Skriennfahrer Marc Girardelli 1991

Wechsel zu einem anderen Verband Wenn Wintersportler die Nation wechseln

Stand: 08.03.2024 17:47 Uhr

Der Norweger Lucas Braathen geht künftig für Brasilien an den Start. Das Slalom-Ass ist nicht der einzige Sportler, der die Nation gewechselt hat. Die Liste ist gespickt mit prominenten Namen.

Von Nicole Hornischer

Lucas Braathen kündigte am Donnerstag (07.03.24) seinen Rücktritt vom Rücktritt an und teilte mit, dass er künftig aber nicht mehr für Norwegen, sondern für Brasilien an den Start gehen wird. Der Nationenwechsel ist spektakulär - denn bislang hat sich Brasilien mehr im Fußball als im Wintersport einen Namen gemacht.

So ungewöhnlich, wie es auf den ersten Blick aussieht, ist diese Entscheidung aber nicht: Schon immer gab es "Fremdfahrer" im Wintersport. Meistens waren Streitigkeiten mit dem Heimatverband Auslöser für einen Wechsel.

Girardelli: "Irgendwann wurde es uns zu blöd"

So wie beim gebürtigen Vorarlberger Marc Girardelli, dem wohl prominentesten Namen in der Liste der Verbandswechsel. Bereits als Zwölfjähriger schloss er sich dem luxemburgischen Skiverband an, da sein Vater dem Österreichischen Skiverband (ÖSV) vorwarf, seinen Sohn zu wenig zu fördern. "Wir spürten viel Gegenwind im Vorarlberger Skiverband. Mein Vater wollte professionell trainieren, die anderen eher lockerer, es gab Eifersüchteleien. Irgendwann wurde uns das zu blöd", sagte Girardelli in einem Interview mit der Neuen Zürcher Zeitung.

Es folgte eine unglaubliche Karriere. Girardelli gewann fünf Mal den Gesamtweltcup, holte elf WM-Medaillen - davon vier Goldene - und zwei Olympische. Luxemburg war plötzlich eine Skination.

Albanien - neue starke Skination dank einer Italienerin?

Auch Albanien, bislang nicht unbedingt für Ski Alpin bekannt, könnte bald im Skizirkus für Furore sorgen: Lara Coltur, Tochter von Daniela Ceccarelli, Olympiasiegerin im Super-G 2002, gilt als der künftige Superstar im alpinen Skisport. Die 17-Jährige ist gebürtige Italienerin, entschied sich aber 2022, für Albanien zu fahren, um sich schon früh einen Weltcup-Startplatz sichern zu können. Möglich war das, weil Athleten unter 16 Jahren ohne Zustimmung des Verbands wechseln können.

FIS: Wechsel nur bei persönlicher Verbindung zur neuen Nation

Ansonsten sind die Regularien der FIS, was einen Nationenwechsel anbelangt, eher streng: Eine Genehmigung erfolgt nur, wenn der Athlet eine persönliche Verbindung mit der neuen Nation darlegen kann und der alte Verband dem ganzen Prozedere zustimmt. In Regel 203 der Internationalen Skiwettkampfordnung (IWO) heißt es dazu:

Bevor ein Antrag zur Lizenzänderung eingereicht wird, muss der Wettkämpfer die Staatsbürgerschaft und den Reisepass des Landes besitzen, für das er Wettkämpfe bestreiten möchte. Ferner muss der Wettkämpfer seinen tatsächlichen rechtlichen Hauptwohnsitz während mindestens zwei (2) Jahren unmittelbar vor dem Datum des Antrags auf Lizenzänderung auf das neue Land/den neuen Nationalen Skiverband gehabt haben. Eine Ausnahme der 2-jährigen Hauptwohnsitzregelung tritt ein, wenn der Wettkämpfer auf dem Staatsgebiet des neuen Landes geboren wurde oder sein Vater oder seine Mutter Staatsbürger des neuen Landes ist. Anträge werden nicht akzeptiert, wenn ein Elternteil einen Reisenpass für das neue Land erhalten hat, aber nicht in diesem Land wohnhaft ist, und/oder es keine Familienabstammung gibt.
Regel 203 der Internationalen Skiwettkampfordnung

So klappt es mit dem Wechsel

Weil Braathen eine brasilianische Mutter hat, ist der Wechsel von Norwegen nach Brasilien schon zur kommenden Saison möglich. Romed Baumann, der 2019 vom ÖSV zum Deutschen Skiverband wechselte, nahm nach seiner Heirat mit einer Deutschen die deutsche Staatsbürgerschaft an und verlegte seinen Hauptwohnsitz nach Bayern - und ist damit startberechtigt für Deutschland. 2021 holte er in der Super-G WM-Silber.

Auch für Katharina Gutensohn war Ende der 1980er Jahre der Wechsel vom ÖSV zum DSV wegen ihres deutschen Ehemanns zwar relativ probemlos, allerdings weniger geräuschlos. Immer wieder kam es zwischen ihr und dem ÖSV zu Meinungsverschiedenheiten - der Streit gipfelte 1989 mit der Suspendierung für drei Rennen. Für die WM im gleichen Jahr in Vail wurde Gutensohn nicht nominiert. In ihrer ersten Saison für den DSV siegte sie in zwei Abfahrten aufeinander und gewann den Abfahrtsweltcup.

Den jüngsten Nationenwechsel im DSV fand 2022 statt: Roni Remme kam vom kanadischen Skiverband zum DSV. Ihre Großmutter stammt aus Deutschland, das erleichterte den Wechsel. Bislang schaffte die 28-Jährige den erhofften Durchbruch nicht.

Skirennfahrerin Roni Remme

Weit aus besser lief es da damals für Fritz Dopfer. 2007 kam der Deutsch-Österreicher vom ÖSV zum DSV - weil er sich in Deutschland bessere Entwicklungsmöglichkeiten versprach. Schon ein Jahr später folgte der erste Podestplatz im Europacup, 2011 schaffte er es im Riesenslalom auf das Podium. Sein größter Triumph gelang ihm 2015, als er Vize-Weltmeister im Slalom wurde.

"Fahnenflucht" auch bei anderen Wintersportarten - der Fall Mühlegg

Aber nicht nur im alpinen Skizirkus kam es zu "Fahnenflucht". Im Langlauf machte Johann Mühlegg Schlagzeilen, als er unter spanischer Flagge startete und bei den Olympischen Spielen 2002 zwei Goldemedaillen holte, die ihm aber wegen Dopings wieder aberkannt wurden. Dem Nationenwechsel vorausgegangen war ein jahrelanger Streit mit dem damaligen Langlauf-Bundestrainer Georg Zipfel. Es ging um "besprochene Getränke" und Spiritismus - Mühlegg fühlte sich vom Bundestrainer verhext und suchte Hilfe bei einer angeblichen Wunderheilerin - 1998 warf der DSV den Allgäuer schließlich raus.

Im Biathlon sorgte der Wechsel von Olympiasieger Michael Rösch nach Belgien für Furore, nachdem er beim DSV keine große Rolle mehr spielte. An seine früheren Leistungen konnte Rösch nicht mehr anknüpfen. Sein bestes Ergebnis war ein sechster Platz 2016 bei einem Verfolgungsrennen.