Tatjana Maria (l) und ihr Ehemann und Coach Charles Edouard Maria mit Kindern

Tennis in Wimbledon "Vorbild" Maria wirbt weiter für Tennismütter

Stand: 02.07.2022 23:31 Uhr

Tatjana Maria (34) steht als zweimalige Mutter beim Turnier in Wimbledon erstmals im Achtelfinale eines Grand-Slam-Turniers. Sie nutzt die größte Bühne ihres Sports nicht nur für sportlichen Erfolg, sondern auch, um Veränderungen für Mütter auf der Tour voranzutreiben.

Von Jannik Schneider

Am Samstagnachmittag herrschte bei der Familie Maria längst wieder Normalität. Die beiden Töchter, Charlotte (8) und Cecilia (1), hatten die Eltern vor dem Training in die Kinderbetreuung im Aorangipark gegeben. Wenige Minuten später feilte Tatjana Maria bereits an ihrem Spezialschlag, ihrem mit sehr viel Rückwärtsdrall unterschnittenem Rückhand-Slice. Ihr Coach und Ehemann Charles Maria korrigierte von Zeit zu Zeit technische Feinheiten auf französisch.

Die Aufmerksamkeit der meisten Augenzeugen auf dem Trainingsgelände richtete sich auf Stefanos Tsitsipas und Nick Kyrgios, die beide an Marias Übungsplatz vorbeischlurften, verfolgt von ihrer Entourage und den Kameras eines vom Weltverband engagierten Streamingdienstes, um sich auf ihr Duell am Samstagabend einzustimmen.

Der Trubel um Marias Person und die großen Emotionen, die sie am Freitag nach ihrem Überraschungserfolg in der dritten Runde von Wimbledon gegen die an Nummer fünf gesetzte Griechin Maria Sakkari gezeigt hatte, waren längst einem routinierten Ablauf gewichen. 

Tatjana Maria (l) und ihr Ehemann und Coach Charles Edouard Maria mit Kindern

Tatjana Maria (l) und ihr Ehemann und Coach Charles Edouard Maria mit Kindern

Tatjana Marias Routinen vor dem größten Karrierematch

Diese Routinen, sie sind so wichtig für Tennisprofis generell und im speziellen für Maria vor dem wohl größten Match in der Laufbahn der 34-Jährigen. Mit dem vom Turnier zur Verfügung gestellten Hittingpartner, dem jungen Briten Tiarnan Brady, arbeitete sie 60 Minuten fokussiert: Aufschlag, Volleys, Slice, Returns – alles auf kurze Kommandos der Deutschen.

Maria hat an der Church Road erstmals in der Karriere drei Siege bei einem Grand-Slam gefeiert und mit Sakkari und Sorana Cirstea bereits zwei gesetzte Spielerinnen mit ihrem auf Rasen so effektiven, beidseitigem Slicespiel entnervt. Das wäre ohnehin ein toller Erfolg, der im Fall von Maria nochmals höher zu bewerten ist.

Sie kennt die zweite und dritte Reihe des Profitennis, 2008, damals noch unter dem Namen Malek, erlitt sie aufgrund einer Thrombose eine Lungenembolie, ihr Vater verstarb kurze Zeit später an Krebs. 2012 begann ein positiverer Lebensabschnitt, als sie den französischen Tenniscoach Charles Maria kennenlernte. Aus der beruflichen Beziehung wurde eine private - inklusive Kinderwunsch.

Marias Rückkehr 15 Monate nach der zweiten Geburt

Der Erfolg hier in Wimbledon gelang ihr nur 15 Monate nach der Geburt ihrer zweiten Tochter Cecilia. Vor Jahren spielte sie in Wimbledon schon mal schwanger. 2015, nach der Geburt von Charlotte, erreichte sie die dritte Runde des Rasenklassikers.

Es gibt mit Serena Williams und Viktoria Azarenka bekanntere Tennismütter. Maria jedoch betreibt für ihre Familie und alle Profispielerinnen konstant und in diesen Tagen besonders neben dem sportlichen Erfolg Werbung für eine Profikarriere mit eigenen Kindern und wirbt für allgemeine Veränderungen und Vereinfachungen für Mütter auf der Tour.

Bereits im März hatte sie im Sportschau-Interview die Verantwortlichen dafür kritisiert, dass Spielerinnen nach einer Schwangerschaft wie verletzte Spielerinnen nach der Rückkehr eingestuft werden und es keine eigene Regel für Mütter gebe.

Maria: "Ich bin ein gutes Vorbild"

Ihre Presserunde wurde am Freitag in den größten Raum verlegt. Dort erklärte sie auf Anfrage der Sportschau, dass sich seit dem Interview niemand von der WTA bei ihr gemeldet habe. "Mir wurde auch nicht entgegengekommen." Das war ob ihrer überdurchschnittlich guten Leistungen vor Wimbledon, unter anderem gewann sie in Bogota ihren zweiten WTA-Titel, nicht mehr nötig.

Veränderungen strebt sie dennoch an: Der Fokus der Sponsoren und anderer wichtiger Entscheidungsträger solle nicht ausschließlich auf dem Tennis liegen. "Sondern sie sollten auch Familien ein bisschen helfen, wieder zurück auf die Tour zu kehren. Ich glaube, ich bin da ein ganz gutes Vorbild, mit zwei Kindern wieder zurück auf der Tour zu sein und Tennis auf hohem Niveau zu spielen."

Die Familie, so Maria, ziehe ihr Ding durch. "Aber es wäre gerade am Anfang auch schön, wenn es allgemein mehr Hilfe von allen Seiten gibt - damit es einfach mehr Mütter auf der Tour gibt. Familie zu haben ist etwas Schönes." Ein wichtiger Punkt sei die Installierung von Kinderbetreuungen über die vier großen Grand-Slam-Turniere hinaus. "Es ist schade, dass es die bei anderen großen Masters-Turnieren nicht gibt. Es ist gut für die Kinder, die kennen sich untereinander und waren auch in Paris zusammen in der Betreuung und für uns ist es eine große Hilfe. Meine Kinder lieben es hier."

Tatjana Maria: Der Slice ist heiß

Die achtjährige Charlotte, die selbst ambitioniert Tennis spielt, sah den größten Erfolg ihrer Mutter am TV. "Normalerweise schalten sie dort das TV ein, wenn eine Mama der Kinder gerade spielt", erklärte Maria. Gut möglich, dass die Tochter die Mutter in Freudentränen ausbrechen sah beim Siegerinterview. Es waren große Ambitionen auf Court Nummer zwei. Am Samstag wurde wieder stoisch der Slice geübt.

"Ich weiß, dass alle gestresst sind gegen mich-– auch schon vor dem Match", sagte Maria und unterstrich den Vorteil, den diese Schläge auf Rasen wegen des flacheren Absprungs hätten. "Ich kann auf Rasen allen wehtun und ich weiß, dass mich hier alle mit Respekt sehen. Den Slice kann ich auch nachts spielen. Der wird auch im nächsten Match bleiben", kündigte sie mit einem Lächeln an.

Die unberechenbare Hardhitterin Jelena Ostapenko, Gegnerin im Achtelfinale am Sonntag, wird sich nicht wirklich freuen. An guten Tagen ist die French-Open-Siegerin von 2017 Weltklasse. An einem normalen Tag hat Tatjana Maria mit der Form der vergangenen Tage große Chancen, den prestigeträchtigen Klub der letzten acht in Wimbledon zu erreichen.