Rennrodeln Stürze und Verletzungen - ist die Rodel-Olympiabahn zu gefährlich?

Stand: 22.11.2021 10:59 Uhr

Die Olympia-Bahn in Yanqing sorgt für Schlagzeilen: Erst monierten die Athleten den Protzbau, jetzt wird immer deutlicher, dass die Bahn auch extrem schwer zu beherrschen ist. Sturz-Serien und Diskussionen waren die Folge.

Es ist eine Bahn der Superlative, aber auch eine Bahn, die ein großes Sturzrisiko birgt. Das zeigte der erste Rodel-Weltcup in dieser Saison auf der spektakulären neuen Olympia-Bahn in Yanqing. Auch die deutschen Top-Rodler bekamen die Tücken der chinesischen Bahn zu spüren - und nicht alle kamen auf dem Schlitten ins Ziel.

Natalie Geisenberger stürzte in der "Olympia-Schlange" genauso wie die Doppelsitzer Toni Eggert/Sascha Benecken. Andere vermieden den Sturz, waren aber im Kampf um vordere Plätze chancenlos. Fast immer war Kurve 13 das Problem.

Schwab: "Bahn ist sehr kompliziert"

"Die Bahn ist sehr kompliziert", sagte Thomas Schwab, Vorsitzender des Bob- und Schlittenverbandes für Deutschland (BSD), nach dem Wettbewerb im "Deutschlandfunk". Er sei in ihren Bau integriert gewesen und habe gewusst, dass die Stelle unten auf der Bahn sehr selektiv sei.

Das ist noch nett umschrieben. Die zwei Schikanenkurven kurz vor dem Ziel haben es in sich. "Wer dort nicht die richtige Position erwischt, hat keine Haftung auf dem Eis", beschreibt es Schwab.

Viele knifflige Stellen

Die Bahn wirkt mit ihren 16 Kurven in den Bergen nordwestlich von Peking harmlos. Das Problem ist auch nicht die irre Geschwindigkeit, die einst in Whistler bei den Spielen 2010 den Georgier Nodar Kumaritaschwili sogar das Leben kostete.

Die Bahn in China hält andere Herausforderungen bereit. Hier zählt nicht unbedingt die Geschwindigkeit am Start, sondern das Gefühl und die richtige Linie in den großen Kurvenradien.

Stürze am Fließband

Vor allem in der Teamstaffel und im Frauen-Rennen hielt der TV-Zuschauer nicht nur einmal den Atem an. Geisenberger und die Russin Tajana Iwanowa schlitterten ohne Schlitten ins Ziel. Julia Taubitz verhinderte den Sturz genau wie die Amerikanerin Summer Britcher (USA) nur haarscharf. In der Teamstaffel stürzten Eggert/Benecken. Russland, Polen, Ukraine kamen nicht ins Ziel.

Polnischer Rodler erlebte Albtraum

Von schweren Verletzungen blieben die Rodler verschont. So viel Glück hatte der polnische Rodler Mateusz Sochowicz nicht. Mitte November erlebte er bei einer Trainingsfahrt einen Albtraum. Er prallte gegen eine Absperrung, die eigentlich hätte offen sein müssen, wenn ein Schlitten in der Bahn ist.

Sochowicz selbst verhinderte Schlimmeres. Er habe den Schlitten unter sich wegrutschen lassen und eine Skifahrer-Position eingenommen, erzählt er später. So wollte er über das Hindernis springen. Der Versuch scheiterte. Sochowicz zog sich schwere Knie- und Beinverletzungen zu.

Kritik am Gigantismus

Für viel Kritik hatte im Vorfeld der gigantische Bau gesorgt. Die millionenschwere Konstruktion aus Beton, Eisen und Stahl sei "übertrieben, überdimensional, es ist Protz, um der Welt zu zeigen, was sie können", sagte Felix Loch kürzlich. "Es schaut schön aus", sagte Loch: "Aber es passt einfach nicht mehr in die Welt, die sich ja gerade über Nachhaltigkeit Gedanken macht."

Schwab, der ebenfalls eine Funktion im Weltverband hat, erklärte, man habe keinen Einfluss auf die Dimensionen beim Bau gehabt. Die Chinesen hätten so üppig gebaut, weil die Bahn danach für touristische Zwecke genutzt werden soll. Stellt sich nur die Frage: Wie sollen Touristen rodeln, wenn schon Top-Stars Probleme haben? Im Rodeln werde sie im Freizeitbereich eher nicht genutzt, im Bob schon, glaubt Schwab.

Bob-Star Friedrich: "Neues und Schwieriges dabei"

Die Bob-Piloten bestritten ihren Weltcup-Auftakt in Innsbruck/Igls, waren für Tests aber auch schon in Yanqing und von der größten Bahn durchweg begeistert. "Es ist viel Neues und Schwieriges dabei. Wir werden das schon meistern und ein, zwei Tage brauchen, bis wir uns 100 Prozent auskennen", sagte Rekordsieger Francesco Friedrich.

Die Bahn sei schwierig, aber nicht gefährlich. Das mache es umso schöner. Für die Bobsportler ja, für die Rodler (noch) nicht.