Carlos Alcaraz liegt nach seinem Sieg gegen Jannik Sinner auf dem Platz

US Open Alcaraz nach Comeback-Krimi im Halbfinale

Stand: 08.09.2022 10:20 Uhr

Nach einem Tenniskrimi gegen Jannik Sinner steht Carlos Alcaraz im Halbfinale der US Open. Auch Frances Tiafoe hat seinen Siegeszug in New York fortgesetzt. Bei den Frauen stehen Aryna Sabalenka und Iga Swiatek im Halbfinale.

Als um 2.50 Uhr Ortszeit auch das späteste Spiel der US-Open-Geschichte ein Ende gefunden hatte, fielen sich die beiden Tennis-Gladiatoren Carlos Alcaraz und Jannik Sinner völlig entkräftet in die Arme. Von den Fans im Arthur Ashe Stadium, die zuvor in 5:15 Stunden komplett auf ihre Kosten gekommen waren, gab es Standing Ovations.

Das dramatische Viertelfinalspiel in der Nacht zu Donnerstag (08.09.2022) beim letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres wird nicht nur wegen seiner späten Uhrzeit unvergessen bleiben. Die beiden Jungstars lieferten sich einen finalwürdigen, ja fast schon epischen Schlagabtausch mit vielen brillanten Ballwechseln und großer Spannung.

Alcaraz lobt den untröstliche Sinner

Am Ende zwang der 19 Jahre alte Spanier Alcaraz den zwei Jahre älteren Italiener Sinner mit 6:3, 6:7 (7:9), 6:7 (0:7), 7:5 und 6:3 in die Knie. Riesigen Applaus bekamen aber beide. "Ehrlich gesagt, weiß ich nicht, wie ich das geschafft habe", sagte Alcaraz nach seinem ersten Halbfinaleinzug bei einem Grand-Slam-Turnier, für den er extrem viel aufwenden und sogar einen Matchball gegen sich abwehren musste: "Du musst immer an dich selbst glauben. Die Hoffnung darf man immer erst als Letztes verlieren."

Alcaraz lobte in seiner Siegesrede auf dem Platz, die ihm nach dem Kraftakt sichtlich schwer fiel, auch Gegner Sinner für den packenden, aber stets fairen Kampf: "Er ist ein großartiger Spieler, sein Level ist einfach unglaublich." Den niedergeschlagenen Südtiroler konnte das wenig trösten. "Ich hatte schon ein paar schwere Niederlagen, aber das kommt nach ganz oben auf die Liste", sagte Sinner traurig, "ich denke, das wird eine Weile wehtun."

Alcaraz, der erst um 3.45 Uhr nach dem Ende der Pressekonferenz zurück ins Hotel fahren konnte, ist damit jüngster Grand-Slam-Halbfinalist seit Landsmann Rafael Nadal (2005 bei den French Open). Zudem wahrte er die Chance, nach dem Turnier die Führung in der Weltrangliste zu übernehmen.

Tiafoes Siegeszug geht weiter

Alcaraz trifft im Halbfinale am Freitag auf Frances Tiafoe, 24. "Er hat viel Selbstvertrauen im Moment, und der Ort ist für ihn auch ein besonderer", sagte Alcaraz über den US-Amerikaner. Er erwarte ein "Top-Match". Tiafoe steht als erster Lokalmatador seit Andy Roddick 2006 im Halbfinale der US Open. Der Weltranglisten-26. setzte sich im Viertelfinale am Mittwoch mit Wucht und Finesse 7:6 (7:3), 7:6 (7:0), 6:4 gegen den Russen Andrej Rublew durch, dessen Viertelfinal-Fluch anhält.

Für den 24-Jährigen war es bereits der sechste Versuch, ins Halbfinale bei einem Grand-Slam-Turnier einzuziehen - jedes Mal scheiterte Rublew. Gegen Tiafoe hielt er beherzt dagegen, doch in den Tiebreaks der ersten beiden Sätze schaltete der Publikumsliebling jeweils einen Gang hoch. Im dritten Satz konnte Rublew nicht mehr kontern. "Das ist wirklich wild, das ist verrückt", sagte Tiafoe: "Vor zwei Tagen habe ich den größten Sieg meiner Karriere geschafft und nun bin ich im Halbfinale."

Im Achtelfinale hatte er Grand-Slam-Champion Rafael Nadal sensationell ausgeschaltet. Er liefert seinen Fans eine besondere Aufsteiger-Geschichte. Als Sohn von Einwanderern aus Sierra Leone kämpfte sich der athletische Profi aus einfachen Verhältnissen auf die große Bühne. Sein Vater Frances Tiafoe Sr. begann in den 90er Jahren beim Junior Tennis Champions Center in der Region Washington D.C. als Tagelöhner - dort trainierte sein Sohn täglich stundenlang, der nun auch auf der Grand-Slam-Bühne endgültig durchstartet.

Sabalenka erneut im Halbfinale der US Open

Bei den Frauen steht Aryna Sabalenka wie im Vorjahr im Halbfinale der US Open. Die 24-Jährige aus Belarus wurde beim 6:1, 7:6 (7:4) in 81 Minuten Spielzeit zu wenig von der sechs Jahre älteren Tschechin Karolina Pliskova gefordert.

Die belarusische Tennisspielerin Aryna Sabalenka bejubelt bei den US Open den Sieg gegen die tschechische Karolina Pilskova.

Die belarusische Tennisspielerin Aryna Sabalenka bejubelt bei den US Open den Sieg gegen die tschechische Karolina Pilskova.

Pliskova präsentierte sich lange unbeweglich und fehleranfällig. "Ich habe einfach versucht, sie für die Punkte arbeiten zu lassen", sagte Sabalenka: "Im Halbfinale wird es sehr schwer werden. Aber ich bin bereit für den nächsten großen Kampf." 

Pliskova mit nur einem Gewinnschlag im ersten Satz

Im ersten Satz schaffte Pliskova nur einen Gewinnschlag bei 15 vermeidbaren Fehlern, auch ihr sonst so starker Aufschlag funktionierte kaum. Sabalenka, einstige Nummer zwei der Welt, blieb auch im zweiten Durchgang im Rhythmus und ließ sich von der nun stärkeren Gegenwehr von Pliskova nicht aus der Ruhe bringen. In der zweiten Runde hatte sie gegen die Estin Kaia Kanepi zwei Matchbälle abwehren müssen, nun hat Sabalenka weiter alle Chancen. Die kraftvolle Athletin ist als eine der Mitfavoritinnen in New York an den Start gegangen, konnte aber bislang noch kein Grand-Slam-Endspiel erreichen.

Swiatek weiter auf Titelkurs

Iga Swiatek marschiert mit großen Schritten ihrem zweiten Grand-Slam-Titel in diesem Jahr entgegen. Die 21 Jahre alte Polin setzte sich in ihrem Viertelfinal-Match 6:3, 7:6 (7:4) gegen die US-Amerikanerin Jessica Pegula durch und steht zum ersten Mal in New York im Halbfinale. Die gebürtige Warschauerin hat damit beste Chancen, nach ihrem zweiten Majorerfolg bei den French Open ein weiteres Glanzlicht zu setzen.

Swiatek, die im Achtelfinale die Dortmunderin Jule Niemeier in drei Sätzen besiegte, war gegen Pegula die offensivere, aktivere Spielerin und geriet nie wirklich in Gefahr. Sie trifft nun auf Sabalenka. Für die US-Hoffnung Pegula bleibt es dabei, dass sie bei Majors nicht über das Viertelfinale hinauskommt. Auch bei den Australian Open im vergangenem und diesem Jahr sowie bei den French Open im Juni war in der Runde der letzten Acht für sie Schluss gewesen. Auch in Paris scheiterte sie an Swiatek.