IOC-Sportfdirektor Kit McConnell auf einer Pressekonferenz
interview

Nordische Kombination bei Olympia IOC-Direktor McConnell - "Wir sehen eine geringe Attraktivität"

Stand: 18.11.2022 20:57 Uhr

Kit McConnell ist seit 2014 Sportdirektor des IOC und damit für das olympische Wettkampfprogramm mitverantwortlich. Zuvor arbeitete der 49-Jährige über ein Jahrzehnt als Turnierdirektor für den Rugby-Weltverband. Im Sportschau-Interview spricht er über die Gründe für das drohende Olympia-Aus der Nordischen Kombination und die Chancen, doch Teil des Wettkampfprogramms zu bleiben.

Sportschau: Das IOC hat bei der Veröffentlichung der Sportarten für die Olympischen Spiele 2026 in Mailand die erstmalige Ausrichtung von Frauen-Wettbewerben in der Nordischen Kombination nicht berücksichtigt. Was waren die Gründe dafür?

Kit McConnell: Zunächst möchte ich betonen, dass Geschlechter-Gerechtigkeit sehr wichtig für das IOC ist. Bezogen auf die Nordische Kombination gibt es aus unserer Sicht zwei Dinge zu beachten. Erstens haben wir uns die Popularität der Männer-Wettbewerbe angeschaut. Bei Olympia sehen wir eine geringe Anzahl der Nationen die Medaillen gewinnen und eine geringe Attraktivität der Sportart. Bei den letzten drei Spielen sind 27 Medaillen vergeben worden in der Nordischen Kombination, dabei haben nur vier verschiedene Nationen Medaillen gewonnen. Dazu hat die Sportart - weltweit betrachtet - bei den letzten Olympischen Winterspielen die geringste mediale Aufmerksamkeit erfahren - was das Fernsehen und die digitale Verbreitung betrifft. Wir diskutieren das offen mit dem Internationalen Skiverband - auch vor dem Hintergrund der Olympischen Spiele 2030. Weil die Männer sich bereits auf 2026 vorbereiten, haben wir entschieden, die Männer im olympischen Programm für 2026 zu belassen.

Dann haben wir uns die Frauen angeschaut. Da hat es eine erste Weltmeisterschaft gegeben, mit 10 Nationen, dominiert von den wenigen großen Nationen in der Nordischen Kombination. Wir sehen hier derzeit weder die Vielfältigkeit, noch den öffentlichen Zuspruch und auch kein breites Leistungs-Niveau, um eine Aufnahme ins olympische Programm zu rechtfertigen. Auch vor dem Hintergrund, dass die Männer ebenfalls ihre Probleme haben, was Aufmerksamkeit und Einschaltquoten betrifft.

Die deutsche Svenja Würth beim Langlauf bei der WM der nordischen Kombination

Um es klar zu sagen - der Platz der Männer für 2030 ist nicht garantiert. Wir wollen hier eine deutliche Entwicklung in Bezug auf die Popularität und breitere Spitze sehen.

Wie sehr müssen nun auch die Männer um den Bestand der Nordischen Kombination als Teil von Olympia fürchten?

McConnell: Wir alle haben das gleiche Ziel - eine starke Nordische Kombination als Teil des olympischen Programms. Deshalb haben wir die Männer auch im Programm für 2026 belassen, um der Sportart die Chance zu geben, eine Entwicklung zu starten. Dabei werden übrigens nicht nur die Daten der Olympischen Spiele eine Rolle spielen, sondern auch die von Weltcups und Weltmeisterschaften - sowohl was die Männer, aber auch was die Frauen betrifft. Besonders schauen wir natürlich darauf, wie viele Zuschauer die Nordische Kombination bei Olympia 2026 gewinnen kann. Direkt danach werden wir das auswerten - und die Entscheidung für 2030 treffen.

Drei Athleten beim Langlauf bei den olympischen Spielen 2022 in Peking

Sie haben gesagt, dass die Aufmerksamkeit der Zuschauer das wichtigste Kriterium ist. Bezieht sich das auf Zuschauer vor Ort, oder vor allem auf die Menschen an den Bildschirmen?

McConnell: Natürlich ist auch wichtig, wie viele Zuschauer vor Ort dabei sind. Aber ehrlicherweise ist es ja so, dass olympische Wettbewerbe fast immer ausverkauft sind, egal um welche Disziplin es geht. Deshalb ist es für uns besonders wichtig, wie viele Menschen schauen die Live-Übertragungen im Fernsehen, die zeitversetzten Übertragungen - je nachdem in welcher Zeitzone die Spiele stattfinden, die Follower auf Social Media und die allgemeine mediale Aufmerksamkeit um die Wettbewerbe. TV-Zuschauer und Online-Berichterstattung sind zwei Dinge, mit denen die Nordische Kombination bei vergangenen Spielen zu kämpfen hatte und die sich aus unserer Sicht deutlich nach vorne entwicklen müssen. Wie gesagt - nicht nur während Olympia 2026, sondern auch bei der WM 2025 und den Weltcups 2025/26.

Zurück zum Thema Frauen. Sie haben gesagt, dass 2026 die Winterspiele mit der größten Geschlechter-Gerechtigkeit jemals stattfinden werden. Andererseits sind die Frauen, die in den vergangenen Jahren einen guten Prozess der Entwicklung hingelegt haben, nicht berücksichtigt worden. Können Sie verstehen, dass die Athletinnen dann durchaus erstaunt sind von ihren Worten der Geschlechter-Gerechtigkeit?

McConnell: Natürlich verstehen wir, dass alle Athletinnen und Athleten bei Olympia dabei sein wollen, weil Olympia nun einmal das ultimative Format ist. Aus unserer Sicht gibt es aber zwei wichtige Voraussetzungen dafür - die öffentliche Aufmerksamkeit und die Teilnehmer-Länder. Die Sportart hat hier die Chance, gemeinsam mit der FIS in den nächsten Jahren eine deutliche Steigerung hinzulegen - sowohl was die teilnehmenden Länder als auch die Verteilung der Podiumsplätze sowie neue Zuschauer-Gruppen betrifft.

Nun macht der Ausschluss der Frauen von den Spielen 2026 den Prozess nicht leichter. Die nationalen Sportverbände werden von den Regierungen finanziert, diese schauen vor allem auf olympische Sportarten. Nach der Absage für die Frauen in Bezug auf 2026 wirkt das wie eine Vollbremsung. Viele Athletinnen fragen sich: Ergibt es überhaupt Sinn, weiter in den Sport zu investieren? Wie diskutieren Sie diesen Fakt mit der FIS und den nationalen Verbänden?

McConnell: Wir verstehen natürlich, dass die Investitionen groß sind, bevor man Teil des olympischen Programms sein kann. Wichtig für die Frauen ist zunächst, dass auch die Männer 2030 weiter Teil des olympischen Programms sind. Wir sehen, dass die FIS hier einiges unternimmt, und wir würden uns eine starke Nordische Kombination sehr wünschen. Die Möglichkeit ist da, dem IOC zu zeigen, wie sehr sich die Sportart bis 2026 entwickelt hat.

Die japanerin Sana Azegami beim Sjkispringen bei der WM der Nordischen Kombination 2021

Wie arbeiten IOC und FIS konkret zusammen, um das große Ziel - ein Verbleib der Nordischen Kombination im olympischen Programm über 2026 hinaus, sowie das Hinzufügen von Frauen-Wettbewerben - zu erreichen?

McConnell: Zunächst ist die Kommunikation mit der FIS sehr klar und offen. Wir haben detailliert benannt, warum das IOC Executive Board die Entscheidung für Olympia 2026 getroffen hat, was die Aufgaben für die Nordische Kombination sind und was wir bis 2026 erwarten. Wir haben uns auch direkt mit den Athletensprechern in Verbindung gesetzt, weil uns wichtig war, dass auch sie die Hintergründe unserer Entscheidung verstehen, und was nötig ist, um die Nordische Kombination nach vorn zu entwicklen.

Eines der größten Hindernisse für die olympischen Zukunft der Nordischen Kombination sieht das IOC in der geringen Anzahl von Top-Nationen und der damit verbundenen geringen Verteilung der Medaillen-Plätze. Die nationalen Verbände haben bereits darauf reagiert, und ein "Nationen für Nationen"-Programm gestartet. Die starken Verbände unterstützen zwei bis drei kleinere Länder mit Trainingsmöglichkeiten, Material und Know-how. Wie sieht das IOC diese ersten Schritte?

McConnell: Die Details der Entwicklung überlassen wir der FIS und den nationalen Verbänden. Wir fördern die FIS und die nationalen olympischen Komitees aus den Einnahmen der Olympischen Spiele. An diesen liegt es dann, Prioritäten zu setzen und die entsprechenden Investitionen vorzunehmen, um die vorgegebenen Ziele zu erreichen.

Das Gespräch führte Torsten Püschel.