Luke Humphries

Darts-WM "Cool Hand Luke" ist der Beste der Welt

Stand: 04.01.2024 13:56 Uhr

Luke Humphries galt als Topfavorit, der lange Weg zum Darts-Weltmeister war aber kompliziert. Auch mentale Probleme haben eine Rolle gespielt.

Von Mats Nickelsen

Am größten Abend seines Lebens fühlte sich der fast 25 Kilogramm schwere Pokal ganz leicht an. Luke Humphries – Spitzname "Cool Hand Luke" - brauchte nur den rechten Arm, um den Fans im Londoner Alexandra Palace die Trophäe zu präsentieren. Viel schwerer hatte sich wenige Minuten zuvor der 22 Gramm leichte Pfeil angefühlt, der zum Abschluss in die Doppel-Acht musste. "Mein Arm hat wie verrückt gezittert, zum Glück ist es gut gegangen", sagte der beste Dartsspieler der Welt im Siegerinterview auf der Bühne.

Fast alle Experten hatten Humphries als Topfavoriten ausgemacht, zu stark war sein Dartsjahr 2023. Dem ersehnten ersten Majortitel im Oktober folgten noch vor der WM zwei weitere große Turniersiege. Humphries ist aber anders als sein Finalgegner Luke Littler kein Shootingstar, sondern durchlief nach und nach alle wichtigen Entwicklungsschritte im System der Profiorganisation PDC. Los ging es auf der Developmenttour für Nachwuchsspieler, dort holte sich Humphries die Spielberechtigung für die Profitour. 2019 wurde er PDC-Juniorenweltmeister, bei der WM der Profis machte er mit einem Sieg gegen den Titelverteidiger Rob Cross auf sich aufmerksam.

Der Kampf mit den mentalen Problemen

Zuvor schien die Karriere fast schon vorbei zu sein, der junge Engländer kämpfte mit Panik- und Angstattacken. "Damit bin ich nicht der einzige hier in diesem Raum und auch nicht der einzige Profisportler", blickte Humphries am Abend seines größten Triumphes in der Presserunde im Alexandra Palace auf die schwierige Zeit zurück. "Darüber offen zu sprechen hat mir sehr geholfen. Ich habe auch viele Nachrichten von anderen Sportlern bekommen, die ähnliche Probleme haben."

Wer Fotos von Luke Humphries von vor fünf Jahren mit denen von heute vergleicht, bemerkt sofort den deutlichen Gewichtsverlust, ausgelöst durch die Pandemie. Die Pause vom stressigen Profizirkus tat gut. Mit den Reisen fiel auch das späte, ungesunde Essen nach Turnieren weg. Humphries machte mehr Sport, stellte seine Ernährung um und verbesserte sein Körpergefühl, ein wichtiger Schritt auf dem Weg zum Weltmeistertitel.

Leeds United gratuliert

Wie viele Dartsprofis ist auch Luke Humphries großer Fußballfan, vom Vater schon bei der Namensgebung vorgeschrieben. "Leeds United Kings of Europe", abgekürzt wird daraus Luke, der auch heute noch regelmäßig Spiele des aktuellen Zweitligisten im Stadion verfolgt. Der Klub gratulierte dem neuen Weltmeister über die sozialen Medien, weitere Einladungen werden sicher folgen. Humphries hat guten Kontakt zu einigen Spielern und auch zum deutschen Trainer Daniel Farke. Der fragte den Dartsprofi nach einem gemeinsamen Foto für seinen Sohn, eine "surreale Situation", so beschrieb es Humphries bescheiden im Interview mit dem "Daily Star".

Große Töne sind eh nicht die Sache des Mannes, der mit seiner Freundin einen anderthalbjährigen Sohn hat. Während andere Dartsprofis extrovertiert auf der Bühne und in Interviews auftreten, wirkt Humphries ruhig und reflektiert. "Ich bin keiner, der ständig sagt: 'Ich bin der Beste'. Ich lasse meine Darts sprechen". Vor dem Endspiel beantwortete er auch geduldig die zahlreichen Nachfragen zum Shootingstar Luke Littler, während andere Profis wie Michael van Gerwen oder Gary Anderson eher genervt vom Hype um den Teenager waren.

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Ruhig, sachlich, abgezockt

Diese innere Ruhe half auch auf der Bühne. Zwei Mal stand das WM-Aus kurz bevor, unter anderem im Match gegen den Deutschen Ricardo Pietreczko, der mit 3:1 führte und ganz dicht vor der großen Überraschung stand. Die vielen deutschen Fans pfiffen Humphries aus, der aber drehte genau im richtigen Moment auf und gewann das Drittrundenspiel, das er als "eines der schwierigsten meiner Karriere" bezeichnete. Böse Worte in Richtung der deutschen Fans sparte sich Humphries. "Das habe ich schon wieder vergessen", lachte er in der Presserunde nach dem WM-Titel. Er freue sich sogar sehr auf die nächsten Turniere in Deutschland.

Luke Humphries (l.) beim Finale gegen Luke Littler

Luke Humphries (l.) beim Finale gegen Luke Littler

Am Abend seines größten Triumphes dachte Luke Humphries auch schon an die kommenden Monate im gnadenlosen Mentalsport Darts. "Für den Moment bin ich vielleicht der beste Dartsspieler der Welt, das kann aber in ein paar Wochen auch schon wieder ganz anders aussehen." In den vergangenen zehn Jahren konnte nur einmal ein Weltmeister seinen Titel in London erfolgreich verteidigen.

Dieses Thema im Programm: Das Erste | Sportschau | 04.01.2024 | 13:34 Uhr