athleten Deutschland“, Johannes Herber, nun die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) unter Zugzwang. Sie müsse, so Hanning, nun „Antworten auf diese Themen“ finden. Hanning fand die Ergebnisse der Dokumentation „schon wirklich spektakulär. Das zeigt, dass wir gerade, was den Kampf gegen das Doping angeht, uns immer weiter verbessern und gucken müssen, wie wir einer solchen Situation auch Herr werden können“.

„Angst der Athleten mildern“

Auch der als Gesprächsgast ins Studio zugeschaltete Vorstand der Nationalen Anti-Doping-Agentur Lars Mortsiefer sagte, dass es nach den Erkenntnissen aus der Dokumentation Handlungsbedarf gebe. „Durch die neuen Erkenntnisse muss sicherlich der Regelungsgeber, die WADA, auch für uns in Deutschland und weltweit nochmal genauer hinschauen und möglicherweise das System adaptieren.“ Es müsse künftig neben den herkömmlichen Methoden „ein Paket zusammengestellt werden, wo man dann auch klipp und klar entlastende Beweise zusammentragen kann, um dann die Angst der Athleten vor solchen Manipulationen und Sabotageakten ein wenig zu mildern“.

Die frühere Speerwerferin Obergföll schilderte als ehemalige Athletin das Gefühl der Hilflosigkeit angesichts der im Film aufgezeigten Manipulationsmöglichkeiten. „Du hast gar keine Chance, noch irgendwie auf irgendwas zu achten, was bislang vielleicht noch möglich war – dass man auf sein Getränk achtet, dass man auf seine Zusatzernährung achtet und dergleichen“, sagte sie, „wenn ich an meine Zeit zurückdenke: Wenn man im Ausland bei der Diamond League gestartet ist, ist man von einem internationalen Physiotherapeuten vor Ort behandelt worden. Wenn ich da mal weiterdenke, was da mit diesen neuen Erkenntnissen alles möglich wäre, dann ist das brutal. Das, denke ich, bringt das ganze System jetzt ins Wanken. Der saubere Athlet ist dem in meinen Augen jetzt schutzlos ausgeliefert und hat keine Chance, sich irgendwie zu rechtfertigen.“

„Das gesamte System überdenken“

Ähnlich empfindet es der Weltklasse-Hockeyspieler Tobias Hauke, der der ARD kurz vor seinem Abflug zu den Spielen in Tokio am Flughafen sagte: „Es ist fraglich, wenn das so nachgewiesen ist, wie man dann sauberen Sport langfristig noch gewährleisten soll und vor allem, wie man dann noch unterscheiden kann, wer tatsächlich schuldig, wer tatsächlich unschuldig ist. Das macht mir schon ein bisschen Angst. Das, was jetzt gerade aufgedeckt worden ist, ist ja nicht nur eine Forschungssache, sondern das ist ja tatsächlich so einschneidend, dass man das gesamte System jetzt mal überdenken muss.“