Ricardo Pietreczko
interview

Darts-WM 2024 in London Ricardo Pietreczko - "Ich will Weltmeister werden!"

Stand: 15.12.2023 09:46 Uhr

Zum ersten Mal sind fünf deutsche Darter bei der WM in London am Start, die heute beginnt. Nur einer von ihnen konnte schon mal ein Profiturnier gewinnen: Ricardo Pietreczko (29) aus Nürnberg. Vor seiner WM-Premiere spricht er mit der Sportschau über große Ziele.

Sportschau: Als Spieler sind Sie zum ersten Mal in London dabei. Was erwarten Sie vom legendären Alexandra Palace?

Ricardo Pietreczko: Ich schaue einfach, wie es läuft. Ich werde wahrscheinlich auch vor meinem Spiel nicht in die Halle gehen, weil ich diesen Wow-Effekt als Spieler brauche.  Lautstärke ist tatsächlich kein großes Problem für mich, das laute Rauschen in der Halle stört mich gar nicht. Viel schwieriger auszublenden sind einzelne Zwischenrufe, wenn es mal ruhiger ist. Aber große und laute Bühnen kenne ich auch schon von der Profitour.

Sportschau: Was ist Ihr Ziel für die WM?

Pietreczko: Ich weiß, das hört sich jetzt arrogant an, aber: mein Ziel ist es, Weltmeister zu werden. Ich sage immer: wenn man nicht zu einem Turnier geht, um es zu gewinnen, dann braucht man gar nicht anzutreten.  

Sportschau: Sie haben als zweiter Deutscher nach Max Hopp ein Profiturnier gewonnen, im Oktober in Hildesheim. Was hat sich seitdem verändert?

Pietreczko: Unterschätzen wird mich, glaube ich, keiner mehr (lacht). Ich habe gezeigt, dass ich auch einen Michael van Gerwen (Anm.: Dreimaliger Weltmeister, Weltranglistenzweiter) mal schlagen kann. Außerdem ist die Medienpräsenz viel größer geworden mit vielen Interviewanfragen.

Sportschau: Dem Sieg von Hildesheim folgten die negativen Schlagzeilen beim Grand Slam of Darts im November (Anm.: Pietreczko wurde in Wolverhampton beim Spiel gegen die Engländerin Greaves vom Publikum ausgepfiffen, schied aus und trat dann beim letzten, unbedeutenden Gruppenspiel auffällig lustlos an). Wie sind Sie damit umgegangen?

Pietreczko: Ich habe komplett damit abgeschlossen. Jeder hat gesehen, dass ich im letzten Spiel einfach nur noch runter von der Bühne wollte. Die Erfahrung habe ich gemacht, aber ich möchte jetzt ungern darüber philosophieren.

Sportschau: Auch in London könnten viele Fans gegen Sie sein und Ihre Gegnerin, die Außenseiterin Mikuru Suzuki unterstützen. Wie haben Sie die Auslosung aufgenommen?

Pietreczko: Ich kenne sie tatsächlich schon länger, habe sie 2017 in Japan getroffen, und wir haben ein paar Legs gespielt. Ich mag sie sehr und weiß, dass sie sehr gut spielen kann. Ich lasse mich überraschen.

Sportschau: Sie sind gelernter Maler und seit Anfang 2022 Dartsprofi. Profis sind ständig unterwegs, viele Reisen nach England stehen an. Haben Sie sich aus voller Überzeugung für Darts als Beruf entschieden?

Pietreczko: Eigentlich wurde mir die Entscheidung abgenommen mit dem Gewinn der Tourcard (Anm.: Teilnahmevoraussetzung für die Profitour). Ich habe in der Corona-Zeit nicht gearbeitet, ich wohne bei meinen Eltern und habe dann sehr viel Darts gespielt. Dann hatte ich die Tourcard und habe mir gesagt: ich probiere es einfach mal.

Sportschau: Wie sieht Ihr alltägliches Training aus?

Pietreczko: Klassisches Training mache ich eigentlich gar nicht. Ich gehe fast jeden Abend bei uns in die Kneipe und spiele Turniere, sowohl im Steeldart als auch im E-Dart, häufig auch im Fernduell gegen Onlinegegner. Ich brauche Training auf Wettkampfniveau. Ich kann mich nicht alleine zuhause hinstellen und Pfeile ins Board werfen. Ich bin einfach sehr ehrgeizig, ich habe auch schon Billard- und Bowlingturniere gespielt.

Ricardo Pietreczko - "Training in dem Sinne mache ich fast gar nicht"

Sportschau

Sportschau: Einige Dartprofis machen spezielles Mentaltraining. Sie auch?

Pietreczko: Nein, ich halte davon nicht viel. Entweder ich spiele gut oder eben nicht. Wenn ich eine 180 werfe, werfe ich eine 180. Wenn ich eine 26 werfe, dann kann ich es in dem Moment einfach nicht besser. Darüber habe ich mir noch nie Gedanken gemacht.

Das Interview führte Mats Nickelsen