Kamila Walijewa bei den Olympischen Winterspielen in Peking.

Eiskunstlauf "Lächerlich" - Seppelt kritisiert Walijewas Doping-Freispruch

Stand: 14.01.2023 12:52 Uhr

Die russische Anti-Doping-Agentur hat ihre Eiskunstläuferin Kamila Walijewa von einem schuldhaften Dopingvergehen freigesprochen. ARD-Experte Hajo Seppelt nennt das "lächerlich", weltweit gibt es Entrüstung.

Die WADA ist "besorgt" und droht mit weiteren juristischen Schritten, Amerikas Dopingjäger Nummer eins kann die "eigennützige Entscheidung" der RUSADA "unmöglich akzeptieren" - und das IOC hüllte sich zunächst in Schweigen: Der Fall der russischen Eiskunstlauf-Prinzessin Kamila Walijewa ist auf dem besten Weg, zur unendlichen Geschichte zu werden.

RUSADA verzichtet auf Strafe

Nach langem Zögern nämlich hat ein Tribunal der russischen Anti-Doping-Agentur RUSADA endlich ihr Urteil im Fall der Europameisterin gefällt: Man verzichtet nach dem positiven Test vor den Olympischen Winterspielen in Peking, den die RUSADA selbst entnommen hatte, auf eine Strafe gegen die 16-Jährige. Auch fast ein Jahr nach Olympia bleibt damit die Wertung im Teamwettbewerb mit einem Sternchen versehen.

Und Teile der Sportwelt sind fassungslos. Russland mit einer beeindruckenden Walijewa hatte im vergangen Februar zwar triumphiert - Medaillen wurden aber keine vergeben, weil während der Peking-Spiele eine Urinprobe Walijewas, durchgeführt bei den russischen Meisterschaften Mitte Dezember 2021, das verbotene Mittel Trimetazidin enthielt.

Einbruch in der Kür

Die Ad-hoc-Kommission des Internationalen Sportgerichtshofes CAS gestattete Walijewa in Peking dennoch die Teilnahme an der Einzelentscheidung wenige Tage darauf. Nach dem ersten Platz im Kurzprogramm brach das Ausnahmetalent unter dem Druck der Öffentlichkeit in der Kür zusammen und fiel auf Rang vier zurück. Seitdem herrscht Stillstand. In vielerlei Hinsicht.

Russland begann wenige Tage nach dem Erlöschen des olympischen Feuers seinen Angriffskrieg auf die Ukraine. Die Sportnation - die wegen Dopingverfehlungen in Peking ohne Landesnamen, Flagge und Hymne antrat - und ihre Sportler verschwanden zunächst von der internationalen Bildfläche. Und damit auch ein Stück weit der Fall Walijewa.

WADA hält Druck hoch

Die WADA allerdings hielt den Druck auf die RUSADA hoch, die noch bis zum 17. Dezember 2022 gesperrt war. Weil die Russen den Fall immer weiter verschleppten, rief die Welt-Anti-Doping-Agentur den CAS an. Und sie dürfte den Gerichtshof in Lausanne angesichts der neuesten Entwicklung wohl nochmals einschalten, eine Anfechtung behielt sich die WADA in ihrer Stellungnahme jedenfalls ausdrücklich vor.

Das Tribunal der RUSADA war zuvor zu dem Schluss gekommen, dass Walijewa zwar einen Verstoß gegen die Anti-Doping-Bestimmungen begangen habe, es sei aber "keine Schuld oder Fahrlässigkeit" festgestellt worden. Zudem habe Walijewa, bei der Entnahme der positiven Probe 15 Jahre alt, als "geschützte Person" zu gelten.

Scharfe Kritik von Seppelt

Die WADA fordert nun die vollständige Urteilsbegründung an, um festzustellen, ob diese mit dem Welt-Anti-Doping-Code vereinbar ist. Andere haben ihr Urteil schon gefällt, wie etwa Hajo Seppelt. "Lächerlich - das passiert in nicht-demokratischen, intransparenten Sportstrukturen. (...) Der russische Sport scheint nicht in der Lage zu sein, glaubwürdige unabhängige Strukturen aufzubauen. Aber das IOC will russische Sportler in Paris", schrieb der ARD-Dopingexperte bei Twitter.

Auch für Travis Tygart, Chef der US-Agentur USADA, gibt es kein Vertun. Die WADA und der Eislauf-Weltverband ISU müssten "gegen diese Entscheidung Berufung einlegen, um die Glaubwürdigkeit des Anti-Doping-Systems und die Rechte aller Athleten zu wahren." Die Welt könne "diese eigennützige Entscheidung unmöglich akzeptieren. Die Gerechtigkeit verlangt eine vollständige, faire und öffentliche Anhörung außerhalb Russlands", so Tygart weiter. Das Internationale Olympische Komitee ließ eine SID-Anfrage vom Freitagabend zunächst unbeantwortet.