Tennis | US Open Emma Raducanu siegt bei US Open - die Tennis-Welt steht Kopf

Stand: 12.09.2021 11:33 Uhr

Emma Raducanu hat mit ihrem Sieg bei den US-Open Tennis-Geschichte geschrieben. Die 18 Jahre alte Britin ist die erste Qualifikantin, die ein Grand-Slam-Turnier gewinnt und könnte zum Star einer neuen Tennis-Generation werden.

Der Stadion-DJ in Flushing Meadows hatte offenbar gut recherchiert. Oder es sonst irgendwo mitbekommen, dass die Engländer bei der Fußball-EM im eigenen Land "Sweet Caroline" zu ihrer neuen Hymne gemacht hatten. Die halbe Insel grölte im Juni den alten Party-Hit von Neil Diamond, spätestens nach dem Sieg gegen Deutschland.

Also lief er auch am Samstagabend (11.09.2021) in New York über die Stadionboxen, nachdem die 18 Jahre alte Britin Emma Raducanu sensationell den Titel bei den US Open gewonnen hatte. Mit einem 6:4, 6:3-Erfolg im Endspiel gegen die gerade einmal zwei Monate ältere Leylah Ferndandez. Und damit war auch die Tennis-Welt auf den Kopf gestellt.

Glückwünsche von der Queen

Schon in der Nacht rauschten die Glückwünsche über den Atlantik, das Königshaus veröffentlichte ein Schreiben der Queen: "Ihre außergewöhnliche Leistung, ebenso wie die ihrer Gegnerin Leylah Fernandez, wird die nächste Generation von Tennisspielerinnen inspirieren."

Auch die großen Damen der Tennis-Welt gratulierten: "Einfach wunderbar zu sehen, wie sie unseren Traum weiterleben", freute sich Billie Jean King, die bei der Siegerehrung neben Raducanu auf dem Platz stand. Martina Navratilova twitterte: "Ein Star ist geboren!"

Als Qualifikantin zum Titel

Um Raducanus Triumph einzuordnen, muss man weit zurückgehen in der Geschichte, mindestens bis zum Wimbledon-Sieg eines 17-Jährigen aus Leimen im Jahr 1985. Aber auch dies reicht nicht, denn noch nie zuvor in der Ära des Profi-Tennis hatte ein Spieler oder eine Spielerin, die es über die Qualifikation ins Hauptfeld eines Grand-Slam-Turniers schafften, am Ende auch die Trophäe gewonnen.

So wie jetzt Emma Raducanu, die in Flushing Meadows erst drei Matches in der Qualifikation gewann. Ohne Satzverlust, ebenso wie die sieben darauffolgenden bis zum Finalsieg.

Erster großer Auftritt in Wimbledon

Dies konnte beim besten Willen niemand kommen sehen, auch nicht bei diesen US Open, bei denen sich die Top-Spielerinnen der Reihe nach früh aus dem Turnier verabschiedet hatten. Und auch nicht nach Raducanus erstem großen Auftritt im Sommer in Wimbledon.

Als Nummer 338 der Weltrangliste stürmte sie bis ins Achtelfinale, einen Monat nach ihrem Debüt auf der WTA-Tour, und eroberte die Herzen der britischen Fans. Ehe sie im Match gegen Ajla Tomljanovic aufgeben musste, wegen Schwindel und Problemen mit der Atmung. Begleitet von vielen Spekulationen, BBC-Kommentator John McEnroe etwa vermutete mentale Probleme und meinte, die 18-Jährige habe womöglich dem Druck auf der größten Tennis-Bühne nicht standhalten können.

Abitur mit Bestnoten, geerdetes Umfeld

Raducanu wiederum steckte das jähe Ende ihres ersten Höhenflugs gut weg. Sie arbeitete verstärkt an ihrer Fitness und drehte offenbar auch sonst an den exakt richtigen Schrauben: Sie holte ihren Trainer Andrew Richardson ins Team zurück, ein enger Vertrauter, der sie begleitet hatte, seit sie elf Jahre alt war.

Sicherlich ist es auch ihr geerdetes Umfeld, dass die 18-Jährige aus Bromley in Süd-London stark macht. Ihre Eltern, die in der Londoner Finanzbranche tätig sind, legten Wert darauf, dass sie ihren A-Level machte, das britische Abitur, mit Bestnoten in Mathematik und Wirtschaft.

Auch das unterscheidet Raducanu von vielen anderen Spielerinnen, die schon früh in der Pubertät auf Tennis-Internate gesteckt werden, verbunden mit dem entsprechenden Leistungsdruck, die komplette Jugend auf eine mögliche Profi-Karriere auszurichten.

Dominant und nervenstark - auch im Finale gegen Fernandez

Von ihren spielerischen Anlagen her gilt Raducanu schon jetzt als eines der größten Talente ihres Sports. Mit einem erstaunlich vielseitigen Spiel, ihre zwei größten Stärken sind der Return und ihre Rückhand, bei der sie den Ball früh trifft und die Gegnerin sofort unter Druck setzt.

Bei den US Open zeigte sie zudem eine Nervenstärke, als hätte sie bereits viele Grand-Slam-Schlachten erfolgreich überstanden. Diese Geduld half ihr auch im Finale gegen Leylah Ferndandez, die andere große Überfliegerin des Turniers. Das Duell der beiden war das erste Major-Finale zweier ungesetzter Spielerinnen. 2018 hatten sich beide in Wimbledon noch bei den Juniorinnen gegenüberstanden.

Beim Finale der US Open dominierte Raducanu nun von Beginn an, zeigte auch die größere Widerstandskraft und nutzte nach 1:51 Stunde den dritten Matchball zum Sieg. Damit ist Raducanu die erste britische Grand-Slam-Siegerin nach Virginia Wade 1977.

"Es gab keine Spielerin in der Geschichte, die so wenige Matches brauchte, um ein Grand-Slam-Turnier zu gewinnen", schrieb der "Guardian" über die US-Open-Siegerin. "Und das in der intensivsten aller Arenen. Das Bemerkenswerteste daran, es sah vom ersten Moment an so aus, als müsste es einfach so kommen."