Ski Alpin | Saisonstart der Speed-Fahrer Silber-Jungs Sander und Baumann: Olympia-Medaillen im Blick

Stand: 25.11.2021 15:42 Uhr

Die deutschen Speed-Männer zählen zum Saisonstart zu den Top-Fünf-Kandidaten. Erstmals seit den Zeiten von Markus Wasmeier stellen sie wieder ein schlagkräftiges Olympia-Team. Dabei ist der konstant stärkste Fahrer der Vorjahre noch gar nicht dabei.

Romed Baumann bremste ab, legte seine Skistöcke in die linke Hand ab und schwang seine Faust im Triumph durch die Luft. Ehe der der 35-jährige Skirennfahrer der Kamera im Zielbereich ein gewaltiges "Jaaawoi!" entgegen- und so in die Welt hinausschrie. Baumann hatte es allen gezeigt, so in etwa hatte er sich die Zieleinfahrt beim Super-G der Ski-Weltmeisterschaft in Cortina d’Ampezzo vorgestellt. Der gebürtige Österreicher, der im oberbayerischen Kiefersfelden lebt und nach einem Nationenwechsel seit zwei Jahren für den Deutschen Skiverband (DSV) antritt, fuhr zu WM-Silber im Super-G – als erster Deutscher überhaupt.

Baumann und Sander holen Silber in Cortina d'Ampezzo

"Romed, du wilder Hund, du", schrien die Kommentatoren aus seiner alten Heimat in ihre Mikrofone beim ORF. Nichts ahnend, dass drei Tage später noch "ein Piefke" überzeugen sollte: Andreas Sander holte in der Abfahrt ebenfalls Silber, ebenfalls hinter dem Österreicher Vinzenz Kriechmayr.

Es war die erste DSV-Abfahrtsmedaille seit Florian Eckerts Bronze vor 20 Jahren. Um im Ton der Nachbarn zu bleiben: Wild war es in der Tat, was die Deutschen da geschafft hatten.

Geht es jetzt ganz nach oben?

An diesem Wochenende kehren die Silber-Jungs Baumann und Sander sowie ihre Kollegen Josef Ferstl, Simon Jocher und Dominik Schwaiger aus der Speed-Sparte mit der Abfahrt in Lake Louise (Freitag, ab 20 Uhr im Sportschau-Ticker) zurück in den Ski-Weltcup.

Im kanadischen Wintersportort sind außerdem noch eine weitere Abfahrt am Samstag und ein Super-G am Sonntag geplant. "Die Strecke ist in einem sehr guten Zustand und durch die künstlich eingebauten Wellen sehr interessant. Wir sind gespannt, wie sich die Piste im Laufe der nächsten Tage entwickeln wird", sagt der Bundestrainer Christian Schwaiger.

Markus Wasmeier bislang letzter Männer-Olympiasieger

Er erlebt in den nächsten Tagen die erste Standortbestimmung für die Ski-Elite im Olympia-Winter. Logisch, dass nach den Erfolgen in Cortina die Frage nach weiteren Medaillen, vielleicht sogar goldenen aufkommt: "Wir schicken eine große Mannschaft hin", sagte Baumann zuletzt im Gespräch mit dem Sport-Informationsdienst, "da wird hoffentlich die ein oder andere goldene für Deutschland dabei sein."

Aus Sicht der deutschen Abfahrer klingt das angriffslustig wie lange nicht – und rührt schlicht daher, dass das Speed-Team seit den Zeiten des bis heute letzten deutschen Männer-Olympiasiegers Markus Wasmeier nicht mehr so erfolgreich unterwegs war.

Wasmeier brachte 1994 zwei Goldmedaillen aus Lillehammer mit nach Hause, bei den Frauen gewann Maria Höfl-Riesch zuletzt 2014 in Sotschi Olympia-Gold in der Kombination.

Top fünf bis zehn - Alpinchef Maier steckt Ziele zum Auftakt

Bekanntschaft mit der Piste in Lake Louise haben die Skirennfahrer in den vergangenen Tagen gemacht. Im ersten Training belegten Baumann als Zehnter und Jocher als Zwölfter, im zweiten Sander als Sechster und Schwaiger als Siebter die besten Plätze für den DSV – bei allerdings äußerst wechselhaften Bedingungen.

Insgesamt spiegeln diese Ergebnisse aber auch den gestiegenen Anspruch des DSV-Alpindirektors Wolfgang Maier wider. "Wir wissen, was wir leisten können. Ich habe schon die Erwartung, dass wir bei den besten fünf, besten zehn dabei sind." Besonders gut gefalle ihm, dass seine Speed-Fahrer die neue Saison "mit einer gewissen Bescheidenheit, aber zielgerichtet angehen. Das zeichnet sie aus."

Verletzter Dreßen fehlt dem Team wohl noch bis Januar

Verblüffend ist diese neue Stärke auch, weil der in den vergangenen Jahren stärkste Speedfahrer Thomas Dreßen (Abfahrtsweltcup-Zweiter 2019/20 und -Dritter 2017/18), der 2019 in Lake Louise gewann, bislang noch gar nicht mitfahren kann. Er kuriert noch eine Knie-OP aus, bei der ihm freie Knorpelstücke entfernt und der Knorpel geglättet wurden.

"Beim Thomas ist es so: Beginnt man zu früh, kann es ihm die Karriere kosten", sagte Maier Ende Oktober in der TV-Sendung Blickpunkt Sport im BR. Dreßen habe noch "sechs, sieben oder acht gute Jahre vor sich", da müsse er den Saisonstart dieses Jahr nicht überstürzen. Der 27-Jährige wird daher wohl erst im Januar an den Start gehen können.

Andreas Sander: "Ich habe noch einiges vor"

Aber auch ohne Dreßen, der schon in der Vorsaison lange verletzt fehlte, war zu bemerken: Über die Jahre ist das Team unter dem Bundestrainer Schwaiger immer schlagkräftiger geworden, das konnte man vor allem am Beispiel Sander beobachten. Aus Top-30-Platzierungen wurden nach und nach Top-20-, Top-15- und Top-10-Ergebnisse – und im vergangenen Winter bei der WM eben das erste Podest seiner Karriere.

Jetzt sagt Sander: "Ich habe noch einiges vor und hoffe, dass ich nochmal einen draufsetzen kann." Er wünscht sich, nun konstant vordere Plätze zu erfahren – Maier traut ihm das zu: "Der Andi ist nicht mehr so sprunghaft." Und Baumann? "Der ist eh ein cooler Hund." Manchmal aber auch ein wilder.