Tiafoe lächelt mit Stirnband

Jungstar der US Open Die Tellerwäscher-Story des Frances Tiafoe

Stand: 07.09.2022 23:13 Uhr

Es war bislang die Überraschung bei den US-Open: Außenseiter Frances Tiafoe (USA) hat den Turnierfavoriten Rafael Nadal in vier Sätzen aus dem Wettbewerb befördert. Am Mittwoch legte er nach und zog nach einem 7:6 (7:3), 7:6 (7:0), 6:4 gegen den Russen Andrej Rublew eindrucksvoll ins Halbfinale ein. Der 24-jährige Tiafoe gehört zu den Jungstars der Szene wie Caspar Ruud (Norwegen) und Carlos Alcaraz (Spanien) - seine sportliche Geschichte bis hinaus in die Weltspitze ist allerdings einzigartig.

Frances Tiafoe stammt aus einfachen Verhältnissen. Seine Eltern waren Einwanderer aus Sierra Leone und kamen Anfang der 90er Jahre nach Washington DC. Tiafoes Mutter arbeitete als Krankenschwester, sein Vater Constant begann als Tagelöhner und war unter anderem für den Bautrupp der Tennis-Jugendakademie JTCC in Washington tätig.

Schlafstätte im umgebauten Lagerraum

Als der Bau der Akademie abgeschlossen war, blieb Vater Tiafoe dort als Verwalter beschäftigt. Die Tage waren lang für die Familie auf der Tennisanlage. Einen Lagerraum dort baute Constant Tiafoe zur Schlafstätte für sich und seine beiden Söhne um - sehr zur Freude von Frances, der nun noch mehr Zeit mit Tennisspielen verbringen konnte, während seine Mutter ihre Nachtschichten im Krankenhaus verbrachte.

Doch die Anfänge waren auch hart für den Arbeitersohn. Von den Spielkameraden, die nicht selten im edlen Bentley vorgefahren kamen, wurde Frances gehänselt, weil er oftmals tagelang das gleiche T-Shirt trug und seine Tennissocken Löcher hatten. "Diese Armen-Witze damals taten wirklich weh. Es gab dir im Hinterkopf das Gefühl, dass du nicht aus demselben Holz geschnitzt bist", sagte Tiafoe dem Magazin "Andscape".

Er steckte die Hänseleien aber weg und konzentrierte sich lieber auf den Sport. Er spielte und trainierte schon als Kind mehrere Stunden täglich und wusste im Alter von 12 Jahren, dass er Tennisprofi werden wollte. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete er unter der Anleitung von Misha Kouznetsov, der Tiafoe Ende 2006 an seinem ersten Arbeitstag als Tennislehrer beim JTCC entdeckte.

Entdecker Kouznetsov: "Er war immer da"

"Er war nicht talentierter als die anderen Achtjährigen, die dort waren“, sagte Kouznetsov in einem Interview. "Aber als ich morgens zur Arbeit kam, war er da. Als ich abends wegging, war er da. Ich sah ein Kind, das immer da war, und ein Kind, dem ich so viel Tennis beibringen konnte, wie ich wollte."

Tiafoes sportliche Entwicklung nahm Fahrt auf. Er brachte körperlich gute Voraussetzungen mit und schlug schon bald Kinder, die zwei Jahre älter waren als er.

Tiafoe in Aktion bei den US Open

Tiafoe im Spiel gegen Nadal.

Jüngster Sieger der Orange Bowl

Im Alter von 14 Jahren spielte Tiafoe bei Turnieren in Übersee und wurde U14-Weltmeister in Frankreich. Mit 15 Jahren war Tiafoe der jüngste Spieler, der die prestigeträchtige Orange Bowl International Championship in Florida gewann. Mit 16 wurde er eingeladen, an der Qualifikationsauslosung der US Open 2014 teilzunehmen, nur wenige Monate nachdem er vor den French Open zu einer Schlagsitzung mit Rafael Nadal gerufen worden war.

Mit 17 Jahren, dem Alter, in dem er Profi wurde, gab Tiafoe bei den French Open 2015 sein Grand-Slam-Hauptfelddebüt. Tiafoe spielte dieses Event als Joker und war der erste Amerikaner, der in diesem Alter Einzel im Hauptfeld der French Open spielte, seit Michael Chang und Pete Sampras dies 1989 taten.

Keine Ausbildung - "Alles Zeitverschwendung"

Während seine Eltern noch gehofft hatten, er würde parallel zum Tennis eine berufliche Ausbildung absolvieren, schloss sich Frances der Berateragentur des Schauspielers Will Smith an, um seine Karriere auf professionellere Beine zu stellen. Die Ausbildung lehnte er ab mit den Worten: "Alles Zeitverschwendung." Die Erfolge sollten ihm recht geben, obwohl der ganz große internationale Triumph in Tiafoes Vita noch fehlt.

Im vergangenen Oktober erreichte er das Finale des ATP-500-Turniers in Wien, scheiterte aber in zwei Sätzen an Alexander Zverev. Nun feierte er mit dem Halbfinaleinzug bei den US-Open den größten Erfolg seiner Karriere - es muss nicht der letzte Schritt in einer ungewöhnlichen Laufbahn bleiben.