Skispringen | Vierschanzentournee Geheimsache Material: Die Suche nach dem perfekten Skisprunganzug

Stand: 30.12.2021 12:38 Uhr

In Sonthofen wird das ganze Jahr über an den perfekten Anzügen für die deutschen Skispringer getüftelt. Alles muss passen, sonst droht die Disqualifikation – wie beim Auftaktspringen der Vierschanzentournee.

Von Benjamin Wüst, Vanessa Sieck

Es ist ein starker Sprung auf 124,5 Meter, der Severin Freund in Oberstdorf ein breites Lächeln ins Gesicht zaubert. Der Rastbüchler liegt auf Top-10-Kurs, bis er wegen eines nicht regelkonformen Anzugs disqualifiziert wird und somit den zweiten Durchgang verpasst. "Ich habe eigentlich gedacht, dass es passt", sagte der 33-Jährige anschließend in der Sportschau: "Das ist ein Sport, in dem es auch um kleine Sachen geht."

Wettlauf mit den FIS-Reglements

Nur rund 20 Autominuten von der Oberstdorfer Schattenbergschanze entfernt entstehen die Skisprunganzüge der Deutschen – irgendwo in Sonthofen, wo genau, bleibt geheim. Für die Nationen ist es ein ewiges Wettrennen um das ideale Material. Jeder will das Bestmögliche für seine Athleten rausholen und reizt die gesetzten Grenzen des Ski-Weltverbandes aus. "Irgendwann kommt dann die FIS wieder und reglementiert. Dann machen wir uns neue Gedanken", erklärt der deutsche Co-Trainer Bernhard Metzler.  

Genaue Vorgaben und viel Detailarbeit bei Skisprunganzügen

Anhand der Maße des Springers wird der Anzug zunächst am Computer entworfen und geprüft, ob alles dem Reglement entspricht. Alles ist genauestens vorgeschrieben, auch die Position der Sponsoren. "Es geht um die individuelle Anpassung", sagt Metzler. Deswegen steckt in jedem Anzug viel Detailarbeit.

Der Stoff der rund 400 Euro teuren Anzüge besteht aus unterschiedlichen Materialien – aus Schaumstoff und einer Plastikmembran. Daraus den perfekten Anzug zu schneidern, ist eine große Herausforderung. "Es ist oftmals so, dass, wenn der Athlet geschwitzt hat, der Anzug nass ist, dann verändern sich die Luftwerte", erklärt Corinna Weissenborn, Schneiderin beim DSV. Auch die Außentemperatur kann Auswirkungen auf das Material haben.

Auf den ersten Blick ist der Anzug vielleicht nur ein Stück Stoff, für die Springer ist er aber mehr, erzählt Corinna Weissenborn: "Gerade auch Markus Eisenbichler, der sagt, das ist ein Fluggerät für ihn und nicht einfach ein Kleidungsstück, sondern schon was Besonderes."

Für wichtige Wettkämpfe gibt es einen neuen Anzug

Wenn ein Springer mit einem Anzug nicht klarkommt, kommt er oft direkt zu Schneiderin Weissenborn und möchte einen neuen. "Oft ist es Kopfsache. Wenn man mit einem nicht klarkommt, springt man doch lieber in einem neuen", erklärt sie.

Für wichtige Wettkämpfe gibt es ohnehin immer einen neuen. Präzise genäht, denn wenn er zu weit ist, droht die Disqualifikation. So wie bei Freund in Oberstdorf. Der Rastbüchler ärgerte sich zwar, zeigte sich nach außen hin trotzdem recht gelassen: "Das wird kontrolliert, und das ist auch gut so. Das muss man dann einfach akzeptieren und beim nächsten Mal besser machen."