Nordische Kombination Bundestrainer Weinbuch - "Sieg nur noch über das Skispringen"

Stand: 26.11.2021 09:45 Uhr

Die deutschen Kombinierer gehen traditionell als Mitfavoriten in die Saison. Zuletzt war die Konkurrenz vor allem auf der Schanze enteilt. Kein Wunder, dass der Fokus auf dem Springen lag. Bundestrainer Hermann Weinbuch im Interview über Entwicklungen, die besten Pferde im Stall und seinen auslaufenden Vertrag.

Sportschau: Am Wochenende geht es los: Sind Sie zufrieden mit der Vorbereitung?

Hermann Weinbuch: Die Vorbereitung war ganz gut und lief soweit nach Plan. Wir sind ohne größere Verletzungen und Krankheiten durchgekommen. Manuel Faißt musste nach einem Sturz für zehn Tage aussetzen und Eric Frenzel war zwischendurch etwas müde, hat sich aber schnell gefangen.

Lag der Fokus wieder auf dem Springen?

Weinbuch: Ja. Wir wissen, dass dort enorme Entwicklungen stattfinden. Wir sind letzte Saison schon wesentlich besser gesprungen, aber die Konkurrenz schläft auch nicht.

Sportschau: Das Springen scheint in der Nordischen Kombination immer mehr zum entscheidenden Faktor zu werden.

Weinbuch: Vor ein paar Jahren war das Laufen das Wichtigste, jetzt geht der Sieg nur noch über das Skispringen. Das ist einem Jarl Magnus Riiber geschuldet, der in Norwegen das Niveau eines Spezialspringers hat. Das Level ist dadurch so hoch, da müssen wir nachziehen.

Sportschau: Finden Sie diese Entwicklung gut?

Weinbuch: Wenn man gut springt, ist das eine tolle Sache, aber es gibt auch Begleiterscheinungen.

Sportschau: Sie spielen auf das Gewicht an?

Weinbuch: Leicht fliegt bekanntlich weit. Wir befassen uns damit natürlich, aber das Rad wird ja nicht neu erfunden.

Sportschau: Welche Erwartungen haben Sie insgesamt an die Saison?

Weinbuch: Wir haben ein sehr starkes, ausgeglichenes Team und sind mit der Entwicklung wirklich zufrieden. Ich denke, wir sind gut drauf. Ich erwarte, dass wir besser springen. Wir werden gut laufen, da bin ich mir sicher. Unser Ziel ist es, nahe an die Weltmeister Riiber und Lamparter heranzukommen. Da wollen wir möglichst auf Schlagdistanz sein.

Sportschau: Wer ist Ihr bester Athlet derzeit?

Weinbuch: Das kann ich nicht sagen. Es kann sich von Tag zu Tag ändern. Wir hatten vor einer Woche einen Testwettkampf, den hat Manuel Faißt im Zielsprint gegen Fabian Rießle und Johannes Rydzek gewonnen. Die anderen waren aber auch nur zwei, drei Sekunden dahinter. In Kuusamo kann es schon wieder ganz anders aussehen. Das ist eine richtig geile Schanze, um die zu beherrschen muss man ein moderner, kompletter Springer sein. Die Schanze bestraft einen Fehler mehr als andere, ist aber sehr windanfällig und man braucht auch Glück.

Sportschau: Sie haben sieben gute Kombinierer, aber nur fünf Jungs dürfen mit zu den Spielen. Bereitet das einem Trainer Sorge?

Weinbuch: Ich bin froh, dass ich sieben Starke habe. Es wird sicher eine schwere Entscheidung werden und ich habe aus diesem Grund auch die interne Qualifikationsnorm erhöht. Um sicher reinzukommen, muss man zweimal unter die besten sechs und dreimal unter die besten acht kommen. Normalerweise reicht es, zweimal unter die besten 15 zu kommen, aber das traue ich allen meinen Leuten zu. Um keinen Qualifizierten wieder rausnehmen zu müssen, habe ich es höher angesetzt.

Sportschau: Im Biathlon wurden die letzten Weltcupplätze nach einem internen Ausscheid vergeben. Wie war das in der Nordischen Kombination?

Weinbuch: Bei uns haben mehrere Punkte eine Rolle gespielt. Das Training und die Einstellung das ganze Jahr über, die Ergebnisse beim Sommer Grand Prix und bei den Deutschen Meisterschaften und die Trainingseindrücke. Letztes Jahr war es sehr knapp. Diesmal haben sich die sieben Athleten klar durchgesetzt. Jakob Lange und David Mach haben wir schon verloren. Sie haben sich rausqualifiziert.

Sportschau: Bester Athlet aus Ihrem Team war Vinzenz Geiger als Gesamt-Weltcup-Zweiter. Welche Erwartungen haben Sie an ihn?

Weinbuch: Er hat die größten Voraussetzungen aus unserem Team. Er hat gut trainiert und ist im Springen stabiler geworden. Letztes Jahr waren seine Sprungleistungen ja doch unbeständig, daran hat er gearbeitet und einen Schritt nach vorn gemacht. Ich glaube, er ist konstanter geworden.

Sportschau: Ein Musterbeispiel in Sachen Akribie ist Eric Frenzel. Wie haben Sie seine Vorbereitung erlebt – es ist ja schon seine 15. Saison?

Weinbuch: Ich bewundere ihn sehr. Es ist unglaublich, dass er seit 15 Jahren im Weltcup marschiert und immer noch Topleistungen erzielt. Er merkt aber auch, dass die 15 Jahre nicht spurlos vorübergegangen sind. Er muss seine Kräfte gut einteilen, hat auch Downs, kämpft sich aber immer wieder hoch. Speziell im Herbst hat er sehr gute Leistungen gebracht. Wenn er mal einen Lauf kriegt, wird er sehr gefährlich werden.

Sportschau: Könnte es sein, dass Eric Frenzel zwischendurch mal eine Pause bekommt?

Weinbuch: Das ist möglich, aber erst einmal geht es um die Olympia-Qualifikation und die muss er im Sack haben, bevor man taktische Dinge machen kann.

Sportschau: Der einstige Überflieger Johannes Rydzek wurde im Gesamt-Weltcup Elfter, sein zweitschlechtestes Ergebnis seit 2013. Bei der WM war er praktisch nicht präsent. Wie war seine Sommervorbereitung?

Weinbuch: Johannes hatte eine längere Krise. Zwei Jahre war er direkt weg. Letztes Jahr hatte er zum Schluss die ersten Erfolgserlebnisse und diesen Schwung hat er im Sommer gut mit reingebracht. Er ist technisch im Springen um einiges vorwärts gekommen und hat sich auch im mentalen Bereich entwickelt. Im Sommer GP war er unser Bester und auch bei der Deutschen Meisterschaft hat er gewonnen. Er hat sich aus dem Loch gezogen und jetzt hoffentlich zu alter Stärke zurückgefunden.

Sportschau: Rydzek kritisierte unlängst die Vergabe an Peking scharf. Sehen Sie das ähnlich?

Weinbuch: Mir wäre es schon lieber, wenn Olympia in Europa bei uns in der Nähe stattfinden würde. Wir fahren schon mit gemischten Gefühlen rüber. Unser Fokus ist jetzt aber der gute Start in den Weltcup. Und dann sehen wir, wie es mit Olympia funktioniert. Einhundertprozentige Freude kommt nicht auf.

Sportschau: Kennen Sie die Olympia-Strecken?

Weinbuch: Wir waren noch nicht an der Strecke. Ich habe bisher nur das Streckenprofil gesehen und da war nichts Außergewöhnliches dabei. Der Schnee wird sicher eher das große Thema. Es wird ja alles Kunstschnee sein, man hat gehört, dass auch mit Sand gearbeitet wird. Das macht mir mehr Kopfzerbrechen, als ob der Anstieg steil oder die Strecke kurvig ist.

Sportschau: Mit welchen Zielen geht’s zu den Olympischen Spielen?

Weinbuch: Wir sind weltspitze und waren immer ganz vorn dabei. Das Ergebnis von vor vier Jahren dürfen wir nicht zum Maßstab nehmen, aber unser Ziel ist es, in jedem Wettkampf eine Medaille zu holen.

Sportschau: Seit mehreren Jahren wird spekuliert, wann Sie Ihr Amt niederlegen. Sie haben jetzt bis Olympia zugesagt. Können Sie uns schon mehr verraten?

Weinbuch: Mein Vertrag läuft aus. Wie es danach weitergeht, wird die Saison zeigen. Dann wird man sehen, was mein Gefühl sagt und, ob ich den Jungs noch etwas geben kann. Dass ich die Mannschaft auch in der kommenden Saison noch trainiere, ist nicht ganz ausgeschlossen.

Sportschau: Gibt es etwas, dass Ihnen Bauchschmerzen vor dieser Saison bereitet?

Weinbuch: Über Corona macht man sich schon Sorgen. Was ist speziell, wenn man in China zwei Wochen in Quarantäne muss. Das macht mir Bauchschmerzen und ist eine hohe Belastung.

Das Interview führte Sanny Stephan.