Iga Swiatek aus Polen retourniert den Ball

US Open im Tennis Kritik an "verrückt fliegenden Bällen" für die Frauen

Stand: 28.08.2022 08:08 Uhr

Vor den US Open haben Topspielerinnen wie Iga Swiatek und Paula Badosa die unterschiedlichen Bälle für Männer und Frauen kritisiert. Wie groß die Unterschiede tatsächlich sind, bleibt unklar.

Von Jannik Schneider, New York

"Ich bin glücklich, dass wir überhaupt einen Tennisball haben, den wir schlagen können", sagte Leylah Fernandez auf die Frage der Sportschau nach der Ballwahl bei den US Open und sorgte damit für die ersten Lacher am "Media Day" im größten Pressekonferenz-Raum beim letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres in New York.

Fernandez' ecuadorianischer Vater tingelte zwar einst als Fußballprofi durch Südamerika. Doch als die Familie später nach Kanada übersiedelte, lebte sie in einfachen Verhältnissen: "Vor Jahren musste ich noch mit kleinen, farbigen oder sogar Tischtennisbällen gegen die Wohnzimmerwand spielen."

Die Story wurde ein paar Mal erzählt nach ihren großen Erfolgen im Vorjahr, doch ein bisschen Understatement schwang diesmal in ihrer Antwort mit. Schließlich hatte sie mit den bei den US Open genutzten Bällen ihren bislang mit Abstand größten Erfolg gefeiert. Und die Frage, ob ihr das in New York genutzte Material für ihr Spiel helfe, ließ sie unbeantwortet.

Swiatek befeuert Diskussion: "Nicht mehr so wie vor zehn Jahren"

Während Frauen und Männer bei den anderen drei Grand Slams und dem Gros der anderen Turniere mit einem identischen Ball aufschlagen, stellen die Verantwortlichen des ausrichtenden amerikanischen Tennisverbands bei den US Open ein anderes Spielgerät zur Verfügung. Diese Unterschiede bestehen bereits seit mehr als zehn Jahren. Diskutiert wurde das bislang jedoch kaum.

Erst in den vergangenen Tagen hat sich um die bei den Frauen verwendeten Bälle bei einigen nordamerikanischen Turnieren und eben hier in New York eine Diskussion verselbstständigt. Allen voran Iga Swiatek, die Nummer eins der Welt, sowie Top-10-Spielerin Paula Badosa kritisieren die Unterschiede und Verhaltensweisen in den vergangenen Wochen und Tagen lautstark.

 "Ehrlich gesagt, mag ich sie nicht. Ich habe viele Spielerinnen gehört, die sich darüber beschwert haben, weil wir andere Bälle haben als die Männer", erklärte Swiatek vor Wochenfrist beim WTA-1.000-Event von Cincinnati. "Die Sache ist die, dass sie leichter sind. Sie fliegen wie verrückt. Wir haben heute ein wirklich kräftiges Spiel. Es ist nicht mehr so wie vor zehn Jahren."

Experte: "Bälle in Größe, Gewicht und Absprung identisch"

Die von Männern und Frauen genutzten Bälle bei den US Open seien in der Größe, im Gewicht und Absprung aber identisch, sagte ein Produktmanager der Firma, deren Bälle bei den US Open genutzt werden, jedoch unlängst der "Washington Post". Der einzige Unterschied: Der Ball der Männer sei flauschiger und erzeuge einen größeren Treffpunkt; der Ball der Frauen habe dagegen ein engeres Gewebe an der Ballnaht, was den Ball aerodynamischer mache.

Die Aussagen des Ballexperten bestätigte der ehemalige Doppelspezialist Christopher Kas, der seit Jahren auf der WTA-Tour coacht, der Sportschau. Mit ihm erreichte Jule Niemeier, Deutschlands beste junge Spielerin, in Wimbledon das Viertelfinale. Nach einer gemeinsamen Trainingseinheit auf einem der Außenplätze sagte Kas: "Die Spielerinnen bekommen dadurch mit etwas weniger Input etwas mehr Output was die Geschwindigkeit angeht."

Der Ball der Herren sei tatsächlich etwas flauschiger. "Deshalb hat man nach circa 20 bis 25 Minuten Spielzeit das Gefühl, dass der Ball größer ist." Wenn die Bälle aus der Dose kämen, seien sie gleich groß, so Kas, der in Mixed-Wettbewerben in New York selbst mit dem bei den Frauen eingesetzten Ball gespielt hat.

Verweis auf die Erfolge von Serena Williams

"Der Damenball spielt sich etwas leichter, liegt weniger schwer auf dem Schläger und fliegt etwas leichter durch die Luft. Dadurch haben Spielerinnen ab und zu das Gefühl, dass der Ball sich schwieriger kontrollieren lässt." Einen größeren Nachteil sieht Kas aber nicht und verweist auf die großen Erfolge von Serena Williams, die in New York sechsmal triumphierte und besonders hart schlägt. Gleichzeitig sagt er mit Blick auf Swiateks Aussagen: "Ich finde es richtig, dass man grundsätzlich darüber diskutiert, ob es noch zeitgemäß ist, andere Bälle zu verwenden."

Benjamin Ebrahimzadeh, der mit der Deutschen Nastasja Schunk (19) und Chun-Hsin Tseng (20, Taipeh) gleich zwei vielversprechende Talente trainiert, sagte dagegen: "Ich finde die Kritik und das Thema wird momentan viel zu viel aufgebauscht. Am Ende des Tages muss man sich als SpielerIn damit abfinden und sich nur mit den Dingen beschäftigen, die man beeinflussen kann. Wir können weder Platz noch Wetter und auch nicht die Bälle bestimmen."

In New York bekräftigte die French-Open-Siegerin Swiatek noch einmal ihre Kritik: "Paula Badosa und ich bleiben bei unserer Meinung. Die Bälle verändern sich nach einer gewissen Spielzeit doch sehr." Die Spanierin Badosa hatte auf Instagram unlängst erklärt, es mache keinen Sinn mehr mit leichteren Bällen zu agieren und kritisierte, dass die Bälle kaum zum Training zugänglich seien. Gemeinsam, so Swiatek, habe das Duo 2021 bereits Kontakt zu WTA-Chef Steve Simon gesucht.

Eine WTA-Sprecherin bestätigt auf Sportschau-Anfrage den Kontakt. "Der Ursprung der Ballwahl war, die Anzahl an Schulter-, Ellbogen- und Handgelenksverletzungen zu limitieren. Wir werden das weiter monitoren und sowohl mit unseren Athletinnen als auch Sportwissenschaftlern besprechen."